Die Galerie am Abend von Vera Ziegler
(Eine Bestandsaufnahme von Dörte Döhl)

Galerie am Abend | Ausstellungen und Lesungen | Spätere Lesungen (und Ausstellungen) | Edition Galerie am Abend | Vera Ziegler

Die "Galerie am Abend" existierte annähernd zehn Jahre von 1960 bis 1969. Die Initiatorin Vera Ziegler schuf in ihrer Wohnung in Berlin-Friedenau, Wielandstraße 8, einen Ausstellungsort, der im damals überschaubaren Kulturleben West-Berlins schnell zum Künstler-Treffpunkt wurde. Diese Institution öffnete nur am Abend und an den Wochenende, denn die Galeristin war voll berufstätig.

Kontakt bestand in den frühen Jahren vor allem zur Gruppe der Künstler aus der Kreuzberger "Zinke", wo Günter Bruno Fuchs, Günter Anlauf und Robert Wolfgang Schnell heimisch waren. Ab 1963 sammelte sich in der Gruppe der "Rixdorfer" ein Kreis um Fuchs, zu dem Uwe Bremer, Ali Schindehütte, Johannes Vennekamp und Arno Waldschmidt gehörten, die ihre Werkstatt in der Oranienstraße 20 eingerichtet hatten.

In der "Galerie am Abend" konnte das Publikum darüber hinaus bei Lesungen etwa Christa Reinig, F.C. Delius, Ludwig Harig oder H.C. Artmann kennenlernen. Junge Künstler bekamen in der Wielandstraße die Chance einer ersten eigenen Ausstellung. Einige Maler und Grafiker aus der Bundesrepublik konnte Vera Ziegler in Berlin erstmals zeigen. Mit bis zu sieben Ausstellungen pro Jahr bot sie in Berlin aus eigener Initiative ein Programm an, das den kommerziellen Kunsthandlungen in nichts nachstand. Aktuelle Strömungen griff die "Galerie am Abend" ebenso auf wie zufällig entstehende Kontakte, dabei gewann sie mit einer Tendenz zur figürlichen Kunst, die bis hin zum "phantastischen Realismus" reichte, durchaus ein eigenes Profil.

Vera Ziegler kam es aber am meisten darauf an, einen Raum der Begegnung von Kunst und Literatur zu schaffen, der das Publikum stark einbezog. Diese Idee war Programm. Als Galeristin formulierte sie es 1960 folgendermaßen:

"das rastlose suchen, die melancholie, die freude, das erfassen der unendlich vielen variationsmöglichkeiten einer einzigen farbe, die fülle des lebens, die der künstler immer wieder von neuem entdeckt, all das möchte ich zeigen. zum anderen aber eine stätte schaffen, um im kleinen kreis arbeiten bildender künstler zur dikussion zu stellen, und auch so zu einem zwanglosen beisammensein von künstlern und kunstliebhabern beitragen. denn auch wer selbst nicht schöpferisch tätig ist, hat vielleicht den wunsch, sich mit den viel diskutierten fragen um die kunst unserer zeit auseinanderzusetzen."

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Ausstellungen und Lesungen in der "Galerie am Abend"

Juni 1960: Eröffnung der Galerie am Abend mit einer Ausstellung von Karl August Hahn (Berlin), Zeichnungen und Metallarbeiten.
(Dazu Bilder von Walter Schmock und zwei Gipsplastiken von Eugen Clermont)
25.9.-28.10.1960: Ausstellung Kat Kampmann (Berlin)
6.11.1960-6.1.1961: Ausstellung "des peintures exigues" mit Isolde Baumgart (Paris), Otto Adolf Brasse (Berlin), Florian Breuer (Berlin), Christian Chruxin (Berlin), Ute Finis (Kassel), Hildegard Annemarie Fischer (Berlin), Karl August Hahn (Berlin), Kat Kampmann (Berlin), Wolfgang Kube (Berlin), Ali Schindehütte (Kassel), Rudolf Schoofs (Kassel)

1961
Januar 1961: Ausstellung Ali Schindehütte, Zeichnungen
19.2.-19.3.1961: Ausstellung "Momentaner Monumentalismus": Fünf Figuren von Ali Schindehütte, Christian Chruxin, Arno Waldschmidt, Paul Dreizehn, Angelika
9.4.-5.5.1961: Ausstellung Nierhaus und Estenfelder, Frankfurt am Main, Collagen
7.5.-2.6.1961: Ausstellung Horst Grig, Reliefbilder
25.6.-14.7.1961: Ausstellung "Jugendstillithografien"
25.6. Lesung Joachim G. Oldag
6.8.-6.9.1961: Ausstellung Ekkehard Thieme, Grafik
6.8.: Lesung Christa Reinig
5.11.-1.12.1961: Ausstellung Kilian Breier (Saarbrücken), "Fotogramme" / Kurt Wendlandt (Berlin), "Lichtgrafik und Lichtcollagen"

1962
1.4.-27.4.1962: Ausstellung Rolf Curt (Berlin), Malerei und Grafik
6.5.-1.6.1962: Ausstellung Joe Hackbarth (Weinheim), Reliefbilder, Malerei und Grafik
6.5.: Lesung: Günter Bruno Fuchs liest Villon
16.6.-12.7.1962: Ausstellung: Michael Witzenmann-Krell/Karlheinz Dennig (Hamburg), "Malerei und Grafik"
16.6. Lesung Kurt Neuburger
10.11.-2.12.1962: Ausstellung Alexander Deisenroth, Malerei und Grafik
10.11.: Lesung Kurt Neuburger (zu seinem 60. Geburtstag)
8.12.-31.12.1962: Ausstellung Günter C. Kirchberger (Stuttgart)
8.12.: Lesung Reinhard Döhl (Stuttgart)

1963
19.1.-19.2.1963: Ausstellung Rolf Jörres, Plastik und Grafik
19.1.1963: Lesung Arnim Juhre
2.3.-2.4.1963: Ausstellung Walter Mensch (Hamburg)
2.3.: Konzert Nagi el Habaschi, Cello
20.4.-20.5.1963: Ausstellung Hans Walter Lämmerhirt (Frankfurt a. M.), Malerei und Grafik
25.5.-25.6.1963: Ausstellung Charles Wierspecker, Malerei und Grafik
25.5.: Lesung Rolfrafael Schroer
3.8.-1.9.1963: Ausstellung Jean Pons (Paris), Ölbilder und Lithografien
3.8.: Lesung Simon Traston
26.10.-22.11.1963: Ausstellung Klaus Burkhardt (Stuttgart), Druck und Buchstabenbilder
26.10.: Lesung Kurt Neuburger

1964
14.3.-12.4.1964: Ausstellung W.P. Eberhard Eggers (Hannover), "Seltsame Machenschaften, u.a. Katharina und aus der ,Absurda Comica‘"
14.3.: Lesung und Eröffnung P.G. Brandt
30.5.-? 1964: Ausstellung Michael Badura "Organisationen mit Schwerkraft"
30.5.: Lesung Aldona Gustas
8.8.-1.9.1964 V. Ausstellung der Gesellschaft Tessiner Maler und Bildhauer, Ölbilder, Plastiken, Grafiken (Massimo Cavalli, Renzo Ferrari, Giovanni Genucchi, Cesare Lucchini, Bruno Morenzoni, Flavio Paolucci, Selmoni, Travaglini)
12.9.-4.10.1964: Ausstellung Werner Kausch (Hannover), Malerei und Grafik
12.9. Lesung Jan Franksen
17.10.-15.11.1964: Ausstellung Kurt Budewell (Duisburg), Gemälde, Zeichnungen, Grafik

1965
13.2.-28.2.1965: Ausstellung "para bellum" Heinrich Schilinzky, Collagen
13.2. Lesung Christoph Gahl
6.3.-4.4.1965: Ausstellung Heinrich Pölzl (Graz), Malerei und Grafik
6.3. Lesung Wolfgang Bauer
10.4.-9.5.1965: Ausstellung Friedrich Sieber (Stuttgart)
10.4. Lesung: Reinhard Döhl (Stuttgart)
15.5.-?: Ausstellung Marjan Vojska
19.6.-18.7.1965: Ausstellung Gilbert Chevalier, Zeichnungen und Collagen
19.6. Lesung und Einleitung mit Lothar Baier (text + kritik)
24.7.-23.8.1965: Ausstellung Tilman Fritsch, Malerei
24.7. Lesung F.C. Delius
2.10.-31-10.1965: Ausstellung: Hans Dahlem (Saarbrücken), "graphische kosmogonie"
2.10. Lesung Ludwig Harig

1966
30.4.-29.5.1966: Ausstellung Konrad Mätzig (Adelebsen), Malerei und Grafik
30.4.: Lesung Peter O. Chotjewitz
4.6.-3.7.1966: Ausstellung Tom Reichelt, Ölbilder und Aquarelle
4.6. Lesung H.C. Artmann
29.6.1966: Lesung Vagelis Tsakiridis
1.10.-23.10.1966: Ausstellung Konrad Schüler
1.10. Lesung: Joachim Seyppel (Berlin)
29.10.-27.11.1966: Ausstellung Helmut Plontke, Zeichnungen

1967
21.1.-19.2.1967: Ausstellung Klaus Vogelgesang, Grafik
21.1.: Lesung Johannes Schenk
25.2.-27.3.1967: Ausstellung Edwin Dickman, Zeichnungen und Lithos
25.2.: Lesung Thomas Pfeiffer
1.4.-30.4.1967: Ausstellung Helmut Völker, Grafik und Ölgemälde
1.4.: Lesung Joachim Uhlmann
6.5.-4.6.1967: Ausstellung Tilman Fritsch, Ölgemälde
6.5.: Lesung Vangelis Zakarides
10.6.-9.7.1967: Anthologie der Galerie am Abend: Edwin Dickman, W.P. Eberhard Eggers, Rolf Fässer, Tilman Fritsch, Wolfgang Kunde, Konrad Schüler, Helmut Völker, Klaus Vogelgesang
10.6.: Lesung Rudolf Wittkopf
16.9.-15.10.1967: Ausstellung Karl String, Ölgemälde
11.11.-31.12.1967: Ausstellung Konrad Schüler, Mischtechniken
11.11.: Lesung Johannes Schenk
22.11.1967: Lesung Kurt Neuburger (anlässlich seines 65. Geburtstages)

1968
6.1.-25.2.1968: Ausstellung Ernst Volland (Wilhelmshaven), Zeichnungen
6.1.: Lesung Johann Peter Tammen
30.3.-29.5.1968: Ausstellung Natascha Ungeheuer
30.3.: Lesung Johannes Schenk
14.9.-13.10.1968: Ausstellung Hans-Ulrich Buchwald (Hannover), Holz- und Linolschnitte
14.9.: Lesung Wolfgang P. Menzel
2.11.-1.12.1968: Ausstellung Stephan Scherer, Malerei und Grafik
2.11.: Lesung Joachim Seyppel
7.12.1968-6.1.1969: Ausstellung Justine Zeitler

1969
1.3.-13.4.1969: Ausstellung Erhart Wagner, Zeichnungen und Bilder
1.3.: Lesung Tilmann Lehnert
10.5.-22.6.1969: Ausstellung Pierre Vogel (Genf)

Zu den Ausstellungen in der Galerie am Abend stellten die Künstler in der Regel entsprechende Plakate und Einladungen her.

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Nach der Galeriezeit von 1960-1969 veranstaltete Vera Ziegler regelmäßig Lesungen, manchmal fanden auch Ausstellungen statt (unvollständige Liste):

22.2.1975: Lesung Peter J. Fabich
7.3.1981: Ausstellung Nieblich, Bilder und Zeichnungen
Lesung Helga M. Novak
26.8.1983: Lesung Peter J. Fabich
27.11.1989: Lesung Peter J. Fabich
2.4.1990: Lesung Martin Pohl
14.5.1990: Lesung Heinz Kahlau
25.6.1990: Lesung Paul Schuster
17.9.1990: Lesung Hartmut Andryczuk
10.12.1990: Lesung Paul Schuster
27.5.1991: Lesung Paul Schuster
18.11.1991: Lesung Gisela Zies
20.1.1992: Lesung Assen Assenow
23.3.1992: Lesung Ernest Wichner
17.8.1992: Lesung Adolf Endler
12.10.1992: Lesung Tilmann Lehnert
25.1.1993: Lesung Helmut Eisendle
22.3.1993: Lesung Lothar Klünner
7.6.1993: Lesung Lothar Fischer
9.8.1993: Lesung Richard Wagner
18.10.1993: Lesung Kiev Stingel
7.11.1994: Lesung Christoph Klimke
29.5.1995: Lesung Wolfgang Heyder

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Angeregt von VauO Stomps und seiner "Neuen Rabenpresse" brachte Vera Ziegler eine eigene Editions-Reihe heraus, die folgende Publikationen hervorbrachte:

Edition Galerie am Abend
"Notizen", Gedichte von Aldona Gustas, 9 Radierungen von Konrad Schüler, Ganzleder, 15 x 21,5 cm, 15 nummerierte und signierte Exemplare, um 1968/69.
"Das Tor zum Garten von Adam und Eva", 5 Lithografien von Konrad Schüler, 5 Aussprüche von Kurt Neuburger, Leinen 30 x 21 cm, 30 nummerierte und signierte Exemplare, 1969.
"Doppelfenster", Gedichte von Wolfgang P. Menzel, 10 Zeichnungen von Ernst Volland, Englische Broschur, 20,5 x 29,5 cm, 200 nummerierte und signierte Exemplare, 1969.
"Montagsmaschinen", Gedichte von Heinz Kulas, 15 Zeichnungen von Konrad Schüler, Englische Broschur, 29,7 x 21 cm, ca. 1969/70.
"Einfache Sätze", Texte verschiedener Dichter mit 10 Zeichnungen von Klaus Vogelgesang, Mappe, signiert und nummeriert, 41,5 x 30 cm, ca. 1969/70.
Karl Oppermann: Unter der Lasur. Gedichte und Zeichnungen, Berlin 1970.
Uwe Reisner: Vorm Aufhören beginnen, mit Zeichnungen von Günter Anlauf, Berlin 1982, 300 nummerierte und signierte Exemplare.
Jürgen Schüler, Text, Konrad Schüler, Klappbilder, Edition Galerie am Abend, Kassette: Einmalige Ausgabe von 4 nummerierte und signierten Exemplaren.
Georg Rosenstock: Irische Gezeiten, herausgegeben von Vera Ziegler, Illustrationen: Wolfgang Nieblich, Berlin, Hans Werner Herrmann Verlag.

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Vera Ziegler (1914-1996)

Vera Ziegler wurde am 9.11.1914 in Päwesin geboren und wuchs in Wildau bei Königs Wusterhausen auf. Ihr Vater Otto Ziegler (1871-1936) besaß dort eine Apotheke. Ihre Mutter Eva, geb. Dormann, (1879-1931) war Erzieherin. 1934 bestand Vera Ziegler das Abitur am Reform-Gymnasium Königs Wusterhausen. Sie machte eine Ausbildung zur technischen Assistentin, heiratete 1937 einen Arzt und brachte während des Krieges drei Kinder zur Welt. 1940 zog die Familie nach Berlin-Friedenau in die Wielandstraße 8. Nach der zweimaligen Scheidung von ihrem ersten Ehemann war Vera Ziegler von 1948 bis 1953 mit dem Maler Walter Schmock verheiratet.

Auf den Weg in die berufliche und wirtschaftliche Eigenständigkeit führte sie von 1954 bis 1961 eine Anstellung im Versand einer Zellstofffabrik in Zehlendorf. Das Bezirksamt Wedding übernahm sie 1962 als Büchereimitarbeiterin. Von 1974 bis zur Pensionierung 1979 war Vera Ziegler Bibliotheksangestellte am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin.

Neben ihrer Berufstätigkeit eröffnete Vera Ziegler 1960 in der großen Altbauwohnung in Friedenau, in der sie bis zu ihrem Tod lebte, die "Galerie am Abend" und intensivierte damit den Kontakt zu Künstlern, den sie auch vorher schon geschätzt hatte. Als Galeristin fand sie Resonanz bei einem interessierten und vielseitigen Publikum. Ihre Wohnung öffnete sie außerdem nicht nur für Ausstellungen: In den sechziger Jahren wohnte Helga Novak für kurze Zeit bei ihr. Anlässlich seiner Rückkehr nach Berlin bezog der Autor und Verleger VauO Stomps 1967 Räume in der Wielandstraße 8. Bis zum Februar 1969 richtete er dort die "Neue Rabenpresse" ein und druckte dort einige seiner letzten Bücher.

Vera Ziegler beendete die regelmäßigen Ausstellungen in ihrer Wohnung 1969. Mit Lesungen, die sie bis 1995 veranstaltete, führte sie die Idee, Künstler und Publikum in der Tradition der Berliner Salons zusammenzubringen, bis zur ihrem Lebensende weiter fort. Gleichzeitig engagierte sie sich ab 1981 im Bereich des Theaters. Als Darstellerin nahm sie an den Produktionen freier Berliner Gruppen teil. Außerdem trat sie an großen Häusern wie dem Theater des Westens und der Freien Volksbühne als auch in Filmen als Komparsin auf.

1990 wurde Vera Ziegler Mitglied des neu begründeten Ensembles "Teatr Kreatur" im Theater am Ufer in Berlin. Sie trat in den Produktionen "Die Zimtläden", "Das Ende des Armenhauses", "Ein Stück vom Paradies" und "K" von Andrej Woron auf und unternahm mit der Truppe zahlreiche Tourneen, u.a. nach Russland und Südamerika.

Von 1995 bis 1996 baute sie als Mitorganisatorin das Tanztheater "Bas-Relief" auf.

Vera Ziegler verstarb am 12.12.1996 in Berlin.

Ihr Nachlass ging in Teilen an die Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin.

(Stand: Frühjahr 2002)