Reinhard Döhl | Zu Richard Hughes' "Danger"

Wenn ich in der Folgezeit in mehreren Sendungen versuchen will, anhand einiger ausgewählter Hörspiele so etwas wie eine Geschichte und Typologie des Hörspiels zu skizzieren, so ist dieser Versuch auch Folge einer Irritation, ausgelöst durch eine Handvoll Bücher über das Hörspiel, in denen Vorurteile die Argumentation zu bestimmen scheinen. Ich meine Bücher, in denen eine Poetik beziehungsweise Dramaturgie des Hörspiels aus in ihrer Einseitigkeit unhaltbaren Vorverständnissen wie dem des "eigentlichen Hörspiels" als einer "eigenen Kunstform des gesprochenen Wortes" (Heinz Schwitzke) beziehungsweise dem des "totalen Schallspiels" im Gegensatz zum "verworteten Hörspiel" (Friedrich Knilli) abgeleitet werden.

Ein heute und im Gegensatz zu den 50er Jahren wieder außerordentlich vielperspektivisches Angebot reicht vom unterhaltenden bis zum mit der Sprache und/oder den Möglichkeiten des Mediums experimentierenden Hörspiels. Und es laßt in der Korrelation von Angebot und Nachfrage ein pluralistisches Hörspielpublikum ebenso erkennen, wie es zugleich demonstriert, daß es eine verbindliche Poetik des Hörspiels bis heute nicht gibt. Vielleicht könnte man von der Bevorzugung besonderer Hörspieltypen durch die Hörspieldramaturgien der einzelnen Rundfunkanstalten sprechen. Dann wäre zum Beispiel das Hörspielverständnis der 50er Jahre wesentlich durch die Hörspielprogramme des Norddeutschen Rundfunks geprägt. Ein Wechsel dieses Hörspielverständnisses würde sich dann durch die Sendungen zahlreicher Hörspiels aus dem Umkreis des "nouveau roman" innerhalb der Programme des Süddeutschen Rundfunks seit Ende der 50er Jahre abzeichnen. Und schließlich wäre das Aufbrechen erstarrter Hörspielvorstellungen und ein neues Verständnis für frühe Hörspielexperimente seit etwa Mitte der 60er Jahre - fraglos mitbedingt auch durch die Möglichkeiten der Stereophonie - wesentlich durch die Programme des Saarländischen und des Westdeutschen Rundfunks bestimmt.

Eine Beschäftigung mit den Anfängen der Hörspielgeschichte, die heutige Einschätzung mit den ersten Hörspielversuchen und Hörspielen scheint mir dabei wesentlich vom jeweils ausgebildeten Hörspielverständnis, vom jeweils Hörspieltyp gesteuert. Eine Vermutung, die man zum Beispiel mit der kontroversen Bewertung stützen könnte, die die Hörspieltypen des sogenannten "akustischen Films" oder der Hörfolge durch Autoren wie Schwitzke und Knilli erfahren.

Gemeinsam dagegen ist den Autoren, die über das Hörspiel zu schreiben versuchen, ihr Bemühen, das Hörspiel als eigenständiges Kunstwerk, als eigenständige literarische Gattung historisch rückzuversichern. Da werden Nietzsche und Musil als Kronzeugen zitiert. Da werden Schiller, Goethe und Lessing als Propheten angerufen; da wird der blinde Homer bemüht und sogar der Versuch unternommen, Vergleichbares in alten Kulturen und Kulten auszugraben. Ganz abgesehen davon, daß dabei stets das Medium aus den Augen gerät, ist ein Zitieren Musils schlicht falsch, wie Ulrich Lauterbach schon 1962 nachgewiesen hat. Und was die Propheten Schiller, Goethe und Lessing für diesen Zusammenhang beitragen können, macht ein Überblick über die Literatur der sogenannten Literaturrevolution sehr viel leichter einsichtig:

Die Diskussion nämlich um erstarrte Gattungsbegriffe, eine steigende Unsicherheit einem per Konvention festgelegten Gattungsverständnis gegenüber, ja schließlich das Durcheinandergeraten und Sich-Auflösen der Gattungen seit Ende des 19. Jahrhunderts.

Wenn Lauterbach und Schwitzke als relativ früh herausgebildeten Hörspieltyp das balladeske Hörspiel erkennen, das ja bis heute seinen festen Platz. in den Hörspielprogrammen hat, so erklären sich dessen Eigenheiten aus der Mischform der Ballade, und das meint nicht nur ihren epischen, lyrischen, dramatischen Elemente, sondern gleichermaßen ihre Nähe zur Musik.

Die vielzitierte Äußerung Alfred Döblins von 1929, im Hörspiel seien die konventionellen Gattungen des Epischen, Dramatischen und Lyrischen nicht mehr rein darstellbar, träten vielmehr gemischt auf, sind - soweit sie nicht auf das balladeske Hörspiel bezogen werden - im Grunde nichts anderes, als die unbewußte Formulierung bzw. Konstatierung eines für die literarische Situation der Zeit allgemein gültigen Dilemmas jenseits der klassisch konventionellen Gattungen, also spezielle literarische Situation und nicht spezielle Eigenheit des Hörspiels. Wobei ich mit dieser Feststellung nicht ausschließen will, daß die Hörspielautoren aus diesem Dilemma spezielle Eigenarten des Hörspiels entwickelt haben.

Es ließe sich in diesem Zusammenhang übrigens kritisch fragen, ob Autoren wie der sehr populäre Fred von Hoerschelmann ihre Hörspielkonzeption nicht aus einer gattungsmäßigen Fehleinschätzung ableiten, da es nämlich ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Handlung zum Beispiel eines so bekannten und vielgesendeten Hörspiels wie "Das Schiff Esperanza" nahezu vollständig auf die Freytagsche Dramenpyramide zu projezieren und damit auf ein Dramenschema, das schon zu Gustav Freytags Tagen der Vergangenheit angehörte. Ja es ließe sich an diesem Beispiel kritisieren, daß seine Popularität wesentlich daraus resultiert, daß es tradierten und seit Generationen anerzogenen Vorverständnissen von dramatischem Spiel entspricht, diesen Vorverständnissen entsprechend unmittelbar einleuchtet und dennoch eigentlich nichts weiter ist als telephoniertes Theaterstück, nicht einmal für Blinde.

Wenn ich es historisch richtig sehe, entstand das Hörspiel also in einer Zeit der Gattungsunsicherheit, der Gattungsvermischungen. Wenn man dies als richtig unterstellt, läßt sich von hier aus leicht weiterfragen, ob nicht auch andere Tendenzen einer sogenannten Kunstrevolution innerhalb des Hörspiels ebenso wie im Film ihre Spuren hinterlassen haben. Ich meine etwa die Annäherung der einzelnen Kunstarten bis zur gelegentlichen Überschreitung ihrer gemeinsamen Grenzen. Bezogen aufs Hörspiel etwa eine Annäherung von Sprache und Musik. In demselben Maße, wie Döblins programmatische Hörspielrede die Gattungsunsicherheit für das Hörspiel umformuliert, schlägt sich von Döblin auch hypothetisch leicht ein Bogen zum italienischen Futurismus und seinen Entdeckungen der Simultaneität und des Bruitismus. Und allgemein zur damaligen Diskussion des Gesamtkunstwerks, die sich nicht zuletzt als Reaktion auf die spätbürgerliche Opernkonzeption Wagners verstehen läßt. Ich kann das alles hier nicht im Einzelnen ausführen, möchte aber wenigstens stichwortartig auf diese größeren Zusammenhänge hingewiesen haben.

Meine Skizze macht, so meine ich, bereits deutlich, daß man statt von einer fixen Poetik sinnvoller von einem poetologischen Prozeß sprechen sollte, der ebensowenig von einem allgemeinen Prozeß der Entwicklung der Künste abgelöst, wie er von der technischen Entwicklung des Mediums getrennt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen scheint mir die schrittweise Analyse einzelner Hörspiele und ihrer typologischen und historischen Zusammenhänge der für den Augenblick einzig gangbare Weg zu sein. Ein Weg, auf dem man sich der Mediengebundenheit des Hörspiels allerdings stets ebenso eingedenk sein sollte als der Tatsache, daß das Hörspiel sein Entstehen einer - wie Helmut Heißenbüttel es pointiert hat - Auftragssituation verdankt und seinen Stellenwert in den Programmen eines Massenmediums hat, das als solches gesellschaftsgebunden ist.

Dieses Abschreiten einiger Aspekte deutet in etwa den Rahmen an, innerhalb dessen ich diesen Versuch, Geschichte und Typologie des Hörspiels an ausgewählten Beispielen zu skizzieren, unternehmen kann und will.

Sieht man von einigen frühen Experimenten ab, über die 1923 in der "General Electric Review" und auszugsweise noch im gleichen Jahr in "Der deutsche Rundfunk" berichtet wurde - und es gibt Gründe, die dazu berechtigen - , dann gilt heute unbestritten der 15. Januar 1924 als Geburtstag einer Sendeform, für die sich in der Folgezeit, ebenfalls seit 1924 belegt - die Bezeichnung Hörspiel allmählich durchgesetzt hat. Und mutmaßlich mit angeregt durch die Veröffentlichung in der "General Electric Review", gilt Richard Hughes "Danger" als das erste zumindest europäische "für die Mikrophondarstellung" - um damit eine Definition Alfred Brauns wieder zu Ehren zu bringen - geschriebene und gesendete Hörspiel.

Hughes "Danger", Gabriel Germinets und Pierre Cusys "Maremoto" (gesendet am 23. Oktober 1924 in Paris), Hans Fleschs "Zauberei auf dem Sender" (gesendet am 24. Oktober 1924 in Frankfurt am Main), das nicht gesendete, mehrfach abgelehnte "Bellinzona" Rolf Gunolds, eine am 21. Juni 1925 in Breslau gesendete "Gespenstersonate nach Motiven von E.T.A. Hoffmann", "Spuk", umreißen die Hörspielszene der Jahre 1924/1925, wobei die deutschsprachige Sendung des Hugheschen Stückes unter dem Titel "Gefahr", gesendet am 21. August 1925 in Hamburg, gleichsam den Kreis schließt.

Daneben wurde eine Vielzahl von Bearbeitungen weltliterarischer Titel gesendet, deren Autorenliste von Hans Sachs über Shakespeare, über Goethe, Schiller, Kleist über Hebbel und Andersen bis zu Ibsen, Hauptmann und Hofmannsthal reicht. Auch diese Bearbeitungen markieren - soweit den Sendungen Theaterstücke zugrunde liegen - zugleich den Anfang einer Sendeform, die unter wechselnden Aspekten bis heute beibehalten wurde. Man kann sie keinesfalls - wie es gelegentlich geschehen ist - als "Theater im Rundfunk", als Vorgeschichte des Hörspiels über einen Kamm scheren und abtun. Im Gegenteil zeigt bereits ihr bis heute wechselnder Stellenwert in den Rundfunkprogrammen, daß sie unter den verschiedensten, auch soziologischen Aspekten gesehen werden müssen. So ist zum Beispiel die Tatsache, daß sich nach 1945 das Hörspielrepertoire des Westdeutschen Rundfunks bis Ende der 50er Jahre noch einmal weitgehend aus Hörspieladaptionen von Theaterstücken zusammensetzte, anders zu bewerten als die in Kulturprogrammen gelegentlichen Übertragungen von Theaterauffühungen, als Theaterbearbeitungen für den Schulfunk. Und diese sind wieder anders zu bewerten als zum Beispiel eine (ihrerseits in einer Tradition seit 1926 stehende) Sendereihe des Süddeutschen Rundfunks, die das Theater des Expressionismus wenigstens über den Rundfunk noch einmal zu beleben versuchte, und diese wiederum anders als das überwiegend aus funkgerecht im Studio produzierten Theaterstücken bestehende Hörspielrepertoire der UDSSR.

Ein erfolgloses Preisausschreiben sucht im April 1924 parallel zum "Lichtspiel" nach dem geeigneten "Sendespiel", da die vorhandene Literatur für die Darstellung und Verbreitung durch den Rundfunk nur wenig geeignet sei. Man denkt an Dialoge ernster und heiterer Art mit akustischer, also musikalischer Begleitung, möchte dabei zeitlich an den Rundfunkhörer allerdings keine zu großen Anforderungen stellen. Und man vermutet weniger über das Drama als vielmehr - parallel zum Trickfilm - beim Lustspiel oder der Groteske auf dem rechten Wege zu sein.

Daß dieses bald zurückgezogene Preisausschreiben, wie Schwitzke zurecht festhält, zu früh erfolgte, würde eine noch zu schreibende Geschichte der Funkbearbeitungen zeigen.

Im Vorfeld der Hörspiels ist eine von Max Reinhardt vorgeschlagene Lese-Inszenierung von "Dantons Tod" weniger ein Kuriosum als eine ausgehend von Büchners Rückzug auf Zitat und "Worthandlung" auch heute noch diskutable Konsequenz. Ernst Hardts Bearbeitung und Inszenierung des "Wozzek" (1930) kann zeigen, daß die Übergänge von Bearbeitung zu dem, was wir heute allgemein unter Hörspiel subsumieren, bei genauerem Hinsehen recht fließend sind. Auf einer anderen Seite kann man nämlich durchaus darüber streiten, ob das einzige Hörspiel des am Rundfunk sehr interessierten Alfred Döblin, "Die Geschichte vom Franz Biberkopf" eigentlich originales Hörspiel oder nur funkgerechte Bearbeitung eines Romans durch seinen Autor ist. Ausdrücklich als Bearbeitung wird zum Beispiel die in diesem Zusammenhang recht interessante Hörspieladaption des Romans durch Wolfgang Weyrauch bezeichnet. Von Braun weiß man zum Beispiel, daß Bertolt Brecht Theaterstücke für den Funk bearbeitet hat. Und wenn auch über diese Bearbeitungen selbst wenig Genaues gesagt werden kann, so ließen sich, ausgehend von Brechts Shakespeare-Adaptionen, seiner "Heiligen Johanna der Schlachthöfe", die in einer Funkbearbeitung, nicht auf dem Theater ihre Premiere hatte, einerseits und seinen wenigen wirklichen Hörspielversuchen der Folgezeit andererseits durchaus einige ketzerische Thesen aufstellen. Und schließlich stellen die berühmt-berüchtigten Bearbeitungen Arnolt Bronnens, dessen Michael-Kohlhaas-Adaption von 1927 - der Text wurde erfreulicherweise wieder aufgefunden - nicht zu Unrecht 1958 noch einmal vom Hessischen Rundfunk neu produziert wurde, - und schließlich stellen die Bearbeitungen Arnolt Bronnens - auf die ich in einer späteren Sendung dieser Reihe noch eingehen werde - sogar ein spezielles Kapitel in dieser ungeschriebenen Geschichte der Bearbeitungen dar, dessen Umfang und Komplexität ich wenigstens andeuten wollte.

Eine gewisse Nähe zu Theater beziehungsweise Literatur zeigen bezeichnenderweise auch die beiden Hörspiele von Hughes und Gunold. Letzteres, indem es ausdrücklich als "nach Motiven von E.T.A. Hoffmann" entstanden bezeichnet wird und auf diesem Wege das Durchbrechen der Realität zur Irrealität als mögliche semantische Dimensionserweiterung auch für das Hörspiel fruchtbar macht und damit einen Kunstgriff in die Hörspielgeschichte einbringt, der bis heute bei Hörspielautoren immer wieder zu beobachten ist. Und "Danger" wurde mit anderen Hörspielen Hughes von George Bernhard Shaw als "beste Einakter, die je geschrieben wurden" gelobt, nicht zu Unrecht, wenn man "The Sister's Tragedy and other Plays" von 1924 und die "Plays" von 1923 alles in allem nimmt.

Was "Danger" jedoch wesentlich von Hughes Einaktern unterscheidet, ist ein Kunstgriff, mit dem er das Stück gleichsam funkgerecht macht. Das Ausfallen des Lichts während einer Bergwerksbesichtgung löst einen Dialog und damit das Hörspiel aus. Was man an den späteren Romanen Hughes hervorgehoben hat - "psychologisches Verständnis" und "subtile Charakterisierung" - findet sich in "Danger", nach einem Gedichtband der zweiten Veröffentlichung des Autors, bereits weitgehend vorgeprägt in der geschickten Konfrontation eines jungen Liebespaars mit einem alten Mann, in der Gegenüberstellung von Lebenserwartung und Lebenserfahrung zum einen und zum anderen in ständig wechselnden Reaktionen, in Reaktionsprozessen der in Dunkelheit und bald auch durch einen Stolleneinbruch Eingeschlossenen und durch einlaufendes Wasser Lebensbedrohten.

Nun wären Charakterisierung der Dialogpartner mittels ihres Dialogparts und eine in den frühen Sendungen fraglos vorgenommene Dramatisierung des Sprechens fraglos Indizien, die - überspitzt formuliert - auf Charakterdrama zurückverweisen würden. Vielleicht ist "Danger" so gesehen, was ja der spätere Titel "A Comedy of Danger" noch stützen würde, tatsächlich nichts anderes als jenes so sehr mißverstandene Theater für Blinde, eines jener Spiele, in denen es dunkel wird, um hier einen Buchtitel Hildesheimers ein wenig zweckzuentfremden.

Daß dieses Hörspiel ohne "bemerkenswerten Tiefgang" zwischen "Reißer und moralischem Rührstück" liege, wie Schwitzke formuliert, möchte ich dennoch bezweifeln. "Bemerkenswerter Tiefgang" ist ein deutsches Vorurteil für Literatur, das natürlich auch aufs Hörspiel übertragen wurde Für einen "Reißer" - diese Bezeichnung würde eher für Theodor Heinrich Mayers themenverwandten "Einsturz" zutreffen - ist die Dialogführung zu differenziert, was in der Originalfassung deutlicher als in der Übersetzung wird. Und für "moralisches Rührstück" fehlt die wesentliche Voraussetzung: eine abziehbare, übergeordnete Moral. Schwitzkes noch weiter gehenden kritischen Einschränkungen der "Raffiniertheit, mit der Hughes einerseits nach dem sicheren Modell des Eingeschlossenseins" greife, es sich "andererseits durch das Auslöschen des Lichts" selbst unmöglich mache, "Fehler zu begehen", scheinen mir ebenfalls nicht stichhaltg.

Mit dem Kunstgriff des Eingeschlossenseins arbeitete schon der Stürmer und Dränger Gerstenberg bei seinem "Ugolino", ohne daß man ihm deshalb "Raffiniertheit" vorgeworfen hat. Im Gegenteil rühmte man diesen Kunstgriff als ein Musterbeispiel für die Wahrung der Einheit des Ortes. Und wie man trotz Auslöschen des Lichts Fehler begehen kann, zeigt das genannte Hörspiel Mayers.

Was "Danger" wesentlich von Mayers "Einsturz" unterscheidet, ist vor allem die Handhabung des Dialogs und ansatzweise auch des akustischen Spielraums.

Um das letztere vorwegzunehmen: wenn Hughes der Verzweiflung der drei Eingeschlossenen den anonymen Chor anderer Eingeschlossener akustisch simultan zuordnet und die drei Eingeschlossenen darauf reagieren läßt, gewinnt er etwas hinzu, das man mit Raumtiefe, mit Erweiterung des Phantasieraums nur ungenau bezeichnen kann. Er gewinnt damit die Möglichkeit, kollektives Verhalten angesichts der Gefahr und individuell variierende Reaktionen auf die Gefahr einander gegenüberzustellen. Ja vielleicht könnte man sogar sagen, daß er so auf der akustischen Folie kollektiven Verhaltens indiviuelle Reaktionsprozesse eigentlich erst richtig aufnehmbar macht. Oder wenn am Schluß der junge Mann durch einen Stollendurchbruch aus dem Stollen herausgezogen, plötzlich wiederum nahe am Mikrophon spricht, wird der jetzt schweigende alte Mann akustisch in eine für die Rettung unerreichbare Ferne verwiesen, vollzieht Hughes damit einen nur im Hörspiel möglichen "Raumwechsel".

Interessanter noch für die Hörspielgeschichte ist der Dialog mit seinen verschiedenen Spielebenen bzw. ihrem Wechsel.

In allen drei Fällen über- bzw. unterspielen die Stimmen die reale Situation, nicht unähnlich dem aus der Geschichte des Lustspiels bekannten fingierten Spiel im fiktiven Spiel, allerdings so, daß man hier vorn fingierten Spiel der Stimmen in einem fiktiven Spiel für Stimmen sprechen müßte.

Dieser ständige Wechsel der Sprechhaltung, der Spielebenen signalisiert eine Möglichkeit des Hörspiels, wie sie etwa Günter Eich in den 50er Jahren, verbunden mit einem ständigen Wechsel von realer und irrealer Ebene und ihrer gegenseitigen Durchdringung bis zu einer dritten Ebene einer gleichsam akustischen Wirklichkeit gelegentlich meisterhaft praktizierte.

Nimmt man für diesen Fall hinzu, daß es gerade dieses Über- beziehungsweise Unterspielen der realen Ebene ist, die es Hughes schließlich ermöglicht, das Spiel bis zu jener fast paradoxen Situation voranzutreiben, in der der lebenserfahrene alte Mann überleben und das junge lebenserwartende Paar nicht mehr ins Leben zurück will, um dann gleichsam durch einen deus ex machina, die Rettung in letzter Sekunde, diese Situation völlig umzukehren, scheint mir ein Abqualifizieren dieses Hörspiels durch Schwitzke als "ohne bemerkenswerten Tiefgang", "zwischen Reißer und moralischem Rührstück" liegend, keinesfalls mehr gerechtfertigt.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß Ulrich Lauterbach, dem ich auch den Hinweis auf den korrekten ursprünglichen Titel "Danger" verdanke, 1961 eine Wiederaufführung dieses Hörspiels unter den alten Bedingungen versucht hat.

WDR, Hörspiel 26.3.1970 (VGTHL 1)