reinhard döhl | gedichte der 70er jahre
prager chansons

wiegenlied | lied vom rauch | prag, meine liebe

wiegenlied

es war einmal, so fängt es an,
und wenn sie nicht, so hört es auf,
gestorben sind,
schlaf ein mein kind,
bei nacht sind alle katzen grau,
der abendwind reimt sich auf tau,
komm nur vorbei,
ruf ruhig an,
ich liebe einen andern mann,
ruf ruhig an,
komm nur vorbei,
es ist im grunde einerlei,
es war einmal, so fängt es an,
und wenn sie nicht, so hört es auf,
was fängt so an,
sags mir, mein kind,
ich weiß es dann,
der regen rinnt,
der mond, der hat sich aufgehängt,
schlaf ein, mein kind,
ich weiß es jetzt,
die wünsche bleiben unerhört,
ein dorn hat deinen traum verletzt,
mein schatten deinen schlaf gestört,
ich weine nicht, das ist der wind,
der mond hat seinen hof gekehrt,
schlaf weiter kind,
schlaf wieder ein,
ich wünscht dich mir,
es kann nicht sein,
weil nicht sein darf, was nicht sein kann,
ich liebe einen andern mann,
er macht dich mir in meinem traum,
der mond, der hängt im pflaumenbaum,
der wind erzählt das alte lied,
hab keine angst, denn es geschieht
dir nichts -
im pflaumenbaum
schläft jetzt der wind,
schlaf weiter kind,
du wirst nicht sein,
ich weine nicht,
nur regen rinnt
und blätter fallen, die noch sind,
ich sehe vor mir dein gesicht
wie einen stern,
es ist so fern,
und wenn sie nicht,
so hört es auf,
gestorben sind,
so fängt es an,
es war einmal.
[1970 / neufssg 1971]

lied vom rauch

ich sage: der rauch
vergeht. und das gras,
das auf den wiesen steht,
wird geknickt. das
sage ich auch:
es vergeht
der rauch
im wind. und das gras
im regen wird naß.
dann sage ich, daß
wir vergehn wie der rauch.
und das gras
richtet sich auf.

es ist der rauch,
der vergeht. und das gras
wird geschnitten wohl auch,
aber wächst. und kein
fluß ist zu breit
und kein weg ist zu weit,
wasser ist naß,
und feuer macht rauch,
und wo rauch ist
sind wir das feuer.

ich sage: der rauch
vergeht. und das gras,
das auf den wiesen steht,
wird geknickt. das
sage ich auch:
es vergeht
der rauch
im wind. und das gras
im regen wird naß.
dann sage ich, daß
wir vergehn wie der rauch.
und das gras
richtet sich auf.

prag, meine liebe

prag, meine liebe
einen langsamen walzer
haben wir getanzt
auf deinem kopfsteinpflaster
auf deinen katzenaugen
haben wir einen
langsamen walzer getanzt
prag, meine liebe

und über die karlsbrücke
sind wir gelaufen wie
kinder leichthin und
sorglos haben wir
nepomuk unsere wünsche
ins ohr geflüstert
sorglos und leichthin
nachts auf der brücke

prag meine liebe
was wußten wir schon
von was uns trennen würde
auf jahre hinaus was
wußten wir schon von uns
was wußten wir von den
bruder mördern der liebe
prag meine liebe

immer nur waren die
stunden gezählt zählten
die stunden und was uns
zustand war in den pässen
geregelt wurde uns zugeteilt
für das was zeit braucht
die uns verwehrt war
in einsamen jahren

prag, meine liebe
ein fremdling werde ich
zu dir zurückkehren aus der fremde
mit leeren händen werde ich
zurückkommen in die fremde
zu dir nach prag meine
liebe komm ich zurück zu
einem letzten walzer mit dir.

page in progress


< zurück