Ein Frauenroman in 6 ausgewogenen Sätzen
Fließen auf Erden der Tränen auch viel, über ein Kleines hat alles | Hast du Töne oder Die Gewalt der Musik | Alle Jahre wieder oder Leise rieselt der Schnee | Non vitae sed scholae discimus oder Götterdämmerung | Häschen in der Grube oder Von der Volksgesundheit | Märchen haben kurze Beine nur die Wahrheit die hat keine | Der letzte Satz oder Ende schlecht alles recht
1.
Satz
Fließen auf Erden
der Tränen auch viel, über ein Kleines hat alles
Eine tiefe Stille trat ein, und die fremden Gäste steckten eben die Köpfe zum Schlußgebet in den Hut, als man hinter einem der Pfeiler ein heftiges und beinah krampfhaftes Schluchzen hörte. Die Gräfin sah empört nach der Stelle hin, von der es kam: aber der deckunggebende Pfeiler ließ glücklicherweise nicht erkennen, wer die Anmaßung gehabt hatte, ergriffener sein zu wollen als sie.
Und Lieschen saß noch immer droben neben der Muhme, und als sie den Gesang von unten hörte, da weinte sie auch, - und wußte selbst nicht warum. Es war, als sinke ein Nebel vor ihren Augen herab, die goldene Jugendzeit verhüllend mit all den fröhlichen Spielen, mit Sonnenschein und Blütenschnee.
Sie hielt den Kopf unter den dicken Wasserstrahl; er schoß ihr über das Gesicht und an den außerordentlich starken, grauen Zöpfen herab. die in den Brunnentrog hingen. Das tat sie immer, auch im eisstarrenden Winter; es schien ihr diese Erfrischung so unentbehrlich wie die Lehensluft zu sein. Heute aber befremdete ihre Gesichtsfarbe mehr als je.
Dem alten Mann stürzte urplötzlich und unaufhaltsam ein Tränenstrom aus den Augen.
Um Gottes willen, Braun! rief das junge Mädchen bestürzt.
Nein, nein, bleiben Sie! gebot sie, als der Lakai, sichtlich entsetzt über das unzeitgemäße Hervorbrechen seines Schmerzes sich entfernen wollte. Ich will wissen, was Sie so tief betrübt.
Wie wild die alte Linde ihre Äste schüttelte, und wie rasch die Wolken dahinjagten am dunklen Himmel! Und dort unten im Dorfe, im Pfarrhause, da wurden Tränen geweint, bittere heiße Tränen.
Nun, nun, Herzchen, beruhigte die Pfarrerin. Freilich, schaden kann's nicht - weinen Sie sich nur recht von Herzen aus, das wischt alle schlimmen Eindrücke weg... Aber dann sind Sie mir guten Mutes - das bitte ich mir aus!... Sie sind ja bei Pfarrers, und da darf Ihnen kein Härchen gekrümmt werden.
Das letzte verstand ich kaum noch, der Sturm verwehte es wohl, oder brach seine Stimme beim Weinen, ich weiß es nicht; er gab mir die Hand, und dann war er fort, Herr, und ist nie mehr wiedergekommen. Friedel weinte immer noch.
Ach, Fräulein, sagte er endlich, ich wollte, es käme eine Träne in Ihre Augen! Sie sehen so schrecklich blaß, so finster aus; weinen Sie doch, lassen Sie eine Träne in den Sarg fallen; er hat ja keine Ruh im Grabe, wenn die nicht um ihn weinen, die ihn geliebt haben.
Sabine hatte die Beichte mit Schauder und Schrecken gehört. Sie hielt streng auf einen reinen LebenswandeL und war eine unnachsichtige Richterin für Fehltritte, wie sie Bertha bekannt hatte. Aber sie besaß auch ein Herz, reich an Liebe und tiefem Erbarmen. Deshalb sah sie jetzt mit Tränen auf die zerknirschte Verirrte und legte tröstend und beschwichtigend das müde Haupt an ihre Brust. Sie hatte die Genugtuung, daß das Mädchen wie ein müdegeweintes Kind in ihren Armen einschlief.
Bertha zog die Haushälterin auf den Bettrand und beichtete bitterlich weinend ihre Schuld.
Elisabeth bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, und die Tränen drangen zwischen den schmalen weißen Fingern hervor.
Sooft Miß Mertens Herrn von Walde erwähnte, flossen ihre Augen über, und sie versicherte wiederholt: Alles, was die Baronin an ihr verschuldet, sei tausendfach ausgeglichen durch ihn, der es nicht ertragen könne, daß in seinem Hause irgend eine Ungerechtigkeit ungesühnt bliebe.
Die Schüsse waren plötzlich verstummt, und es währte nicht lange, da waren auch die Tränenspuren aus Elisaheths Augen verwischt. Sie blickte wieder heller in die Welt.
Ich sage, daß ich zu den Skeptikern gehöre, Durchlaucht, entgegnete seine Exzellenz mit einem kalten Lächeln,
daß ich mich zu dem abgedroschenen, aber unbestreitbar wahren Gemeinplatz bekenne: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben... Ich traue der Sache so wenig wie dem Himmel, der uns unfehlbar einen Platzregen in die Illumination schicken wird.
Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du gegen Gideon, Käthe? Am Abend aber gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte.
2.
Satz
Hast du Töne oder
Die Gewalt der Musik
Eine Pause trat ein, und einige Wagen, darunter auch der Felgentreusche, waren schon abgefahren; trotzdem zögerte man noch mit dem Aufbruch, weil das Fest immer noch seines Abschlusses entbehrte. Die Kommerzienrätin nämlich hatte noch nicht gesungen, ja war unerhörterweise noch nicht einmal zum Vortrag eines ihrer Lieder aufgefordert worden - ein Zustand der Dinge, der so rasch wie möglich geändert werden mußte.
Die Türen des Musiksalons standen weit offen. Es sah schwül aus da drinnen. Die purpurnen Vorhänge verbreiteten einen gleichmäßigen dunkelblutigen Schein, den nur dann leuchtende Reflexe durchzuckten, wenn draußen der Windhauch einzelne Blätter der Orangenbäume bewegte und dem Sonnenschein eine Bresche öffnete. Diese Lichtpunkte glitten unheimlich
geschäftig über den Plafond und die weißen, mit vergoldeten Ornamenten bedeckten Wände; es lag etwas Beseeltes in dem huschenden Spiel, etwas wie ein Aufleben musikalischer Reminiszenzen. Unter ihnen flatterte vielleicht auch jenes Notturno von Chopin, das einst das Signal zu einem grausamen Verrat gewesen war.
Plötzlich wurde mit hartem Schlage ein voller Akkord auf dem Flügel gegriffen. Es war, als ob knöcherne Finger auf die Tasten schlügen. Erschrocken drehten sich die Plaudernden um. Der Kandidat saß am Klavier mit hochgehobenem Kopfe und ausgedehnten Nasenflügeln und ließ eben wieder beide Hände zu einem zweiten schrillen Akkorde auf die Tasten fallen.
Er begann einen schönen Choral, der aber durch das schauderhafte Spiel zu einer wahren Marter für feingebildete Ohren wurde. Das hätte sich am Ende noch überstehen lassen; aber nun fiel er zu Elisabeths Verzweiflung noch mit einer abscheulich näselnden Stimme ein - das war zuviel.
Wessen Ohrennerven einmal auf dieser Folter gelegen haben, der wird begreifen, daß das junge Mädchen, welches soeben zwei Unterrichtsstunden in einem Institute beendet hat, dem Sturmwind freudig die heiße Wange bietet, als einem wackeren Gesellen von System und konsequenter Durchführung, dessen mächtiges Brausen ja in Orgel und Äolsharfe zur wundersamen Melodie wird.
Bald summte und lärmte es, als ob ein großes Zigeunerlager in der Nähe sei; der Weg wurde breiter, hinter dem nächsten Buschwerke wogte ein buntes Gedränge, und plötzlich schmetterte eine wahre Salve von Posaunen- und Trompetentönen auf die Ankommenden herab.
Einige Möbel und das Klavier waren aus dem Waldhause herübergeschafft worden. Die kostbaren Möbel aus dem düsteren Turmzimmer mußten sich somit eine abermalige Degradierung gefallen lassen, denn sie standen an weißgetünchten Kalkwänden.
Ich bin sehr begierig, das Notturno von Chopin von dir zu hören, Jutta, sagte der Hüttenmeister plötzlich mit seiner festen, wohllautenden Stimme mitten in eine fließende Phrase der Gouvernante hinein.
Oben in ihrem Zimmer nahm sie vorsichtig den Kranz von der Stirne, legte ihn auf einen Teller und stellte beides unter Beethovens Büste.
Unten in seinem engen Studierstübchen saß der Pfarrer bereits am kleinen, altersschwachen Spinett. Er begrüßte die eintretenden Damen mit einer stummen Verbeugung, dann griff er voll in die Tasten, und feierlich, glockenhell setzten die Kinder ein.
Vergessen Sie nicht, Fräulein von Zweiflingen, daß ich noch das Notturno von Chopin hören muß, ehe ich nach A. zurückkehre! rief der Minister hinüber - seine Stimme klang heiser, und das Lächeln, das seine zuckenden Lippen erzwingen wollten, mißlang.
Zuweilen, an warmen Sommerabenden, wenn sie die Fenster geöffnet hatte, konnte man sie an ihrem altmodischen Spinett sitzen sehen, und alte, längst vergessene Melodien klangen herüber.
Mit verklärten Augen, ganz versunken in ihre Träumereien von dem demnächstigen Leben im frischen, grünen Walde, trat sie dann ans Klavier und schlug den Deckel auf. Es war ein altes, ausgespieltes Instrument, dessen schwache heisere Töne vollkommen harmonierten mit dem heruntergekommenen Äußeren.
Plötzlich wurde mit hartem Schlag ein voller Akkord auf dem Flügel gegriffen - es war als ob knöcherne Finger auf die Tasten schlügen.
Es war in der Tat ein Sarg, ein kleiner, schmaler Zinnsarg, der, hell von der schwarzen Samtdecke des Postaments sich absetzend, einsam und vergessen inmitten der drei Wände stand. Zu seinen Häupten erhob sich ein mächtiger Kandelaber, auf dessen Armen noch Reste von dicken Wachskerzen sichtbar waren; ihm zu Füßen aber stand ein Schemel, eine Mandoline lag darauf, die Saiten hingen zerrissen herab. Es war schon ein altes Instrument zu Lebzeiten des letzten Besitzers gewesen, denn das schwarze Griffbrett zeigte viele helle abgegriffene Stellen, und der Resonanzboden war da leicht eingebogen, wo der Spielende den kleinen Finger aufzusetzen pflegte.
Ferber hatte unterdes die Mandoline vom Staub gesäubert und schob sie vorsichtig unter den Arm.
Halt, diesen Platz reserviere ich mir! rief der Vater lachend. Er holte eine große Konsole von dunklem Holze und befestigte sie an der Wand, die gerade an dieser Steile eine sehr breite Holzleiste zeigte.
Hier, fuhr er fort, indem er eine Büste Beethovens darauf stellte, hier soll er, der Einzige, ganz allein thronen.
Aber das sieht ja abscheulich aus! meinte Frau Ferber.
Rollo, der bei diesen Worten
aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte
ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten
und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen
die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann
wurde selten gesprochen, sene Photographie hing mit einer schwarzen Schleife
über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein
hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt.
Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton,
als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Am
Abend aber gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war
gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels,
der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel.
Nach einer
halben Stunde hatte sich
Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte, Schmidt weinte vor
sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es
bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie meine Herren...
Wir wollen nach Hause gehen.
3.
Satz
Alle Jahre wieder oder
Leise rieselt der Schnee
Auf dem Rückwege vom
Walde nach der Oberförsterei begann es zu schneien. Crampas gesellte
sich zu Effi
und sprach ihr sein Bedauern
aus, daß er noch nicht Gelegenheit gehabt habe, sie zu begrüßen
Zugleich wies er auf die großen, schweren Schneeflocken, die fielen,
und sagte: Wenn das so weiter geht, schneien wir hier ein.
Im Zimmer der jungen Baronin prasselte ein Holzfeuer im hohen Kamine und verlieh dem Gemach mit den alten geschweiften Möbeln etwas Trauliches, Anheimelndes. Allein diese eintönigen Wandflächen waren von einem Gespinst langer Immergrünranken überzogen, und jeder Strahl der Wintersonne, der draußen durch die Schneewolken lugte, kam durch eines der Eckfenster herein und legte goldglänzende Streifen über den lustig grünen Wandschmuck und die rissigen Dielen des Fußbodens.
Den ganzen Tag über hatte es geschneit, und zwar so recht mit Muße und Gemächlichkeit, so daß die Dächer und Fenstersimse dicke, fleckenlos weiße Polster angelegt hatten.
In einer der tiefen Fensternischen saß ein junges Mädchen von kaum vierzehn Jahren und schaute in das verglimmende Abendbrot des kurzen Wintertages; ihr feines Profil zeichnete sich scharf ab gegen den bellen Hintergrund des Fensters. Sie hatte die schmalen Hände ineinander gefaltet, und ihre Gedanken wanderten offenbar in die Ferne.
Drunten lag schlangenhaft gleißend der Fluß zwischen dem blätterlosen Ufergebüsch, und im Bosquett stäubte silbernes Geflimmer von den Zweigen.
Nun wird es bald Weihnacht, sagten die Leute im Dorf und freuten sich.
Die Fenster des kleinen Gotteshauses schienen hell in den Winterabend hinein; es war so still, so feierlich: keinen Tritt hörte man auf der weichen Schneedecke.
Nun wird es bald Weihnacht, sagte auch Nelly zu der blassen Frau, die am Kamin saß und strickte, aber in ihrem Gesichte leuchtete kaum etwas von der holden Vorfreude des schönen Festes.
Eine blendende Helle breitete sich jetzt über die weiten Gärten; wie aus klingendem Silber geschnitten, schwebte die Mondscheibe scharf abgegrenzt am kalt glänzenden Himmel.
Nun wird's bald Weihnacht, jubelte Lieschen ihrer Muhme zu, als sie am Morgen die leuchtende Schneedecke ausgebreitet sah - so herzensfreudig klang das, daß die alte Frau beinahe betroffen ihr ins Gesicht schaute.
Jetzt freilich breitete sich die Schneedecke, alles einhüllend, über die wenigen Hügelreihen des armseligen Dorfkirchhofs, in ihrer Einförmigkeit nur selten unterbrochen durch ein vom Wind halb umgeblasenes schwarzes, schmuckloses Holzkreuz, den Ruheplatz einsamer Krähen.
Inzwischen war das Weihnachtsfest herangekommen. Im klingenden Eispanzer, den Saum des schwer nachschleppenden Schneemantels bis an die Fenstersimse der Bauernhütten werfend, schritt es über den Thüringer Wald hin; froststarre Tränen hingen an seinen Wimpern, und das Wehen seines Atems scheuchte alles warme Leben hinter die schützenden Türen und Mauern; aber die Tannenkrone über seinem lieben Heiligengesicht blitzte wie ein Königsdiadem - die kalte Wintersonne stand unverhüllt am klarblauen Himmel und weckte bleiche Funken in jedem Eiszapfen.
Nun brach ein früher Abend herein und mit ihm ein wilder Sturm, der heimtückisch in die niedertaumelnden Schneeflocken fuhr, wie ein Raubtier zwischen eine friedliche Taubenschar.
Freilich lag die köstliche Waldlandschaft vor den Fenstern jetzt unter Schnee und Eis: allein die im Sommer den Blick sehr beschränkenden Laubmassen waren auch unter den Winterstürmen gesunken und ließen manches auftauchen, was sonst wie verschollen hinter grünen Wänden steckte.
Und sie umarmten und küßten sich. Und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal in Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Am Abend aber gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte. Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld.
4.
Satz
Non vitae sed scholae
discimus oder Götterdämmerung
Van der Straaten indes bemerkte nichts von dieser Verstimmung und klammerte sich nur immer fester an seinen Thusneldastoff. Ich frage jeden, ob dies eine Thusnelda ist? Höher hinauf, meine Freunde. Göttin Aphrodite, die Venus dieser Gegenden, Venus Spreavensis, frisch aus demselben Wasser gestiegen, das uns eben erst unsern teuren Elimar zu rauben trachtete. Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll. Aus der Spree gestiegen, sag ich. Aber so mich nicht alles täuscht, haben wir hier mehr, meine Freunde. Wir haben hier, wenn ich richtig beobachtet, oder sagen wir, wenn ich richtig geahnt habe, eine Vermählung von Modernem und Antikem: Venus Spreavensis und Venus Kallipygos. Ein gewagtes Wort, ich räum' es ein. Aber in Griechisch und Musik darf man alles sagen. Nicht wahr, Anastasia?
Ja, das ist wahr, bemerkte Venus mit einem Blick nach dem Spiegel, den aber Flora, trotz ihrer Magerkeit, anmaßenderweise vollständig in Beschlag genommen hatte.
Ilse war einstweilen in den Nebensaal getreten. Die Kunstschätze standen und lagen noch durcheinander und harrten der ordnenden Hand, das sah man. Aus Kisten, zwischen Heu und Stroh hervor, leuchtete Marmor: pompejanische Bronzen lagen auf den Tischen und antike Terrakotten, halbzerbrochene Tonornamente mit Farbspuren auf dem Fußboden. Es war überhaupt des Zerbrochenen und Zerbröckelnden viel - über eine geschlossene Kiste hingestreckt lag sogar eine weibliche Gestalt ohne Hände und Füße.
Die steinernen Titanen des Teiches lagen nicht mehr auf blauer Samtdecke - ein riesiger Eisbrillant trug sie in seiner Mitte, und sie hatten Schneeturbane über den bärtigen Gesichtern, und das leichtgeschürzte Florgewand der frierenden Diana säumte dicker, weißflockiger Winterpelz.
Sämtliche Göttinnen ohne Ausnahme hatten sich dem Modezepter der üppigen Kaiserin von Frankreich willig unterworfen und ließen ihre weiten Gewänder über die Krinoline herabfließen. Denn, meinte die Ceres, eine ziemlich kompakte Blondine, auf deren geröteter Stirn ein ganzer Erntesegen schwankte, man sähe ja zum Skandal aus und es sei auch rein unmöglich gewesen. ohne diesen Halt die Ähren und Klatschrosenbüschel auf ihrem Kleide zu arrangieren.
Wie Frau Ceres zu den Zeiten ihres Glanzes sich aus dieser Verlegenheit geholfen haben mochte, das war nach dieser Erklärung ein interessantes Problem.
Die Tür linker Hand war weit zurückgeschlagen, ein zweiter Saal tat sich auf, ein Saal mit Oberlicht. Durch eine weite und tiefe Kuppel inmitten des Plafonds strömten die Sonnengluten blendend herein auf hingestreckte weiße Menschenglieder, auf eine drohend emporgereckte, keulenschwingende Menschengestalt, aber auch über liebliche Frauenbilder in faltenreichen, weich niedersinkenden Gewändern.
Auf dem Gürtel der Venus glänzten einige steinbesetzte Rokoko-Schuhschnallen, und der schlecht befestigte silberne Halbmond auf Dianas Scheitel zeigte bei jeder Kopfbewegung eine löschpapierne Kehrseite.
Das blendend schöne Weib war wie überschüttet von der roten Glut, und als die Saiten in stürmischer Gewalt unter den schlanken Händen erbrausten, während sie langsam die Wimpern hob und die lodernden Augen wie in trunkener Selbstvergessenheit durch das Zimmer schweifen ließ, da erinnerte dieser Kopf freilich nicht an das keusche Gebilde der heiligen Cäcilie, wohl aber an jene trojanische Helena, deren Gestalt noch zu uns herüberdämmert voll bestrickenden Liebreizes, aber auch angestrahlt von der Glut, welche Dämonen schüren.
Und nun begann die unvergleichliche Musik zum Sommernachtstraum. Der Purpurvorhang rauschte empor - da lag die ruhende Titania, bedient von ihren Elfen!... Nie hat wohl jene diamantfunkelnde Frau einen solchen Sieg gefeiert wie in diesem Augenblick!
Die Assessorin teilte in wenigen flüchtigen Worten mit, daß zur Feier des Geburtstages ihres Mannes lebende Bilder aus der Mythologie gestellt werden sollten, zu welchem Zwecke sich das darstellende weibliche Personal bereits eingefunden habe.
Nun, meinetwegen können sie ihm Denksäulen errichten oder Lorbeeren streuen, soviel sie wollen, ich kann es ihm nicht vergeben, daß er über diesem toten Krame die Ansprüche vergißt, die das Leben an ihn zu stellen berechtigt ist, daß er vielleicht nach einem unversehrten Küchenzettel des Lukull oder Gewißheit darüber sucht ob die Römer in der Tat ihre Fische mit Sklavenfleisch fütterten, während die Armen auf seinen Gütern hungern und unter der Geißel der Baronin in ein modernes Sklavenjoch getrieben werden.
Alterieren Sie sich nicht, meine liebe Falkenberg, sagte der Fürst, der zugegen war, sichtlich amüsiert, Ihre Einleitung hat etwas vom grandiosen Stil der Kassandra... aber ich spüre noch nichts von dem geweissagten Erdbeben, und zu meiner Befriedigung bemerke ich auch, sein Blick streifte lächelnd drunten den stillen Marktplatz, daß meine getreuen Untertanen sich ruhig verhalten.
In den vornehmen hohen Zimmern, wo jahrhundertelang nur Bendelebens gelacht und getrauert hatten, tobte eine Schar flachshaariger, kompakter Kinder, die sogar mit der Armbrust nach den bunten Göttern am Plafond des Speisesaales schossen, bis der wackere Vater und die brave Hausfrau, um nicht den Anblick von verstümmelten Rosen und fehlenden Augen zu haben, die vorwurfsvoll auf sie niederzublicken schienen, den Tüncher kommen und die ganze bunte Herrlichkeit weiß übermalen ließen, das "Vive la joie!" dazu.
Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Am Abend aber gaben de Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte. Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht war, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz.
5.
Satz
Häschen in der Grube
oder Von der Volksgesundheit
Der Arzt war über Land: erst gegen Morgen kam er und hatte gegen Thildes Behandlung des Kranken, Brotrinde mit Essigwasseraufguß, ein Mittel, das noch von der alten Möhring herrührte, nichts Erhebliches einzuwenden. Es hat nichts geschadet, sagte er, und das ist schon viel.
Du warst auf dem Berge, Mama? frug Hollfeld ungläubig.
Nun ja - Du weißt ja, der Arzt hat dergleichen Morgenspaziergänge immer für mich gewünscht.
Ach, das war aber vor vielen Jahren -
Da öffnete sich leise die Tür der Krankenstube, und Nelly trat herein. Das junge Mädchen sah noch blaß und leidend aus, die Aufregung jener schrecklichen Stunde, als sie mit Todesangst den Bruder gesucht, war nicht spurlos an ihr vorübergegangen, hatte es ihr unmöglich gemacht. sich der anstrengenden Krankenpflege zu widmen.
Helene war auf das Sofa zurückgesunken, ihre Rechte klammerte sich krampfhaft an die Tischdecke und zitterte so heftig, daß das auf der Platte stehende Porzellangeschirr aneinanderklirrte. Das Gesicht der jungen Dame war aschfarben; ihr erlöschender Blick irrte hinüber zu Hollfeld.
Das gibt eine Lungenentzündung, passen Sie auf, mein Kindel. Das pfeift viel zu sehr; mein seliger Mann hat's auch durchgemacht; es ist kein Spaß, sag' ich Ihnen.
Die junge Dame lag in einem Fauteuil im Hintergrund des Zimmers; sie hatte den Kopf in ein weißes Kissen gedrückt, und Elisabeth kannte hören, wie ihr leise die Zähne zusammenschlugen.
Ach, liebes Kind, sagte sie und legte ihre feuchtkalten Hände auf den Arm des jungen Mädchens, ich habe Nervenanfälle gehabt. Niemand von meiner Umgebung hat es gemerkt, daß ich so unwohl hier liege, und da war ich so fürchterlich allein in dem finsteren Zimmer... Bitte öffnen Sie das Fenster weit - ich brauche Luft, warme Gottesluft.
Ich sehe schon, sagte der Minister nach einer Pause ganz indem gütig nachgiebigen Ton, den er früher dem kranken Kinde gegenüber stets festgehalten hatte, daß ich unserem guten alten Medizinalrat werde den Laufpaß gehen müssen - er imponiert seiner kleinen eigensinnigen Patientin nicht mehr - und dich zu irgendetwas zwingen zu wollen, kann mir nicht einfallen, Gisela. Vielleicht gefällt dir der Doktor Arndt in A.; ich werde ihn kommen lassen.
Zum Glück verweilte der Arzt gerade bei einem Patienten im Dorfe. Er wurde herbeigeholt und brachte die ohnmächtige bald wieder zu sich. Sie erkannte ihn und verlangte nach einem Trunke Wasser. Ihre Wunde war ungefährlich: aber der Arzt schüttelte den Kopf und warf einen seltsamen Blick auf den Oberförster, der mit besorgter Miene seinen Manipulationen folgte.
Jetzt ging der Frau Ilse ein Licht auf. Sie sprang empor. Messer, Schalen und Kartoffeln, alles rollte von der Schürze auf die Steinplatten.
0 herrje, das war also die Krankheit? Sie schlug die Hände zusammen. Da war freilich Fliedertee das konträre Mittel.
Der Arzt war eben bei mir, und da habe ich schöne Dinge hören müssen, sagte seine Exzellenz mit schwerer Betonung, Du widersetzt dich seinen Anordnungen.
Ich bin gesund, seit ich seine Medikamente wegschütte.
Der Minister fuhr empor - seine Augen öffneten sich und funkelten in maßlosem Zorn. Wie, du wagst es -
Dagegen fuhr der Medizinalrat hoch, als habe ihn eine elektrische Batterie getroffen.
Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Am Abend gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hafte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte. Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie, meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten Gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet.
6.
Satz
Märchen haben kurze
Beine nur die Wahrheit die hat keine
Dörr schmunzelte. Frau Dörr aber sagte: Neugierig bin ich doch, was der Herr Baron mitgebracht hat. Nun, da will ich Sie nicht lange warten lassen, sonst denkt meine liebe Frau Dörr am Ende, daß es ein goldener Pantoffel ist oder sonstwas aus dem Märchen. Es ist aber bloß das. Und dabei gab er Lenen eine Tüte, daraus, wenn nicht alles täuschte, das gefranzte Papier einiger Knallbonbons hervorguckte.
Das ist mir eine sehr angenehme Neuigkeit, rief die Dame. Cecile hat schon gejammert, weil die Sachen solange ausblieben, und ich selbst hatte Angst, wie ein Aschenputtel vor dem Fürsten erscheinen zu müssen.
Wenn statt der Gardinen plötzlich bestaubte Spinnweben die tiefen Fensternischen des Turmgemachs überhangen hätten, wenn die elegante Möbeleinrichtung in den Erdboden gesunken und statt des Teetisches ein Spinnrad zur Seite der Frauengestalt im Sessel auferstanden wäre, dann hätte Prinzessin Dornröschens Erscheinen bei der mörderischen Fee nicht lieblicher verkörpert werden können, als in diesem Augenblick.
I nun freilich, entgegnete die alte Haushälterin, ich meinte immer in meinen dummen Gedanken, wenn das schöne Lieschen, das schönste und feinste Mädchen im Dorfe, in den goldenen Rahmen gestiegen wäre, in der seidenen Schleppe und mit soviel Edelsteinen auf der Brust und in den Haaren, und der Mohr mit dem silbernen Präsentierteller hätte hinter ihr gestanden,
Da standen zwei ins Horn stoßende Edelknaben zu beiden Seiten der Treppe, wie die im hundertjährigen Schlaf erstarrten Gestalten des Märchens: die grünen Schlangen umstrickten die schlanken Glieder und ließen ihre riesigen Blätter von den steinernen Schultern flattern.
Auf den Boden des Schrankes standen Schuhe. Der Oberförster nahm ein Paar derselben - sie bedeckten gerade seine breite Hand, es mußten wahre Aschenbrödelfüßchen gewesen sein, die darin gesteckt hatten.
Und alle Konturen des architektonischen Schmuckes auf dem Rokokoschlößchen hatte Frau Holle mit ihrem Federweiß zart und weich angemalt und auf dem Balkon vor den Glastüren ein hochschwellendes, fleckenlos weißes Polster niedergelegt.
Pfui, wie bist du häßlich, du Füchsin! tobte Bertha drinnen, mein Haar ist schwarz wie ein Rabenflügel, ich bin schön tausendmal schöner als du!
Schön sind Sie, Barfüßchen! Die schlanke Eidechse mit dem Prinzessinnenkrönchen ist in wenigen Monaten geradezu sirenenhaft geworden - wo aber ist die Eidechsenklugheit geblieben?
Unsere sämtlichen Damen haben heute wahre Blumengärten auf dem Scheitel, sagte Frau Fels, als das junge Mädchen an den Tisch trat, nur Fräulein Ferber geht schmucklos wie Aschenbrödel; das leide ich nicht.
Dagobert lachte abermals. Ei, tun Sie doch nicht, als sei ich der Wolf und Sie das Rotkäppchen, das den Bösewicht mit großen, unschuldig fragenden Augen verständnislos ansieht.
's ist doch Zigeunerblut in dir, und wenn du zehnmal die Goldelse bist und eine Haut hast wie Schneewittchen, sagte der Oberförster.
Am Abend gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hafte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte. Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht war, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe?
Der letzte Satz oder Ende schlecht alles recht
Süh, Kersten, doa sinn se all. Awers hüt wahrd et nix mihr. Nei, hüt nich. Und weet'st all, Hanne, se speelen joa nicht blot mihr mit Zocken un Puppen. Se kümmen joa nu sülwer rut. Joa; so hebb ick't ook hürt. Richt'ge Minschen... Jott, wat man nich allens erlewen deiht!
Als Elisabeth Fräulein von Waldes Zimmer betrat - auf ihr mehrmaliges Klopfen war kein "Herein" erfolgt - da meinte sie, hier spiele der letzte Akt des geheimnisvollen Dramas, das in den Räumen der Baronin begonnen hatte. Nicht allein die Jalousien, sondern auch die dicken seidenen Vorhänge waren dicht zugezogen.
Allein der angeregten Phantasie gegenüber spielt der Verstand oft eine klägliche Rolle. Mitten in der Untersuchung verschwinden oft Ankläger und Zeugen. Er sieht sich allein auf seinem Richterstuhle und muß es sich sogar gefallen lassen, daß er hinter die Kulissen gesteckt wird, während um und neben ihm die Spektakelstücke der Phantasie von vorn anheben.
Wundert Dich das so sehr, liebe Tante? Nach dem Vorspiel kann dich der Schluß wenig befremden, sollte ich meinen.
Aber nun sagen Sie mir um Himmelswillen, mein bester Herr von Oliveira, wie war es möglich! daß man uns eine so wahnwitzige Nachricht über Sie bringen konnte? fragte der Fürst
Wahrscheinlich hielt der Überbringer diesen Abschluß des Dramas für sehr pikant, entgegnete Herr von Oliveira mit einem leisen Zug von Belustigung, der, weit entfernt ein Lächeln zu sein, doch das düster verschlossene Gesicht erhellte. Er hat gar nicht abgewartet, ob sich der Vorhang von Rauch und Qualm noch einmal heben werde, und so wurde ich zum sterbenden Helden des Stückes.
Der Mann versteht es, sich mit einem romanhaften Nimbus zu umgeben, meinte der Minister, indem er die dargebotene Schokolade zurückwies und sich eine Zigarre anbrannte. Er scheint den Sonderling spielen zu wollen und läßt sich mit seinen Millionen suchen.
Genug! unterbrach Frau von Bendeleben, Genug! Diese widerwärtige Szene soll ein Ende haben; ich will nicht das Kind meiner Tochter in den Händen der Gelieb...
Klassisch! Ein theatralischer Gemeinplatz, wie ihn der geharnischte Bühnenritter nicht wirksamer hinschleudern kann. Was einem nicht altes in der Herzensangst passiert.
Und Sie treiben wirklich die Komödie soweit, mir eine solche Antwort zu geben? frug Herr von HolIfeld mit ungewisser, fast heiserer Stimme.
Ich bin noch nicht zu Ende mit meinem Berichte, begann Helene von Walden wieder und richtete sich auf aus ihrer halbliegenden Stellung. Ich mache es wie der Romandichter, der den Haupteffekt bis zuletzt aufhebt.
Na, geniere dich nur nicht! Sabine! rief der Qberförster herüber, indem er seine Peife ausklopfte. Es ist besser, die Else gewöhnt sich gleich von vornherein an den schauerlichen Schluß deiner Geschichte - sag's nur, denn du weißt es ja doch ganz genau, daß das schöne Mädchen eines Tages auf dem Besen zum Schornstein hineingefahren ist.
Um Gott, Kind, ich glaube gar, du hast Anlage zur Sentimentalität - nur das nicht! rief der Minister abwehrend. Ich habe dir lediglich aus dem Grunde die hirnverdrehenden Märchenbücher stets weggenommen, und nun muß ich doch erleben, daß dir die sogenannte Waldpoesie im Kopfe spukt.
Für ihren klaren, gewöhnlich sehr ruhig erwägenden Geist war diese romantische Lösung einer jahrhunderte alten Familienfrage im ersten Augenblick unfaßlich. Miß Mertens aber, der Ferber erst die ganze Tragweite der Entdeckung auseinandersetzen mußte, schlug die Hände über dem Kopfe zusammen über die wunderbare Fügung.
Endlich fand das Drama seinen Schluß, wie dergleichen Liebesdramen schon unzählige Male geschlossen haben und wohl noch ebensooft schließen werden, denn das warnende Exempel hat wohl Kraft für den Verstand, nie aber für ein arglos liebendes Herz.
Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte. Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da. Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen. Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig: Ach Luise, laß.. das ist ein zu weites Feld. Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte: Was hast du nur gegen Gideon, Käthe? Am Abend gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel.
[Erstsendung WDR 1985]