Reinhard Döhl | Prosa
reinhard döhl | ansichtskarten und stenogramme
 
stenogramm | doppelstenogramm | ansichtskarten

stenogramm (vorgänge)
malen malt daß
malt darüber darüber daß malt das malen
farben anstelle farben an farben die legt hand an und geht mit um wie zum beispiel
legt hand an und stellt etwas an vertuscht dies und das macht etwas aus wie randschmutz der schmutzrand die schmutzspur macht was er macht damit und damit
durchschaut was gemacht wird hinterläßt jeder zeit macht sich gedanken macht sich gedanken darüber daß. macht sich gedanken wie auch von etwas
wählt aus sucht zusammen setzt zusammen die macht einen plan läßt es läßt sich gehn geht hinterläßt
eine welt die es sonst auf der welt nicht mehr gibt die es nirgendwo auf der welt mehr sonst gibt und ständig zerstört wird
hat keinen goldenen boden bricht ab wos abbricht der abbruch der randbruch wos ausfranzt brüchig wird abbricht ganz von selber wos abbricht der randschmutz die schmutzspur die schmutzige schönheit zeigt daß das zeigen
(stenogrammi della geometrica elementare wenn ich es ihm sagte ein vollständiges portrait von picasso und das protrait g c kirchberger von helmut heißenbüttels 13 sätze für einen maler)
läßt hinterläßt läßt aus überläßt läßt zu läßt aus
eine stelle die leer ist in die ich eintrete was sichtbat ist und sichtbar gemacht ist und sichtbar gemacht wird
polygonzüge raster random die störung
hat keinen grund ist grundlos
grundlos malt grundlos malt das

[1962. Druck in: Da Sägeblatt. Ein Rundbrief, 8/62]
 

doppelstenogramm
 

(vorgänge) 1
(malen) malt daß. malt darüber (darüber daß) malt wie. malt daß das malen (farben anstelle farben an farben die). legt hand an und geht mit um wie zum beispiel (stellt etwas an an stelle vertuscht dies und macht etwas aus). macht was er macht damit und damit. durchschaut was gemacht wird (macht sich gut oder schlecht und es sich). macht sich gedanken macht sich gedanken darüber zum beispiel daß. macht sich gedanken wie (auch von etwas) (darüber mehr mehr davon). wählt aus sucht zusammen (setzt zusammen die) macht einen plan läßt es (läßt sich gehn geht). hat keinen goldenen boden bricht ab (wos abbricht). der abbruch der randbruch der randschmutz die schmutzspur. hat keinen grund ist grundlos. grundlos malt grundlos schreibt das

(vorgänge) 2
(schreiben) schreibt daß. schreibt darüber (darüber daß) schreibt wie. schreibt daß das schreiben (wörter anstelle wörter an wörter die). legt hand an und geht mit um wie zum beispiel (stellt etwas an an stelle vertuscht dies und macht etwas aus). macht was er macht damit und damit. durchschaut was gemacht wird (macht sich gut oder schlecht und es sich). macht sich gedanken macht sich gedanken darüber zum beispiel daß. macht sich gedanken wie (auch von etwas) (darüber mehr mehr davon). wählt aus sucht zusammen (setzt zusammen die) macht einen plan läßt es (läßt sich gehn geht). hat keinen goldenen boden bricht ab (wos abbricht). der abbruch der randbruch der randschmutz die schmutzspur. hat keinen grund ist grundlos. grundlos schreibt grundlos malt das

[1962]

Ansichtskarten

 
Man schickt von einer Reise Ansichtskarten, um den Daheimgebliebenen zu sagen, daß man sie nicht vergessen hat. Man unterläßt es, einem Freund, der in bescheidenen Verhältnissen lebt innerhalb eines Sommers Karten aus Ragusa, Capri und Nizza zu schicken. Auch wäre es taktlos, einem Bürokollegen eine Karte zu schicken und einen anderen zu übersehen. Dem Chef und hochgestellten Persönlichkeiten schickt man nur dann Ansichtskarten, wenn man mit ihnen privat befreundet ist Man läßt auch nicht zufällige Urlaubsbekanntschaften ihre Namen auf Karten kritzeln, da diese Leute für die zu Hause Gebliebenen keinerlei Bedeutung haben. (Gutes Benehmen Dein Erfolg)
1
Es gibt Ansichtskarten und Ansichtskarten. Immer wieder fallen den Leuten Ansichtskarten ein in meinen Briefkasten mit jeder Postwurfsendung. Immer wieder muß ich viele Ansichten auseinander halten. Ich habe mir einen Karteikasten gekauft und eine Systematik gemacht. Ich sammle Ansichten die mir mein Briefträger zuträgt. In meinem Karteikasten sammeln sich die Ansichten einer ganzen Welt die sie beschreiben.

2
Ansichtskarten sind Ansichtssache und leicht überschaubar. Man schätzt ihren Umgang. Sie sind genügsam. Man kann sie sich an den Hut und hinter den Spiegel stecken. Man kann sie unbesehen zerreißen verbrennen verlegen. Man kann sie jederzeit vorholen und oberflächlich betrachten. Man kann sie ganz genau betrachten. An ihren Ansichtskarten kann man sie erkennen. Ansichtskarten sind nicht jedermanns Sache.

3
Es gibt schwarzweiße Ansichtskarten, die von den Schwarzweißsehern verschickt werden. Immer noch verteilen die Schwarzweißseher ihre gebildete Ansicht. Die schwarzweißen Bilder der Welt sind billig zu haben. An allen Kiosken der Welt wird eine um die andere Ansicht für bare Münze gehalten Sie ist wiederholbar für jeden erschwinglich. Täglich sichten die Schwarzweißseher den Bestand der verteilbaren Welt und lassen ihn umgehen.

4
Ansichtskarten sind keine kleinen Mädchen die bunt angemalt sind. Die buntangemalten Ansichtskarten ändern ihre Meinung nicht von heute auf morgen. Sie hängen ihr Mäntelchen nicht nach dem Wind Man kann sie erinnern. Ein Kreuz mit Tinte bezeichnet die Stelle der Wohnungnahme. Viele Leute machen ein Kreuz und möchten sich hinter verstecken. Ansichtskarten sind keine Regenbögen die bunt angestrichen sind.

5
Von allen bekannten Blumen sind Ansichtskarten die schönsten Sie blühen nicht im Verborgenen Sie sprechen von sich aus. Sie sagen nicht: laßt Blumen sprechen. Und sprechen nicht durch die Blume oder in Rätseln. Sie sprechen in Bildern. Sie haben sich eine Ansicht gebildet. Sie haben sich eine genaue Ansicht gebildet. Sie besagen nichts weiter.

6
Die Ansichtskarten Günther C Kirchbergers haben eine Ansicht die sonst niemandes Ansicht ist. Man kann sie keinem Menschen vorlesen. Man kann sie in keine Sprache übersetzen. Man kann sie nicht vom Blatt singen. Sie bezeichnen eine Welt die es sonst auf der Welt nicht gibt. Die es nirgendwo auf der Welt mehr gibt. Und die gezeigte Welt ist jedesmal eine andere.

7
Die Ansichtskarten sind jetzt alle verteilt, Man hat sich seine Ansicht gebildet hiervon und davon. Man weiß was auf den Ansichtskarten drauf ist. Man hat säuberlich die Häuser von den Bäumen und den Himmel von der Erde geschieden. Man spricht darüber und läßt es Tag und Nacht werden. Man spricht immer noch darüber. So ward aus Abend und Morgen ein anderer Tag.

[1963. Druck in: Prosa zum Beispiel, 1965]