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Albrechts Privatgalerie | Ausstellung 3 - Klaus Burkhardt

Auf Albrechts Schreibtisch liegt eine Visiten-Post-Karte: "Drucke hieran und dadran / Schwärme für gute Bucheinbände - schöne Kleider und Schmuck / Träume mit offenen und zuen Augen / Bin glücklich und einsam unter hundert Menschen / Fühle mit der Fingerspitzen über alte Pressedrucke und andere Feinheiten / Höre gern Märchen und Dixieland / Bevorzuge die horizontale Lage / Rieche gern an frischer Drucken und schönen Frauen / Brauche dringend 20 000 DM / Gehe selten ins Kino - Esse Apfelsinen - Trinke Möhrensaft - Rauche nicht - kenne Birnbaum / Mische und verspachtele Druckfarben mit Vergnügen / Habe sechsundzwanzig Freunde / Liebe das Leben und andere Kleinigkeiten" - die Visitenkarte des leidenschaftlichen Druckers (und Typografielehrers einer grafischen Fachschule) Klaus Burkhardt.

Man könnte eine Geschichte von dem erzählen, was Klaus Burkhardt bis heute gedruckt hat: Gedichtblätter, Faltblätter, Kataloge, Plakate, affiches, Handpressendrucke undsoweiter, fast alles in kleinsten Auflagen und meist kostenlos abgegeben. Und dies alles wäre sehr interessant und bedenkenswert, denn mit der Druckkunst steht und stand es in unseren wirtschaftswunderlichen Breiten nicht zum Besten. Doch interessiert das Albrecht weniger, handelt es sich doch zumeist um die drucktechnische Wiedergabe von Texten (Klischees, Grafik), also um Typografie. Und das ist in den Feullletons abzuhandeln und abgehandelt, wäre KLAUS BURKHARDT nicht im Verlaufe seiner Arbeit auf etwas gestoßen, das ihn auch für die moderne Kunst theoretisch interessant macht.

1959 ungefähr ergab sich nämlich für Klaus Burkhardt die Frage: was passiert, wenn ich alte Druckstöcke, alten Satz, Klischees, verschiedene Typen, Lettern undsoweiter einfarbig oder mehrfarbig auf- und übereinander drucke - und es entstand seitdem eine Reihe von Blättern (von denen eine Auswahl in der Ausstellung "mobil 1" zu sehen ist).

Diese Blätter sind im eigentlichen, wörtlichen Sinne Druck-Grafik (während man bei Lithos, Serigrafien u. ä. besser von gedruckter Grafik sprechen sollte). Buchstaben, Werbetexte, Plakattexte, Wort- und Satzreste werden in einem wiederholten Prozeß solange übereinandergedruckt, bis sie den Anschein einer geschlossenen "Figuration" ergeben. Man kann auf dieser Blättern ausgezeichnet Zustände der Ordnung und Unordnung, der Mischung und Entmischung studieren (kurz das, was ;n einer modernen Ästhetik mit Entropie und Negentropie bezeichnet wird. Darüber hinaus berühren diese Druck-Grafiken auch die Probleme einer modernen Texttheorie, insofern ihr eigentliches Strukturelement die einzelnen Buchstaben, Buchstabengruppen also ein Buchstabenensembles sind. Es gibt Blätter darunter, die ganz oder zum Teil das demonstrieren, was man einen "visuellen Text" nennen könnte, wobei im Verlaufe der Herstellung, während der Druckprozesse, der Anschein des visuellen Textes zerstört werden kann zur zugedruckten grafischen Flache. Daß das Ergebnis, also das, was im Falle der wiederholten Druckvorgänge entsteht, nicht genau kalkulabel ist, daß also der Zufall das Ergebnis mitbestimmt, ist ohne weiteres einsichtig (und entspricht ebenfalls modernen ästhetischen Überlegungen, die den Zufall, die Randomelemente miteinbeziehen, ja zu ästhetischen Kriterien machen).

Daß Klaus Burkhardt bei seiner Arbeit (Slogan: wichtig ist drucken) auf diese Möglichkeit ästhetischer Äußerung stieß, ist überraschend aber nicht unvorbereitet. Die Collagen von Kurt Schwitters haben bereits gezeigt, was mit der Kombination vorgegebener, bedruckter Papierfetzen ästhetisch erreichbar ist, die Erinnerungsausstellung Werkmann in der Kunsthalle Baden-Baden ("Poesie aus dem Setzkasten") demonstrierte die ästhetischen Möglichkeiten eben dieses Setzkastens. Das Originelle und Überraschende an den Blättern Klaus Burkhardts ist eine Art Synthese dieser beiden Möglichkeiten, oder besser vielleicht: der Reduktion zweier Extreme in Richtung einer Ideallösung: also nicht mehr die Kombination zufälliger Fetzen einer Plakatwelt, von Straßenbahnfahrscheinen, Tapetenresten, Staniolpapier usw., aber auch nicht mehr die "Poesie aus dem Setzkasten", - stattdessen die Reduktion auf die Kombination von Gedruckten, von Satz und Slogan, von Vorgeformtem und dessen (ästhetischer) Zerstörung. (Eine mögliche Gefahr eines solchen Verfahrens ist der durch die verschiedenen aufeinandergedruckten Farben, die ja bekanntlich einen verschiedenen Helligkeitswert haben, hervorgerufene Eindruck einer in die Tiefe gegliederten Fläche, also der Eindruck eines "davor" und "dahinter". Läßt sich dieser Eindruck durch einen weiteren Druckvorgang verwischen, ist er innerhalb des Herstellungsprozesses legitim! gelingt das nicht, wird er problematisch. Klaus Burkhardt entgeht der Gefahr meist, indem er solche Blätter wegwirft.

Als anläßlich der Gedächtnisausstellung Werkmann in Baden-Baden den eingeladenen Druckern eine alte Handpresse zur Verfügung gestellt wurde, vermochten letztlich nur HAP Grieshaber und Klaus Burkhardt etwas mit ihr anzufangen. Was Klaus Burkhardt dabei innerhalb kurzer Zeit als Druck-Grafik demonstrierte und zu Papier brachte, war für 5 Minuten im Fernseher, ist für alle Zeiten im Stedelijk-Museum in Amsterdam zu sehen, wenn man es nicht vorzieht, eine Auswahl seiner Blätter im Hause Buhl zu besichtigen, zusammen mit Bildern von Günther C. Kirchberger, den Albrecht im letzten Semester bereits vorstellte, mit Bildern von Friedrich Sieber und Grafik von Werner Schreib, die Albrecht noch vorzustellen gedenkt, zusammen mit Plastiken von Max Hutlett, von dem die forum-Leser der Dezembernummer bereits eine Lithographie kennen lernten.

[forum academicum, Jg 13, H. 2, Mai 1962, S. 32]


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