Albrechts Privatgalerie | Künstleralphabet | Burkhardt
henry [d.i. Reinhard Döhl] | Anschlagzettel für Burkhardt

In dem Maße die Produktion von Gedrucktem einem allgemeinen Trend zur Perfektion verfällt, indem z.B. die Auflagenhöhe an Stelle der Qualität, der Konsum an Stelle der Liebhaberei tritt, in dem gleichen Maße wird der Liebhaber der "schwarzen Kunst2, der Gourmet unter den Lesern, auf den einzelnen Drucker achten, der nicht auf Anleitung des Verlegers und für das Geschäft produziert, stattdessen, an seinem Handwerk interessiert, der Verfertigung des einzelnen Objektes seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Wie in den modernen Künsten der Blick frei geworden ist für die Materialien, mit denen ein Kunstwerk gemacht wird, für den materialen (den handwerklichen) Prozeß, dessen Spuren nicht einmal verwischt oder verleugnet werden, gilt unsere Aufmerksamkeit also der Handpresse, der kleinen Auflage, der "Handschrift" des Druckers. In diesem Zusammenhang machte Klaus Burkhardt, Typografielehrer an einen grafischen Fachschule, bereits wiederholt von sich reden; ja, man könnte eine Geschichte erzählen von dem, was Klaus Burkhardt bis dato gedruckt hat: Gedichtblätter, Faltblätter, Kataloge, Plakate, affiches. Und es scheint interessant und bemerkenswert, wie hier von einem leidenschaftlichen Drucker auf einer Handpresse der perfektionierten Bucherzeugung, der Rotation, der Anonymität der Erzeugnisse paroli geboten wird.

So druckte Klaus Burkhardt in den Jahren 1960/61 eine Reihe von Faltblättern im Format 48x62 cm, die er affiches (= Anschlagzettel nannte, und die ein Sammelplatz für zum Teil originale Texte und Grafiken wurden. Meist erschienen die affiches "anläßlich..." (z.B. einer Ausstellung, des Erscheinens eines Buches, aber ebenso eines Weihnachtsfestes). Es beteiligten sich Grafiker und Maler wie HAP Grieshaber, Werner Schreib Guido Biasi, Winfried Gaul, G.K. Pfahler, Arnulf Rainer u.a. und Autoren wie Uwe Schmidt, Bingel, Henneberg, Poethen, Leonhard, Laszlo, Katja Hajek, Raoul Hausmann, Bense und Döhl. Der Bogen spannte sich vom Gegenstand zur abstarktion, vom Provinzialismus zum Antiprovinzialismus, von einer Mythomanie Marke Panderma zur konkreten Kunst, von Novalis (!) zu den Experimentaltexten der Reinlandschaft. Dfer Charakter wechselte vom Pamphlet über das Manifest über die Hommage zum Ausstellungsplakat. In allem aber ordneten sich diese affiches ein in einen historischen Prozeß, der fast bis zu den Anfängen der Druck-Kunst zurückreicht, in die Folge der fliegenden Blätter, der Flugblätter und Schriften, der Einblattdrucke und Aushängebogen. Sie taten das nicht, indem auf einer Handpresse wiederholt wurde, was heute bevorzugtes Sammlerobjekt ist, sondern indem Klaus Burkhardt bei seiner Liebe zur Druckerei Möglichkeiten wieder(er)fand, die (museal) als verschüttet und erledigt galten.

Klaus Burkhardt schloß seine Reihe Affiche nach dem 22. Druck mit einem aprèsfiche ab. Und das ist vielleicht gut so. Denn ebenso wie die Auflage dieser Drucke nicht zu hoch sein durfte, kann eine solche Reihe nicht beliebig fortgesetzt werden, ohne daß der Reiz abnimmt, die Originalität verblaßt. Klaus Burkhardt hat inzwischen anderes begonnen und wird es - so hofft der Gourmet - früh genug abbrechen, um offen zu bleiben für Neues. Das Erscheinen des aprèsfiche wurde von vielen bedauert. Man bestand auf dem Gewohnten (statt auf dem Originalen zu bestehen). Es erschienen sogar eine Anzahl Nachrufe, darunter einer in der FAZ, den wir abschließend zitieren wollen, für manche andere:

Burkhardt, 1928 geboren, in Stuttgart ansässig, ist vor allem durch die Herausgabe seiner "affichen" bekannt geworden, oder wie er sie selbst nennt, seiner "affiche-fische", die er jeweils einer anderen Persönlichkeit oder einem anderen Thema wirdmete; zum Beispiel einen, dedn füften, im Juli 1960, Carl Laszlo, der hier seine später in "Panderma" nachgedruckte "Aufforderung zum Glanz" zuerst veröffentlichte; einen anderen, den 21. Und vorletzten im Mai 1961 Raoul Hausmann zum 75. Gerburtstag, mit einigen Gedichten Hausmanns. Leider will Burkhardt das Unternehmen dieser immer auf etwa 250 bis 350 Exemplaren beschränkten affichen nicht fortsetzen; der "22. und wahrscheinlich auch letzte Druck" trägt das Datum Juni 1961. Noch einmal führt er uns die originelle Kombination von Photo- und Typographie vor, von der diese Blätter lebten, und macht uns dem Abschied schwer.
[FAZ Nr. 155 vom 8.Juli 1961 anläßlich der Ausstellung in der Galerie des deutschen Bücherbundes]

affiche-"Reste" sind durch die Galerie Wilm Falazik Bochum beziehbar