Erzähl keine Märchen, erwiderte der Vater. Der Entschluß der Bremer Stadtmusikanten, ihr Dienstverhältnis zu verlassen, war falsch, da sie in einem Lohndienst gestanden haben und somit ihr verhalten einen eingriff in die rechte des Herrn darstellte.
Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hätte. Einstmals hatte ein Hausvater ein Schwein geschlachtet, das haben die Kinder gesehen. Ein Wildschwein that großen schaden in dem ganzen Land, kein Mensch getraute sich in den Wald, wo es herum lief, und wer so kühn war und auf es einging und es tödten wollte, dem riß es den Leib mit seinen Hauern auf. Der König aber hatte noch sieben Kinder von seiner ersten Frau, sechs Buben und ein Mädchen, und weil er fürchtete, es könnte ihnen von de Stiefmutter ein Leids angethan werden, brachte er sie in ein schloß, das er mitten in einem Walde stehen hatte. Sneewittchen aber war in dem großen Walde mutterseelig allein, so daß ihm recht angst ward und fing an zu laufen und zu laufen über die spitzen Steine, und durch die Dornen den ganzen Tag. Eine Geis hatte sieben junge, die sie gar lieb hatte und sorgfältig vor dem Wolf hütete.
Die sieben Geiserchen aber sprachen: unsere Mutter bist du nicht, die hat eine feine liebliche Stimme, deine Stimme aber ist rauh, du bist der Wolf, wir machen dir nicht auf. Der Knecht aber, war er vorher froh gewesen, dünkte er sich jetzt noch zehnmal froher, und ging lange zu, so begegnete ihm ein alter Jude. Als sie nun nachmittag miteinander spielen wollten, hat das eine Kind zum andern gesagt: du sollst das Schweinchen und ich der Metzger seyn, hat darauf ein bloß Messer genommen, und es seinem Brüderchen in den Hals gestoßen. Nun waren in dem Königreich drei Brüder, davon war der älteste listig und klug, der zweite von gewöhnlichem verstand, der dritte und jüngste aber war unschuldig und dumm, die gedachten, die Prinzessin zu gewinnen, wollten das Schwein aufsuchen und tödten. Das erste war nun, daß die Stiefmutter sich mit List den Knäuel verschaffte, dann nahm sie sieben kleine Hemdchen und ging hinaus in den Wald. Endlich, als die sonne untergehen wollte, kam Sneewittchen zu einem kleinen Häuschen.
Das Häuschen gehörte sieben Zwergen, die waren aber nicht zu Haus, sondern in das Bergwerk gegangen. Der Wolf hatte aber seine Pfoten in das Fenster gelegt, das sahen die sieben Geiserchen und sprachen: unsere Mutter bist du nicht, die hat keinen schwarzen Fuß, wie du, du bist der Wolf, wir machen dir nicht auf. Der Jud' riß sich halb nackicht und armselig aus dem Dornstrauch, überschlug, wie er sich rächen möchte, und fluchte dem gesellen alles böse nach. Die Mutter, welche oben in der Stube saß und ihr jüngstes Kindlein in einem Zuber badete, hörte das schreien ihres anderen Kindes, lief alsbald hinunter. Als der jüngste der drei Brüder in den Wald hineinkam, trat ein kleiner Mann vor ihn, der hielt eine schwarze Lanze in der Hand und sagte zu ihm: nimm diese Lanze und geh damit auf das Schwein los, ohne furcht, du wirst es leicht töten. Da warf die Stiefmutter über jeden der sechs kleinen Prinzen ein Hemdchen, und kaum hatte es ihren Leib berührt, da waren sie in Schwäne verwandelt, hoben sich auf in die Luft und flogen davon.
Als die Prinzessin auch den ganzen Tag bis zum abend fortgegangen war, kam sie zu einer Wildhütte. Sneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich. Darauf ging der Wolf wieder vor der Geiserchen Hausthüre und sagte: liebe Kinder, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, jedes von euch soll etwas geschenkt kriegen. Da sandte der Richter boten und Häscher aus, die sollten den Knecht fahen, wo sie ihn könnten sehen, der wurde bald ertappt und vor Gericht gestellt. Und als die Mutter sah, was vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus dem Hals und stieß es im Zorn dem andern Kind, welches der Metzger gewesen, ins herz. Also geschah es, der jüngste der drei Brüder traf mit der schwarzen Lanze das Schwein, daß es zur erde fiel, nahm es dann auf die Schulter und zog vergnügt heim.
Abends gingen die drei Brüder miteinander nach Haus, da machten die beiden ältesten einen Anschlag auf des andern leben, ließen ihn voran gehen, und als sie vor die Stadt an die Brücke kamen, fielen sie über ihn her, schlugen ihn todt und begruben ihn tief unter der Brücke. Am anderen morgen aber sammelte die Prinzessin Sternblumen, setzte sich dann auf einen hohen Baum und fing an zu nähen: redete auch kein Wort und lachte nicht, sondern sahe nur auf seine Arbeit. Da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Löfflein, sieben Messerlein und Gäblein, sieben Becherlein, und an der wand standen sieben Bettlein neben einander frisch gedeckt. Wie die sieben Geiserchen den Wolf aber erkannten, versteckten sie sich geschwind, so gut es ging, das eine unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank, das sechste unter eine große Schüssel, das siebente in die Wanduhr. Aber der Richter machte das Ding kurz und verurteilte den Knecht zum Tod am Galgen. Darauf lief die Mutter alsbald nach der Stube und wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber machte, aber es war unterdessen in dem Bad ertrunken.
Deßwegen dann die Frau so voller angst ward, daß sie in Verzweiflung gerieth, sich von ihrem Gesinde nicht wollte trösten lassen, sondern sich selbst erhängte. Dann nahm der älteste der drei Brüder das Schwein, trugs zu dem König, gab vor, er habe es getödtet und erhielt die Prinzessin zur Gemahlin. Als sie nun den ersten Prinzen zur Welt brachte, nahm die Schwiegermutter ihn weg, bestrich ihr den Mund mit Blut und gab dann bei dem König vor, die Königin habe ihr eigen Kind gefressen, und sey eine Zauberin. Sneewittchen war hungrig und durstig, aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs und Brod, trank aus jedem Gläschen einen tropfen Wein, und weil es so müd war, wollte es sich schlafen legen. Die alte Geis dachte daran, ob sie ihre Kinder nicht noch erretten könnte, sagte darum zu dem jüngsten Geislein: nimm Zwirn, Nadel und Scheere und folg' mir nach. Der Knecht aber faßte seine fiedel und trat einen strich, da wankte alles und bewegte sich, Richter, Schreiber und Schergen und den Jud' konnte keiner binden, und er that den zweiten strich, da ließ ihn der Henker los und tanzte selber, und wie er nun ordentlich in's geigen kam, tanzte alles zusammen, Gericht und der Jude vornen, und alle Leute auf dem Markt, die da wollten zuschauen.
Das ließ der Knecht die geige ruhen und der schuft wurde für ihn am Galgen gehängt. Der Mann kam vom Felde und als er dies alles gesehen, hat er sich so betrübt, daß er kurz darauf gestorben ist. Da ging einmal ein Hirt über die Brücke und sah unten im Sand ein Knöchelein liegen, und weil es so rein und schneeweiß war, wollte er ein Mundstück daraus machen, ging hinab und hob es auf. Da warf die junge Königin die Hemdlein hinauf, sie fielen über die Schwäne hin, und kaum waren sie davon berührt, so fiel ihre Schwanenhaut ab, und die sechs Brüder standen leibhaftig vor ihr, nur dem sechsten fehlte der linke arm, und er hatte dafür einen Schwanenflügel auf dem rücken. Da probierte Sneewittchen die sieben Bettlein nacheinander, keins war ihm aber recht, bis auf das siebente, in das legte es sich und schlief ein. Wie das die sieben Geiserchen sahen, kamen sie herzugelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen.
Ein paar seiner Blüten hatte der Morgenwind auf Greten herabgeschüttelt, und diese nahm eine derselben und sagte: was bedeutet es mir. Es ist eine Märchenblume.
Ja, das ist es. Und es bedeutet dir, daß die eine verwunschene Prinzessin oder eine Hexe bist.
Erzähl keine Märchen, erwiderte der Vater.
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