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Wulf Segebrecht | Es wird weitergetextet
Neues vorn Verfasser der "missa
profana"
Von Materialexperimenten dieser Art
wimmelt es in den "fingerübungen. So wird etwa die Negation und die
Negation einer
Negation vorgeführt ("das häßliche
das nicht häßliche das ungeordnete das geordnete"), es werden
Leerstellen in den
Text eingefügt ("liebe ist ein
gespräch / ein gespräch / ein). Slangausdrücke ("zucker
die puppe") und Wendungen aus den
Bereichen des politischen, geschäftlichen
und religiösen Lebens und aus der Sprache des Märchens werden
gern hart
gegeneinandergesetzt. So ergibt sich
ein Wortsalat, angereichert mit Zitaten von Benn, Bense, Breton, Celan,
Heißenbüttel,
Goethe und Wittgenstein. Hier ein
Text zum Beispiel: "abgebrochene landschaft noch wo schön ist was
jeder gern sieht : aus
gesichtern geschnitten die nachts
nacht passieren abgestoßene farben : abgeblätterte farben die
nicht vertuschen die frohe
botschaft wo das ende von weg ist
: soweit noch verfügbar bitten um nachricht ständig am lager
: fingerübungen auf
menschenleeren gesichtern nachts wenn
nacht passiert und vorbeigeht."
In einigen Texten werden Wörter
aneinandergereiht, die nichts anderes verbindet als ihr (statistisch erwiesener)
etwa
gleichhäufiger Gebrauch. Daß
Wörter wie "ist" oder "der" öfter gebraucht werden als etwa "grau"
oder "rose", kann kaum
überraschen. Der Häufigkeitsquotient,
der einem Speziallexikon zu entnehmen ist, spielt also in diesen Texten
eine Rolle, und man
findet eine Strophe wie diese:
der ist die
graue rosen
das.
Fast alle Publikationen der Texter
tragen unübersehbar Lehrbuchcharakter; sie demonstrieren neue sprachliche
Strukturen und
trainieren die Lektürefertigkeit
des Textlesers. Der Titel "fingerübungen" hat darin seine Berechtigung.
Unschwer läßt sich der
Zeitpunkt absehen, zu dem es für
alle Arten von Texten ein gültiges Modell gibt, das dann die Grundlage
zu einer Textästhetik
abgeben könnte. Ob Döhl
diesen folgerichtigen Weg einschlagen wird? Oder wird er doch noch seine
in den "fingerübungen"
bewiesenen Spezialkenntnisse und Spracherfahrungen
dazu benutzen, der bei seinesgleichen so verpönten Dichtung neue Impulse
zu geben?
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Kurz rezensiert
[M.E.] | fingerübungen
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Helmut Gumtau | Von Büchern und Schriftstellern
Reinhard Döhl, 1934 in Westfalen
geboren, legt in dem Band "Fingerübungen" des Limes Verlages, Wiesbaden,
50 Texte,
Textreihen und Textgruppen vor. Der
Philologiestudent Döhl hat 1960 und 1961 mit seiner zunächst
abgeurteilten und dann
freigesprochenen "Missa profana" die
Gerichte beschäftigt. So sehr Döhls Texte, das gilt damals wie
heute, ein aller Konvention
abholdes Anti-Gefühl zur Schau
stellen, können sie doch nicht ohne Anteilnahme, ohne Engagement entstanden
sein. Man sollte
sich da nicht von Schnoddrigkeiten
täuschen lassen. Schon die ältere Dichtergeneration litt unter
der Ohnmacht, Empfundenes und
Geschautes in der Sprache, die solange
eine Heimat war, nicht mehr ausdrücken zu können. Wenn zwei Menschen
"namenlos"
zueinander finden, ist das Wort, so
bekennt Döhl, "unsere einzige Abwesenheit". Er sagt: "Das Spiel der
Sprache ist ein Spiel
gegen mich selbst" und "Das Haus der
Sprache ist eine Metapher die klappert." Döhl nimmt Volkslied, Sprichwort
und Märchen
auseinander. Er spielt - zuweilen
tonmalend - Variationen ihrer auswechselbaren Glieder durch und erreicht
eine Groteskwirkung,
auf die schon nach 1918 die Dadabewegung
hinzielte, (soweit sie über ein bewußt sinnloses Lallen hinausging.)
Wenn Döhl
eulenspiegelnd Wortbilder in das graphische
Bild umsetzt, wenn er das Wort "Maus" absurd durchdekliniert oder eine
Rose grau
werden und den Vögeln "Grauen"
einflößen läßt, so folgt er Morgensterns Spuren.
Gewiß, wenig ist an der Methode neu, manches
ist schon recht alt, aber das ist
kein Einwand gegen Döhl, der Phantasie hat und sprachbegabt ist. Wenn
das zur Formel erstarrte
Wort entlarvt wird, erhält auch
die zerrissenste, paradoxeste Textfolge noch einen heimlichen Sinn; sie
kann auf die
Beziehungslosigkeit unter jungen Liebesleuten,
unter Geschäftspartnern, unter Menschen überhaupt hindeuten oder
die Kälte der
privaten oder amtlichen Kommunikationsmittel
parodierend fühlbar machen. In mindestens zehn Texten ist Döhl
allerdings unter
Niveau. Er mixt Wortfolgen und Wortfetzen
schülerhaft unverbindlich und macht es sich zu leicht: z.B. so: -
"ist ist wo wenn schon
so wird wenn es hoch weil ich komme
kommt wird wenn es weil wo wenn ist so ist wo weil wird wenn ist ist ist
wenn so wird
wird weil ich wenn es hochkommt so
ist es weil wenn schon so ist es ich komme" - Solch ein Gestammel ist weder
originell noch
schockierend, höchstens langweilig
und auf keinen Fall druckreif.
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Werner Rhode | Beispiele deutscher Gegenwartslyrik, kritische betrachtet.
1. Sprecher
Dieses grundsätzliche Verstehen
schließt natürlich nicht aus, daß man kritisch bleibt,
auch dann, wenn Autoren das Wort "Lyrik"
gar nicht für sich in Anspruch
nehmen, sondern etwa einen Band "Fingerübungen" vorlegen, wie es der
junge, 1934 geborene
Reinhard Döhl tut. "Das Haus
der Sprache ist eine Metapher die klappert", schreibt er und versucht,
diesen Schaden experimentell
zu beheben. Dabei geht er längst
nicht so radikal vor wie etwa die Laboranten der "movens"-Gruppe mit ihren
Schreibmaschinengrafiken. Döhl
operiert - in der obligaten Kleinschreibung - mit Wortreihungen, Wiederholungen,
Umkehrungen,
Spiegelungen, mit Zahlen, Klammern
und Versalien. Das wirkt nicht sonderlich originell und und schon gar nicht
aufregend, hat
aber einige interessante Aspekte.
Manchmal steht da ein Text, der einfach und scheinbar unerheblich ist,
es bei näherem Hinsehen
aber doch "in sich hat".
2. Sprecher
er hatte keinen beruf
er arbeitete manchmal
er wurde dafür bezahlt als man
ihn fand
rein zufällig hielt er die hand
auf
die leer war und die augen geschlossen
aus unerfindlichen gründen man
erfand einen selbstmord
mit dem man sich nicht länger
aufhielt
um das leben nicht aufzuhalten gab
man zu
daß er tot war und es zu protokoll.
1. Sprecher:
Hier wird deutlich, daß Döhl
nicht nur mit der Sprache umgeht, sondern daß er auch in ihr umgeht,
wie er selbst an anderer Stelle
sagt. Seine ganz persönliche
Anteilnahme am Schicksal des fremden Toten ist - wiewohl geschickt verfremdet
- unüberhörbar.
2. Sprecher
Ähnliche Versuche wie Döhl
liefert Claus Henneberg in seinem Buch "Texte und Notizen". Er betreibt
- nach seinen eigenen
Worten - die Aufzucht der reinen sprachlichen
Mittel. Er montiert, kombiniert, assoziiert und variiert spielerisch-ernsthaft
und
gelegentlich nicht ohne tiefere Bedeutung.
Man muß abwarten, wohin solche Sprachmanöver führen. Vorerst
hat es den
Anschein, als gefalle sich Henneberg
in der "an Stelle eines Mottos" beschriebenen Rolle des syrischen Goldhamsters,
der in
seinem Glaskäfig hartnäckig
Befreiungsversuche unternimmt.
Zwei weitere Laboranten sind Max Hölzer und Ernst Meister. [...]
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Lesung Wiesbaden. Amt für Kulturpflege:
Verleger und Autoren. Der Limes-Verlag stellt vier Autoren vor. Max
Niedermayer spricht über den
Verlag. Hans Peter Keller, Grete Weil, R.D., Ludwig Harig lesen aus ihren
Werken.
Städtisches Museum Wiesbaden:
Großer Ausstellungssaal, 22.3.1963
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Limes-verlag stellt fünf Autoren
vor.
Experimente mit der Form
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Dietrich Segebrecht | Döhl, Reinhard: fingerübungen. 50 Texte. Mit 3 Grafiken v. G. K. Pfahler
Dietrich Segebrecht | Kunststücke und Fingerübungen.
Die Bücher von Rühmkorf und
Meckel sind schon in mittelgroßen Büchereien ausgezeichnet zu
gebrauchen. Größere
Stadtbüchereien sollten auch
die Bände von Törne und Krolow bereithalten. Als ein letztlich
doch recht interessanter Versuch
wird Döhls Lyrikheftchen den
Großstadtbüchereien empfohlen. Pionteks neue Gedichte sind wohl
nur zur Vervollständigung
seines bisherigen Werks geeignet.
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Curt Hohoff | Gedichte in dieser Zeit
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[NN] | reinhard döhl: fingerübungen. 50 texte. 3 grafiken v. georg karl pfahler
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[NN] | Döhl dans Fingerübungen ...
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Vgl. auch Jürgen P. Wallmann u.a. | Schmarotzen als Stilprinzip