Abstract: Moriz Henle (1850-1925) wurde in Laupheim, Württemberg,
geboren, wo er zwischen 1868 und 1873 als Kantor in der Synagoge diente.
Seine wichtigste Position war seit 1879 seine Tätigkeit als Oberkantor
am Israelitischen Tempel in Hamburg. Henle war ein Vertreter des neuen
Typs des "Synagogen-Chazan", welcher im 19. Jahrhundert in Westeuropa entstand
und dessen Begründer der berühmte Wiener Kantor Salomon Sulzer
(1804-1890) war. Henle absolvierte seine Ausbildung zum Kantor am Lehrerseminar
in Esslingen. Die dort praktizierte formalisierte Ausbildung war völlig
verschieden von den traditionellen
Lehrmethoden, in denen man die Synagogegensänge mündlich
von einem qualifizierten Kantor erlernte. Neben seiner Gesangskunst war
Henle auch ein talentierter Musiker und Komponist. Er gehörte zu jener
zweiten Gruppe von Komponisten synagogaler Musik wie Max Löwenstamm
und Emanuel Kirschner, die das "sulzerianische Ideal" vom Kantor-Komponist
bewahrten. Darüber hinaus schrieb Henle Aufsätze über die
Synagogenmusik, der wichtigste darunter war sein historischer Bericht über
die musikalische Tradition des Hamburger Tempels mit seiner einzigartigen
Mischung von sepheradischen und aschkenasischen Gesängen und Melodien.
Zusätzlich zu seinen veröffentlichten Werken zur synagogalen
Musik hinterließ Henle zahlreiche Notenmanuskripte, die sich in Deutschland,
Israel und den U.S.A. befinden. (Hinweis: Vortrag in englischer Sprache)
Der Referant: Dr. Geoffrey Goldberg ist Dozent für jüdische Musikwissenschaft an der School of Sacred Music, Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion, New York. Er promovierte in jüdischer Musikwissenschaft an der Hebräischen Universität in Jerusalem und lehrte jüdische Musikwissenschaft an der Universität Tel Aviv. Er ist auch Rabbiner und Kantor und ist zur Zeit in der B'nai Jacob Gemeinde in Jersey City, NJ, tätig. Sein Spezialgebiet ist die westliche aschkenasische liturgische Musik. Zu diesem Thema veröffentlichte er veschiedene Aufsätze in den Zeitschriften Hebrew Union College Annual, Musica Judaica und Studia Rosenthaliana. Zuletzt erschien von ihm ein Aufsatz mit dem Titel "The Training of Hazzanim in Nineteenth-century Germany" in: Yuval: Studies of the Jewish Music Research Center (2002). Zur Zeit arbeitet er an einer Karte zur musikalischen Kultur der Aschkenazim, also zur Geographie der aschkenasischen Chazzanut vor der Schoa.