Zu wechselnden Anlässen entstanden
zwischen 1979 und 1984 Reinhard Döhls und Wolfgang Ehehalts "Ansichtssachen
& Klerri-juhs aus der kleinmen Stuttgarter Versschule", wenig bekannt
auch unter "Stuttgarter Trilogie, Band 2" (Band 1: Botnanger Sudelhefte).
Sie beschäftigen sich mit der Stuttgarter Kulturgeschichte, "allerdings
auf unseriöse Weise, was sich leicht daraus erklärt, daß
man dieser Kulturgeschichte ebenso wie dem offiziellen Kulturleben dieser
Stadt mit Vernunft kaum beikommen kann." Textprobe: "Zeitgenössische
Künstler Stuttgarter erkennt man daran, daß sie nicht in den
Staatsgalerie hängen und meist auswärts vorkommen." Wolfgang
Ehehalt kommt bis zum 4. September in jenem Buchladen vor, über dessen
Besitzer Döhl dichtete: "Wendelin Niedlich / Hauptsache man suie sich
/ blieb in der Stuttgarter Veste / der Fleck auf der Weste." Auf kaffeebeflecktem,
den Gilb der Jahrhunderte beschwörenden Papier hat Ehehalt mit und
Ohne Hilfe von Wilhelm Busch, Gustave Doré, Collageschnipseln, Fotos
und Annoncetexten siebzig vorbildlich lockere Illustrationen zu den nachdenklich
lockeren Vierzeilern Döhls gestaltet. Diese nach ihrem Erfinder, dem
englischen Journalisten Edmund Clerihew Bentley, benannten Kierri-juhs
sind Persönlichkeiten des städtischen Literaturbetriebs gewidmet:
den Reingeschmeckten, den Ausgewanderten und den Hängengebliebenen;
denen, die mit der Stadt wenig am Hut hatten, und denen, die vor allem
durch ihren Hut auffielen. Chronologischer Aufbau vom Humanisten Niklas
von Wyle bis zur Jetztzeit: "Johannes Poethen / und das noch für Moneten
/ lud Schriftsteller nicht nur zum Schein / gemeinsam mit Rommel ins Rathaus
ein."
Das Papier ist vergilbt, die Schrift verschnörkelt und verblichen. Feine Strichzeichnungen, Scherenschnitte und eine Fotografie von der Mondlandung: Wolfgang Ehehalts Collagen bestehen neben Fotos, alten Stichen und neuen Zeitungsausschnitten aus vielen eigenen Zeichnungen, aus Comic-strip-Figuren bei näherem Hinsehen, die sich auf dem gefleckten Papier verstecken. Die Bilder hängen an zu kurzen Drähten im Untergeschoß der Buchhandlung Niedlich von der Decke hinab. Mit in den Nacken gebeugtem Kopf ist die Betrachtung anstrengend und deswegen auch recht flüchtig - wenden wir uns also lieber dem Buch zu, für das sie geklebt und gezeichnet worden sind: Reinhard Döhls und Wolfgang Ehehalts "Ansichtssachen und Klerii-juhs aus der Kleinen Stuttgarter Versschule".
Clerihew Bentley hieß der "Erfinder
der Clerihews" - Nonsens-Vierzeiler auf bekannte Persönlichkeiten.
"Klerri-juhs" sind deren von Reinhard Döhl (Bild) gedichtete Stuttgarter
Variante. Neben den "württembergischen Klassikern" Schiller, Uhland
und Hölderlin kommen dabei auch zeitgenössische Stuttgarter "Kulturschaffende"
vor (die meisten freilich haben der Stadt längst den Rücken gekehrt).
Die zugehörigen Illustrationen stehen den Versen gut an. Den ersten
Teil des Buches, die Ansichtssachen, las Reinhard Döhl zur Ausstellungseröffnung
bei Niedlich. "Pflichtgemäß", wie er es selbst ausdrückte.
In raschem Tempo, mit unvorhersehbaren Wendungen und Gedankensprüngen,
ging es durch die Stuttgarter Kulturlandschaft. Eine geistreiche Anspielung
folgte der nächsten. Dem Zuhörer blieb kaum einmal Zeit, sich
an einer gelungenen Formulierung oder einem der sorgfältig konstruierten
Wortspiele zu erfreuen - was allerdings einem Stuttgarter, der das Buch
zur Hand nimmt, unschwer gelingen dürfte.