Dr. W. Walz

Es gibt Einbrüche, ja sogar Einbruchdiebstähle, welche die Kultur sanktioniert, wenn sie nicht dem Einbrecher allein, sondern der Menschheit zugute kommen. Solche Einbrüche waren z.B, die Öffnungen der Pyramiden. Es ist nicht festzustellen, ob die Mumien der Pharaonen erst auf einer anderen Ebene schöpferisch tätig waren - aber ich weiß seit gestern, daß es einen lebenden Pharao gibt, der in seiner geistigen Pyramide seltsame Reiche vor der profanen Welt verbarg und verbirgt, bis seine Zeit kommen ist.

Merkwürdig unabhängig voneinander ist man nun vor nicht zu langer Zeit in größerem Ausmaße als bisher dieser Pyramide zu Leibe gegangen; doch der beschränkte Raum einer modernen Zeitung kann hier nur einen kurzen Papyros entrollen, der einen leinen Blick gestattet in das seltsame Reich eines weit über den irdischen Plan greifenden souveraine Geistes, der es verstanden hat, die Zugänge zu seinem Gebiet so lange zu tarnen, bis es reich und ausgedehnt genug geworden war, als daß die Forschungsteisenden der Kunst länger daran vorbeigehen könnten.

In trockenen Worten: mein Kameraeinbruch und meine Schnappschüsse galten dem Atelier des Malers, Dichters und Architekten Hermann Finsterlin . Sein vielseitiges, eigenartiges Schaffen umfaßt, die freiwillig toten Jahre des 3. Reiches und die unfreiwilligen Passiven der Nachkriegszeit abgerechnet, bei der Frühreife des Künstlers heute fast ein halbes Jahrhundert, und ist in der Zeit zwischen den beiden Kriegen von autoritativen Seiten, leider nur allzu exclusiv, gewürdigt worden, da sich Finsterlin immer wieder der Öffentlichkeit zu entziehen wußte, um die Zeit abzuwarten, da das Werk reich und reif genug zur Auswahl und das Publikum bereit genug zur Empfängnis wäre.

Für die übliche Kunstbetrachtung war Finsterlin stets eine harte Nuß, da sein künstlerischer Ausdruck in Wort, Bild und Ton schwer in einer "Richtung", einem Ismus unterzubringen war und ist. Er ist von jung an ein Eigener gewesen und ist es geblieben bis heute, aber Außenseiter sind schließlich immer noch die erfolgreichsten Befruchter geistig toter Zeiten gewesen, so schwer man ihnen auch das bereichernde Wirken gemacht hat.

Lassen wir hier nun ein paar Prominente zu Wort kommen: Prof. Hans Hildebrand, Stuttgart, Friedrich Karl Lamprecht, Berchtesgaden und Blaav, Amsterdam.

(hier folgen die Artikel)*)

Alles andere muß das Lebenswerk Finsterlins selber tun, aus dem hier leider nur Andeutungen aller Art gegeben werden können, denn die Einzigartigkeit dieses schöpferischen Menschen könnte man höchstens als etwas in unserer Kultur scheinbar unmöglich gewordenes Ausgestorbenes bezeichnen, als ein mythenbildendes Phänomen, da der allgemein mißbrauchte Ausdruck "Fantasie" das Wesen dieses Werkes nicht zu erschöpfen vermag.
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*) Nicht in der Druckvorlage. Sie werden ermittelt nachgestellt.