Hexengässchen
Eine Gasse - furchtsam und
unabsehbar - zwischen einer mannshohen Mauer aus Marmor und geteerten Planken
- mit langen laufenden Kreidestrichen und unanständigen Wörtern.
Am Ufer der Saale
Frauen mit erhobenen Armen
zwischen flatternder Wäsche und ausgebreiteten Laken mit blechernen
Gießkannen oder in blauen Schürzen am Steg, Tücher fleiend
im trägen Fluß.
Der Eismann
Stangen weißen Eises
verschwinden in Sackleinen gewickelt tropfend in hohen, dämmernden
Hausfluren.
Die Milchfrau
Mit dem Leiterwagen von
Haustür zu Haustür, und auf ihm die Kannen, und in sie das Maß.
Hinterhofmusik
Mit Messingtrompeten schmettern
Bettelmusikanten Lieder hinauf zu Balkonen und Münzen in Zeitungspapierfetzen
sprenkeln das Pflaster um sie: schmutzige Schneeflocken.
Maxplatz
Schritte auf einem nebligen
Platz im Herbst, und wo sie verstummen, wird eine Laterne hell, bis schließlich
alle zu summendem Licht erwacht sind und die Schritte verhallen.
Flugfest mit Zeppelin
Von der Luftschänke
hinauf zur Hohen Saas, wo Junkers und Fockes tiefe Eindrücke hinterlassen,
schneidige Frauen an Fallschirmen vom Himmel hoch auf die Grasnarbe pendeln
und eine Riesenzigarre lautlos und fern über den Dächern der
Stadt schwebt.
Bohnenbeiß
Farbstrotzend der Mokka-Mohr
im Fenstergewölbe auf zierlich gesetzten Füßen vor einem
geöffneten Kaffeesack mit herabgerolltem Rand.
Kino
zur Nachmittagsvorstellung
sacht aufwärts an Lichtbildern weizenblonder Schönheiten, fettleibiger
Komiker, menjoubärtiger Freibeuter, schwarzbehüteter Cowboys
und weißbehandschuhter Mickey-Mäuse mit runden Ohren vorbei
zur Kasse.
Einsteighalle
Bin hölzerner Turm
bis unter die Sparren des Daches, aus dem eine Birke wächst, Feuerwehrschläuche
zum Trocknen von oben herab und knöcheltief Sägemehl für
die Pferde unter kyklopischen Tribünen an einem Ort, der Eisenbahnen
und Radfahrern zum Üben gedient hat.
Bürgergesellschaft
Bilderbücher auf langen
Tischen in sonnigen Seitenzimmern.
Im Café Hager
Nach Eintreffen neuer Berliner
und Leipziger mit jüngsten Abenteuern von Vater und Sohn an Marmortischen
in Samtcoupes mit Blick über halbierte Mohrenköpfe und zerbrochene
Schlotfeger in dunkel wiederholende Spiegel.
Schloßplatz
Ausstellung pastoser Ölgemälde
von sturmgepeitschten Wetterfichten, Moorgeländen und klaren Mittelgebirgshorizonten
mit dem Anstrich des Offiziellen und Endgültigen in zwei dunklen Zimmern
hinter weißen Schlagläden an der Schmalseite eines länglichen
Platzes.
Das alte Wollner
Eingepfercht zwischen Erwachsenen
auf einer hölzernen Bank bei Bratwürsten in beißendem Virginiarauch
und vertieft in den Geleisplan einer elektrischen Eisenbahn auf entfalteten
R 6-Packungen.
Am Theresienstein
Kastanienblüten auf
grünen Tischen im Bierschaum und schmissige Märsche bis zum Milchhäuschen
am Ende der Allee.
Am Schellenberg
Mit dem Schlitten den Hang
hinab über den Weg hinweg in den Holzzaun hinein hinter dem beschneite
Gaskessel geduldig zu atmen versuchen.
Kantine Vogtland
Einst schwarzbehostes Jungvolk
in düsteren Fluren, später Equilibristen, Illusionisten und Verwandlungskünstler
im schäbigen Rampenlicht.
Lehrer Netsch
Ein Korb süßer
Wecken und eine weiße Kanne voll Milchkakao im Denkmal einer städtischen
Straßenbahn unter den blühenden Apfelbäumen eines sehr
milden Lehrers.
Jahrmarkt
Unter Lichterkaskaden frißt
sich der Budenwurm vom billigen Jakob durch türkischen Honig, Kräuterbonbons,
Lachsbrötchen und Makronenpyramiden karbidfauchend straßauf
und ab, straßab und auf.
Eine Sehenswürdigkeit
Bestaunt verunstaltet seit
der Belagerung eine Warze aus Stein die mächtige Kehrseite St. Michaelis.
Eisteich
Flügel aus hohlgeschliffenem
Stahl, angeschraubt mit rotgefrorenen, kälteklebenden Fingern.
Kreuzsteinstraße
Warmer Seestadtgeruch aus
den geöffneten Toren dunkler Scheuern nach Torfmull, Jute, Frühkartoffeln,
gebündeltem Brennholz und Briketts.
Schützenstraße
Eine Frau in Schwarz hinter
Fässern voll Bamberger Stockfisch, Wegnerschem Sauerkraut und Salzgurken,
die mich in Bergen von Reiskörnern spielen ließ und mit Himbeerwasser
tränkte.