A:
Eine Kiste erschien und
blieb über dem Hügel in der Luft stehen. Ein Mann in grauem Leinenkittel
stieg den Hügel hinauf. Er trug eine Leiter quer auf den Schultern.
Der Mann nahm die Leiter ab und lehnte sie an die schwebende Kiste.
B:
Die Kiste war eine Versteinerung,
nur ihre Motoren summten. Sie stak in oberen Luftschichten. Filzplatten
umgaben sie, sie war in Filz eingelassen. Mildes Instrumentenlicht erhellte
das Innere der Kiste. Sie hielt sich unbeweglich im Raum und verlor nicht
an Höhe.
A:
Der Mann im Leinenkittel
zog eine lederne Fliegerkappe aus der Tasche und setzte sie sich auf. Der
Deckel der Kiste öffnete sich. Der Mann stieg die Leiter hinauf und
enterte die Kiste. Der Deckel der Kiste schloß sich und die Kiste
entfernte sich in den Himmel. Schließlich war sie verschwunden. Die
Leiter blieb auf dem Gipfel des Hügels stehen
*
A:
Leute kamen, knieten um
die Leiter herum und starrten nach oben. Sie warteten auf die Wiederkehr
der entschwundenen Kiste. Ab und zu kletterte einer die Leiter hinauf und
hielt nach ihr Ausschau. Doch eine Kiste war nicht zu erblicken. Enttäuscht
kehrten sie daraufhin zu den anderen zurück. Sie stritten sich, ob
überhaupt eine Kiste dagewesen sei. Da warfen sie die Leiter um und
zerschlugen sie. Als sie zertrümmert auf dem Boden lag, erschien eine
Kiste am Himmel.
*
A
Die Leute bückten sich
und sammelten Steine, die herumlagen. Damit warfen sie nach der fliegenden
Kiste. Würde sie getroffen werden? würde sie abstürzen?
Der Himmel war voller geschleuderter Steine, ein Regen von Steinen stieg
von der Erde zum Himmel auf. Wutgeschrei und Verwünschungen begleiteten
die Würfe. Eine Zeitlang schwebte die Kiste über der Wolke von
Steinen. Dann senkte sie sich herab und landete sanft zwischen den Menschen
auf der Kuppe des Hügels.
B:
Sie landete zwischen Bäumen.
Dort war das Gras grün und weich. Wespen umschwirrten die Kiste. Die
Kiste öffnete sich und Wärme entströmte ihr.
C:
Mit Salz war sie gekommen,
mit Fleisch kehrte sie heim. Auf ihr stand eine Säule von Licht und
entfernte sich mit dem Fleisch. Als der Deckel der Kiste geöffnet
wurde, war sie vollkommen leer.
*
A:
Staunen ergriff die Menschen,
die eben noch von großer Wut erfüllt waren. Neugierig näherten
sie sich der Kiste und betasteten sie. Was mochte in ihr enthalten sein?
Einige versuchten den Deckel zu öffnen, aber es gelang ihnen nicht.
Andere klopften an ihr, ob sie hohl sei.
B:
Aus der Kiste quoll ein
Kabelstrang. Jemand hatte sich in ihr häuslich eingerichtet. Durch
ein Telefon stand er mit der Außenwelt in Verbindung. Zwischen seinen
Beinen lag ein Kornhügel, auf den ein Hahn saß. Der pickte von
den Körnern und es gab keinen Schutz vor seinen Schnabelhieben.
C:
Die Körner waren in
der Nacht erstorben und keimten erst wieder1 wenn es Tag wurde. Dann wurden
sie größer und der Kornberg höher. Schließlich wurden
sie gelb und reif. In diesem Moment stieß der Hahn einen Schrei aus.
*
A:
Nun sollte die Kiste den
Hügel hinabgestoßen werden. Gemeinsam stemmten sie sich gegen
sie. Jemand übernahm das Kommando und schrie Hauruck. Er trug einen
glänzenden Feuerwehrhelm und eine Axt. Die Kiste ließ sich nicht
wegschieben
B:
Doch. Die Kiste bekam einen
Stoß und stürzte um. Feuerwehrleute richteten sie wieder auf.
Ihre Helme glänzten silbern. Sie klingelten und stießen Hahnenschreie
aus. Männer und Frauen umringten die verunglückte Kiste. Aus
ihrem Inneren quollen Lederkoffer, Spazierstöcke, Handtaschen und
sonstige Gebrauchsgegenstände. Eine Frau taumelte aus der Kiste und
brach zusammen. Der Lärm, den ihr Kopf auf dem Pflaster machte. als
er aufschlug, löste ein Beben aus. Die Erde grollte und erhielt einen
Riß, aus dem Blut trat. Es war Neumond. Das Blut floß aus der
Wunde und konnte nächtelang nicht gestillt werden.
A:
Da beschlossen sie, die
Kiste zu zerschlagen und eine neue Kiste zu bauen.
*
A:
Die neue Kiste stand auf
dem Hügel. Sie war sehr schön. Die Gesichter der Leute strahlten
vor Freude. Sie faßten einander an den Händen und tanzten einen
Reigen um die Kiste.
B:
Klänge kamen aus ihr.
Sie drückten die Gerechtigkeit aus, die in ihr herrschte, Sanftmut.
In der Kiste baute ein Bienenschwarm Waben. Gold floß aus ihren Pforten.
In der Regelmäßigkeit war Süße versammelt. Mit Beute
trächtig kehrten die Bienen in das Wachs der Stille zurück, aus
der die Klänge kamen
*
A:
Ein Mann mit einer roten
Maske kletterte auf die Kiste. Er trug einen zerknitterten Regenmantel.
Dann gab es noch den Mann mit dem Feuerwehrhelm und der Axt und einen Mann
mit einem Fallschirm auf dem Rücken und einem Seil.
B:
Der Mann mit dein Seil wickelte
sich das eine Ende des Seils um die Mitte, das andere befestigte er an
der Kiste. So angebunden lief er weit hinaus ins Feld. Schließlich
gelangte er ans Ende des Seils. Es gab einen Ruck. Da kappte der Mann mit
der Axt das Seil und der Mann in der Ebene stürzte zu Boden.
C:
Der Mann mit der roten Maske
öffnete den Regenmantel und entblößte sich. Da trugen die
Leute eine Frau herbei und legten sie vor ihn auf den Deckel der Kiste.
*
A:
Über den Hügel
zog Rauch. Der Rauch kam von den Scheitern der zertrümmerten Kiste
und der zerschlagenen Leiter. Die Leute hatten alles Holz zu einem Haufen
getürmt und angezündet. Es roch nach verbranntem Fleisch. Die
Rauchschwaden hüllten den Gipfel des Hügels ein. Die neue Kiste
war nicht mehr zu sehen, sondern nur der Mann mit dem Feuerwehrhelm und
der Axt, der im Qualm patroullierte. Finsternis senkte sich auf den Hügel.
Der Scheiterhaufen vergloste zu Asche. Ein Wind erhob sich und blies die
Asche davon
*
A:
Ein Kanonenschuß erscholl:
Damit begann es zu tagen. Die Breite eines hochgehaltenen Haares war zu
erkennen. Der Hügel war leer, der Mann mit der Axt verschwunden. Das
Feuer des Scheiterhaufens war erloschen. Nur die neue Kiste stand im Zwielicht
auf der Kuppe des Hügels. Erwartungsvolle Stille. Das Licht war erschienen.
nach dem sich alle gesehnt hatten. Die Menschen richteten ihre Blicke gespannt
auf die einsam dastehende Kiste. Die Helligkeit vermehrte sich, die Sonne
ging auf, der Tag war gekommen. In diesem Augenblick öffnete sich
der Deckel der Kiste.
B:
Aus der Höhe stürzte
sich ein Falke in die geöffnete Kiste und zog daraus eine Schlange
hervor. Die Schlange bäumte und ringelte sich, aber der Falke ließ
sie nicht los. Er erhob sich mit ihr in die Luft. Schuppen und Federn regneten
herab. Im Zenit verwuchsen sie zu einem geflügelten Knäuel. Da
sank der geschuppte Falke aus der Höhe in die Kiste zurück und
die Schlange flog mit seinen Flügeln davon.
C:
Oder der Mann griff in die
Kiste, packte die Schlange am Kopf und die Schlange erstarrte zu einem
Knotenstock, auf den er sich beim Gehen stützte. Da begegnete ihm
der Mann mit der Maske. Gib sie mir, sagte der Mann mit der Maske, und
der Mann mit der Feuerwehrheim gab sie ihm. Da wurde sie wieder zur Schlange.
Wirf sie weg, sagte der Mann mit dem Helm und der Mann mit der Maske warf
sie weg. Da kroch die Schlange in die Kiste zurück und verbarg sich
schnell unter Äpfeln.
B:
In der Kiste war es feucht.
Die Schlange fühlte sich wohl darin. Steinplatten lehnten an den Wänden,
zwischen denen sie hindurchkroch. Auf die Steinpiatten waren Schriftzeichen
gemeißelt. Der Mann mit dem Helm räumte die Tafeln zur Seite.
Da lag sie vor seinen Augen und wimmerte. Er erschlug sie - und wurde auf
einmal zu einer Frau.
*
A:
Aus der Kiste stieg eine
Frau. Sie trug eine enge Kappe aus Filz mit einem Halbschleier vor dein
Gesicht. Die Kappe war schwarz.
B:
Die beiden Männer saßen
an der Kiste und spielten Karten. Der Einsatz war die Frau ohne Gesicht.
Der Mann mit dem Helm mischte die Karten. Er rauchte eine tönerne
Pfeife. Der Mann mit der roten Maske zog eine Karte aus dem Talon. Dann
bediente der Mann mit dem Helm sich. Beide drehten das Blatt, das sie gezogen
hatten. Das Bild darauf war das selbe. Es war die Frau ohne Gesicht. Sie
trug eine enge Kappe aus Filz. Die Kappe war schwarz.
*
A:
Die Frau hatte ein Kind
auf den Armen, einen schönen Knaben. Sie wiegte ihn hin und her und
summte dabei ein kleines Lied aus zwei Tönen. Die Frau blickte hinaus
in die Ebene, als oh sie jemanden erwartete. Sie streichelte das Gesäß
des Knaben, indem sie ihre Hand in sein Hosenbein schob. Dann pflückte
sie eine Messingmünze von ihren Lippen und gab sie ihm. Der Junge
nahm die Münze in seine Faust, sprang der Frau aus den Armen und rannte
davon.
*
A:
Der Junge rannte den Hügel
hinab. Er lief in die Ebene, in der er einen Fluß sah. Man hörte
sein Rauschen. Der Fluß nannte sich A und lag in Schweden. Das Ufer
des Flusses war flach und voller Steine. Der Junge war barfuß und
sprang von Stein zu Stein. Inmitten des Flusses schwamm eine Kiste. Sie
war mit Fähnchen und Wimpeln geschmückt. Er rief Hallo, er rief
Ahoi, er rief einen schönen Gruß. Die Kiste hieß Sommer,
so war es mit Kreide an ihren Rand geschrieben. Sie schaukelte vorüber.
Ein Mädchen saß darin und winkte ihm zu. Es war blond und etwas
älter als er. Es hatte ganz kurzes Haar und trug eine weiße
Tennismütze. Zwischen ihren Lippen steckte ein Papierröllchen.
*
A:
Das Mädchen legte am
Ufer an und stieg aus der Kiste. Die Beine des Mädchens waren lang,
und an den Knien hatte es Schrunden.
B:
Die Kiste landete dort,
wo das Schilf wuchs. Die ganze Landschaft bestand in dieser Gegend aus
Licht. Daraus bestand auch der Berg in der Ferne, und Steine aus Licht
lagen auf ihm. Auch die Schatten der Steine waren aus Licht.
*
A:
Der Junge und das Mädchen
zogen die Kiste an Land und spielten darin Verstecken. Manchmal kroch das
Mädchen hinein, manchmal sie beide und manchmal der Junge allein.
Wenn es dem Jungen in der Kiste zu bang wurde, klopfte er mit einem Löffel
ringsum an die Wände.
C:
In der Kiste standen Krüge
mit Honig und Asche. Das war die Speise, die er zu sich nahm. Manchmal
hörte er Geräusche, sie klangen wie Stöhnen. Manchmal wurde
er gerüttelt und er wußte nicht, wovon. Er konnte noch nicht
sprechen, sondern hatte nur seinen Löffel. Den steckte er in den Mund.
A:
schließlich öffnete
das Mädchen die Kiste und ließ den Jungen heraus.
*
A:
Als sie genügend gespielt
hatten, hoben sie ein tiefes Loch aus, schlossen den Deckel der Kiste und
versenkten sie in der Grube. Sie schaufelten Sand auf sie, bis nichts mehr
von ihr zu sehen war. Nur sie wußten jetzt, wo sie zu finden war.
Sie beschlossen, in Zukunft einmal dorthin zurückzukehren. Wann, wußten
sie nicht. Einfach später. Daraufhin faßten sie sich bei der
Hand, wendeten sich um und gingen davon. Sie wurden immer kleiner, bis
sie in der Ferne verschwunden waren.