Rober Stauffer | Präsenzen auf Papier
Eröffnung der Ausstellung Susanne Frenken bei Buch Julius, 31.11.1996

Meine Damen und Herren, ab den frühen 80er Jahren, als ich Susanne Frenken als Ehe- und Kunstpartner meines Freundes Will Frenken kennenlernte, stellte ich - bis zum heutigen Tag zwar unausgesprochen - zwischen ihr und dem französischen Schriftsteller und Maler Jean Cocteau Verwandschaftlichkeiten her. Damit meine ich das Signalement einer Persönlichkeitserscheinung, die durch eine progressive, avantgardistische Grundhaltung zu kulturellen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sofort beeindruckt.; Susanne Frenken - die leider aus gesundheitlichen Gründen nicht hier sein kann - wirkt schillernd, lasziv, ironisch, anarchisch und auf jeden Fall in allen ihren sprachlichen und visuellen Werken als eine die semantischen Ebenen mehrfach brechende und reflektierende Artistin.

Bestimmt von ihrer Intellektualität und einer starken Schubkraft, hat Susanne Frenken schon ab ihrem 18. Altersjahr Prosa und Lyrik geschrieben. Während den langen Aufenthalten von 1952 bis 1969 in New York, Boston, Los Angeles und San Francisco, hat sie die Chance gehabt, den kontinuierlichen und nicht von diktatorischen Verdikten und Edikten sich entwickelnden Fluß der europäisch-amerikanischen Ästhetik kennenzulernen, also fast ohne die Verspätungen durch den Nachholbedarf, den ihre Generation im deutschen Kulturraum sonst aufbringen mußte.

Ich werde hier zwischen meinen Einleitungsworten 3 Gedichte von Susanne Frenken aus ihrem 1988 erschienenen Buch "DAS HUSTEN DES IGELS IN DER NACHT - Reisebilder aus Elsenien", vorlesen.

NICHT MEHR NUR
MEISTER AUS DEUTSCHLAND
WELTMEISTER.
GRAND PRIX.
FIRST CLASS
AUF JEDER SZENE
WO SEINE SPUR SICH SCHLEPP.
WO ER MIT PESTZEICHEN
DIE TÜREN SCHWÄRZT.
SO WAR ES NICHT GEDACHT?
WER TOD SÄT.
ALLE ERNTEN.
Das entsetzlich Steckengebliebene der akademischen Malerei der 40er Jahre in Deutschland, dem so oft das Handgewebte, das Textile und das sog. Naturprodukthafte bis in die 60er Jahre hinein anhing, hat Susanne Frenken kaum zur Kenntnis nehmen müssen, auch nicht das mehr oder weniger behende Kopieren der intakt gebliebenen französischen Moderne.

Ab 1952 "Malereien", wie Susanne Frenken in ihrer Vita schreibt, ab 1962 "semantische Kunstobjekte", ist sie in vielen ihrer Bilder eine Erzählerin - in der hier gezeigten Ausstellung ihrer 34 ganz neuen Arbeiten "präsenzen auf papier", verschränkt sie den epischen Stoff zugleich auch mit der Praxis psychologischer Explorationen, d.h. Auffaltungen von Vergangenheitsblöcken. Beim Betrachten der Bilder assoziierte ich mit gefalteten Tüchern, etwa dem Leichentuch Christi und den Fastentüchern.

In Susanne Frenkens Bildern sind es manchmal Fallgeschichten, Existenziale ihres seit einiger Zeit eingeschränkten Alltags. Wie gewisse in der Gestaltpsychologie und Gestalttherapie angewandte Dialogtechniken zwischen Therapeut und Patient, geht Susanne Frenken eine Personaleinheit ein, sie präpariert den "Explorationsbogen Papier" mit Farben nach ihrer Lust und Laune, traktiert ihn in trockenem oder feuchtem Zustand wie Aquarelle, faltet sie zu Widerspieglungen zusammen und greift spätestens hier mit Deutungen und Interpretationen ein. Köpfe entstehen so, auch Tierköpfe, mit Gouache und Acrylfarben akzentuiert und konturiert.

EIN ICH BIN DU
BIST DU DEN MICH
BIN ICH WOHL DOCH EIN ICH
DOCH KANN ICH
NUR ES SEIN

DAS DU DAS ICH
ES TAUCHT MIT MIR
HINAB HINAUF

AUS SICHT DES PLEXIGLASKUGELSCHACHS
IST DAS ZENTRUM DER ORT
DER AUS- UND RÜCKGEFLIPPTEN

KEIN DU KEIN ICH
DENN ES IST UNS
UND WIR
SIND WIR DENN EUCH

LÖFFLE DIE SUPPE
AUF IM DUNKELN
SCHMECKT SIE NACH UNS
DOCH EUCH
DAS SIND WIR NICHT

Bei den "präsenzen auf papier" sind die Subjekte zu Objekten transformiert, Erinnerungen, Todesfälle vom realen Leben und Erleben, als Flimmerbilder "erinnert". Das Entscheidende bei Susanne Frenkens Bildern ist aber. so sehr die inhaltlichen Temperaturen aus Depressionen herkommen, die Durcharbeitungen transformieren zu Anfolgen von Heiterkeiten und freundlichen Entlastungen für die Betrachter. MEIN LAND IST KEIN ORPLID.
UNTER DEN BAHNDÄMMEN
TREFFEN SIE SICH
SCHREBERGÄRTNERBEHARKER
ANGSTSCHWEISSNASSE
UND TAUSCHEN DEN MIST AUS.
MEINE STADT LEUCHTET NICHT.
DIE TECHNISCHEN WERKE UND OSRAM
GEBEN SCHEIN.
KEINE ERSCHEINUNG.
LIEBER NICHT IN DIE DUNKLEN ECKEN SCHAUEN,
DORT SCHLUCHZT EIN KIND.
MEINE STRASSE IST NUR FÜR ANDERE DA
DEREN SCHRITTE SICH LEICHTER VERLIEREN
DURCH TOR UND TOR.
OHNE ECHO. OHNE SCHATTEN.