reinhard döhl | gedichte | schwarz auf ich weiß | 7 X 7 gedichte
zeitgedichte (2)

wir brechen unsere träume | erinnern wir uns | du sagst es ist gut | in der zeitung | auf dem bildschirm | morgens | als er gefragt wurde | er hatte keinen beruf | sie hatte ein kind | geheimnis | ich habe, sagte er, alles getan | das herzklopfen nach dem coitus | beruhigt über den worten | verkürzter augenblick | eine straße | den regenbogen das schwarze reh | gebrauchsanweisung | und | warum sagen | einen zettel unbeschrieben
 

wir brechen unsere träume
wie wir die worte brachen.

fremde vögel fliegen nachts
und zeichen schatten
in die koordinaten
kreuze der fenster.

aber dies alles so wissen wir
wird gehen und nie mehr zurückkehren
an den morgen die kommen mit den
künstlich gefärbten horizonten.
 

erinnern wir uns
jeder zeit
um zu vergessen

haben wir doch
alles bezahlt
die raten der träume
für die erklärung der steuer
auf heller und pfennig
so im vorbeigehen
mit einer handbewegung
mit leichter hand
das kreuzworträtsel gelöst und
alle probleme der welt.

wie schön ist unser sterben
daß wir es uns nachsehen
fort und fort.
 

du sagst es ist gut.
sprich nicht mehr, die worte
weisen dich aus.

vor dem haus wollen wir
räuber und gendarm spielen.
du bist gefangen.

mein bruder trägt ein weißes hemd,
er steht am stacheldrahtzaun auf der lauer,
die sonne macht schwarze streifen auf sein hemd.

meine mutter sitzt auf den märkten
und hält paradiesäpfel feil,
die wollen wir essen.

mein vater hat eine uniform, seine freundin
nähte ihm rote streifen an die hose.
sie weinte darum.

vor dem haus wollen wir spielen, lauf,
sie wollen uns kriegen, lauf
um dein leben.

sieh nur
das wetter wird sich ändern.
 

in der zeitung
portrait selbst eines mörders
schwarz auf weiß
er wird sich zeigen.

(er tat es um liebe.
er tat es ihr an.
er tat es umsonst.)

ihre lippen lächeln
unberührt von einbruch
mord und ministern und
vor einbruch der nacht.

schwarz auf ich weiß
wird es sich zeigen.

(sie geben es zu.
sie stellen die fragen.
er tat es umsonst.)

am ende
wird man es ihm zeigen.
 

auf dem bildschirm
die stimme des mörders
spricht von frieden
& freiheit

es tritt auf
das gerücht eines krieges
den gesichtern im schatten

die kann man nicht abdrehn
(die stimmen der mörder
sprechen kein esperanto

und die gepflegte augenbraue
des ministers begrinst von
manchem plakat den verräter

candide emigrierte vor tag
begann die dikatur
der gartenzwerge)

der raum ist verdunkelt
und tausendjähriger schlaf
überfällt den betrachter.
 

morgens

sind dem trompeter die töne entfallen
sammeln die kellner das lose geld
und warten papier ist geduldig
ein herr in grauem anzug faltet ein schiff
er lächelt blöd blut auf den tischen
jemand sieht zu eine frau schreit
jemand hat ein weißes gesicht
 

ober bitte zahlen

ein frack nickt ein kleid fällt
und der rest die kazets und die juden

roter bordeaux auf den tischen
aufgehobene reste
und trinkgeld
 

als er gefragt wurde)

sie hängen fahnen auf und andere mörder
nach ihrem recht bringen sie sich um
und um sie verbringen die zeit

mit geschwätz und bezeugen die wahrheit
in entmannten betten zeugen sie kinder
aus verlegenheit.

sie stellen sich bloß
bei jeder umarmung
halten sie an sich
was sie begreifen.

sie bewerben sich und stehen herum.
sie bestehen plätze gefahren und aus angst
spielen sie
wer fürchtet sich
vorm schwarzen mann.

sie sind beständig
und glauben daran sie
sind der bestand der welt.

(er mußte dran glauben
 

er hatte keinen beruf
er arbeitete manchmal
er wurde dafür bezahlt als man ihn fand
rein zufällig hielt er die hand auf
die leer war und die augen geschlossen
aus unerfindlichen gründen man
erfand einen selbstmord mit dem
man sich nicht länger aufhielt
um das leben nicht aufzuhalten
gab man zu daß er tot war
und es zu protokoll.
 

sie hatte ein kind
das nahm man ihr fort
sie weinte darum sie kannte
die große und die kleine freiheit
sie hatte sich freigemacht sie tat es noch
zweimal die woche bei einem arzt
auch nahm sie geld von den männern
die sie nahmen sie war einfältig
und schämte sich nicht ihres kindes.

manchmal schlief sich aus mitleid bei
einem der armen.
 

geheimnis

die wände haben ohren
aber die blumen nicht.

der minister erkennt seine chance
und steckt eine rose ins knopfloch.

jetzt habe ich ein gewissen, bemerkt er
denn er hat sinn für nuancen.

das geheimnis des erfolgs erklärt er
der sprachlosen rose ist das geheimnis.

am abend war die rote rose vertrocknet und
der minister präsident eines landes geworden.
 

ich habe, sagte er, alles getan
dir zu ehren habe ich kriege
geführt und menschen gemordet.
jetzt wollen wir abrechnen.

unerhört tickt der holzwurm
im bauch der maria in der kirche
wird es still auf die bänke
setzt sich staub.
 

das herzklopfen nach dem coitus
hinter der wand
tropft das zeitzeichen
unregelmäßig
sind die kurven des diagramms.
 

beruhigt über den worten
von liebe beruhigt
von küssen und
von vergessen
der augenblickliche schlager.
eingestellt ist das radio.

hast du die tür verschlossen?
es ist nur der wind am fenster

ich habe hunger.
nimm meine brust die ist leer.

ein stern könnte fallen.
das geht vorüber.
 

verkürzter augenblick
herabgesetzte preise.
die liebe wechselt
ihren mantel.

reklamen steigen auf.

mit fotos wird
erinnerung gehandelt.

verkürzter akt.
sie schreit kurz auf.

es ist genug.

die hohle hand
schützt seine zigarette
im treppenhaus
wie freundlich sich
die schatten küssen.
 

eine straße
die dunkel ist.

wie heißt du?
ruth. und du?

die nacht
ist aus schatten.

sie geben sich auskunft.
wie heißt du?

die stimme
ist nicht ersichtlich.

(liebende aber trinken den schatten
der schwarz ist für küsse)
 

den regenbogen das schwarze reh
vergiß sie für dein dreiminutengebet.

eine zigarettenlänge bleich werden
wenn die sonne ausläuft
das ist schöpfungsgeschichte
und dir übertragen.

die efeugesetze fielen dir zu.
du allein bliebst dir unverständlich.

rufe dein gedächtnis zurück
es ist zeit.

gib dir zeit
nimm alles zurück
in dein gesicht.

niemand wirft
wenn du weinst
einen schatten auf dein gesicht.
 

gebrauchsanweisung

brenne ein streichholz an
und halte es an die zeit.

benutze es auch für deine pfeife
du weißt was du tust.

wirf es zu den andern
in die schale deines abfalls.
 

und
du kannst zahlen
und jemand sagt
danke mein herr
und du gehst und
weißt nicht wofür.

er nimmt die freundin
des andern er weiß
den beweis der liebe
in billigen wörtern.

jemand sagt
nothing for tears
und nimmt ihr das kind
aus dem schoß sie kann
es noch nicht ertragen.

und du kannst zahlen
und niemand sagt
danke mein herr
und du gehst du
weißt schon wofür.
 

warum sagen
daß du hier wohnen willst
bevor du den nachbarn kennst
steinigt er dich vor der stadt

sieh die vögel unter dem himmel
bleiben sie für einen sommer
fliegen sie auf für wie lange
baun sie ihr nest im geheimen
so und umsonst

warum noch
die sprache der mörder lernen
bevor du sie kannst
hat sie dich dem henker verraten.
 

einen zettel unbeschrieben
für mich und für dich habe
ich auch einen zettel habe
ich keine worte mehr
es so zu sagen
verbleibst du
um nichts
unversucht
zu lassen.

ich sagte die worte einfach
so hin und her sie auch quellen
aus den hälsen der andern
gerade wies kommt wie es geht
erfand ich was wahr ist
die sonne den mond und die sterne
die blume den vogel den wind.

ich habe meine worte in wind geschrieben
der weht sand auf die spur
deutlich sichtbar am horizont
sehe ich zeichen in wirklichkeit
verbleibst du um nichts.


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