the public is invited to dance
7.4.
(es finstert 1 (zweifelhafte) LIEBESKÜMMERNIS
durch Buchhecken hindurch, usw.)
und sehe die Blumen : Eidotter-, Eidechsen Blumen die sich immer
wieder und abermals in junge Schwäne (Entengefieder) verwandeln
zu verwandeln scheinen auf dem algengrünen Teich auf dem
Gewässer des Lotos welcher heraufdunste ins Kastellan
Häuschen : wasserburgähnliche Gehäuse wo die sich efeurankenden
Spielfreunde ein- und auslüften und -springen, lurgen und lugen
(gucken), und ebenfalls 1 Schrei Kinderschrei hörbar, und dann
die Kähne und der Steg in den Teich hinein, und was Dimensionen
ins ekstatisch Engwinkelige (wie ich beobachte) anzunehmen
scheint, nämlich wie ich es nirgendwo an keinem anderen Orte
ermessen hatte können in seiner Beschränkung des Ausmaszes : der
Verkleinerung : so winzig dasz es dann verwunderte wenn mehr als
zwei Kähne kreuzten auf dem mäandernden Wasser und die Resonanz
des schwappenden Elements mir ans Herz stieg ... diese
Brocken von Fusz, sage ich zu Blum, in BLOCKSCHUH die
(halbe) Ente mit Bürzelfahne hoch in die Luft gestreckt, den
Schnabel tief unter Wasser tauchend, Hauben und Triften der
minderen Wellen wie Botticelli Haar, die langen Schweife,
>trespassing. Locke (nach)zählend das Wasser : Stoff, den
man winterlich über sich gleiten fühlt, sage ich zu Blum, oder
plötzlich, auf einmal, 1 Federchen, bunt, mitten im Text, ich
meine 1 Federchen, bunt, trägst du, sage ich zu Lily mitten in
deiner PLUMAGE, in der PLUMAGE deiner Seele, sage ich zu Lily, 1
buntes Federchen in der Farbe von ihm, mit dem die viele
Jahre vertraut warst, 1 Federchen, gleichsam aus seinem
Gefieder, und woran erkennt man sogleich eure einstige
Seelenumarmung, nicht wahr, also plötzlich 1 Gedichtz mitten im
Prosatext, in der Prosatextur 1 Vers, usw., Gefahr des Wahnsinns
rückt näher, sage ich zu Blum, die Busenkleidchen enorm auf
dem Trottoir, Abdrucke irgend einer Nässe : Regen oder
magere Pisse, verzweigt Hörner und Windlocken Fähnchen =
Kleidchen - da war doch etwas, so 1 Fahne : Wasserzeichen :
Regen Hut oder -Haut, das sagte man so in der
Kindheit : NIMM DIE REGENHAUT!, was 1 Pelerine war, grau oder
lachsfarben : Umhang samt Kapuze, nicht wahr, aber ganz steif
und wenn der Wind hineinfuhr, blähte sich das Ding auf und gab
kaum mehr Schutz, usw., 1 augenflügel, so hast du mich
abgepaust, durchgepaust, durchleuchtet, phosphorisziert, sage
ich zu Blum, und ich kann dirs nicht danken, weil meine
Augen / Gedanken immer noch / immer wieder zu Joseph, obwohl er
mich längst vergessen, er hat mich irgendwo stehen-,
liegengelassen, wie einen Gegenstand, den man stehen-,
liegengelassen, das Ding, man hat es stehen-, liegengelassen,
die Tasche den Schirm, es war nicht so wichtig, liegengelassen,
stehengelassen, vergessen, irgend unwesentlicher Punkt, finde
Schere in Köcher, Arsenal von Stiften, Polster im Rücken des
Sessels trägt Matisse Motiv, ist mir heute zum ersten Mal
aufgefallen, sage ich zu Blum, ja, umarmter leser! , nun
ist es bald so weit, dasz Sie, auch wenn Sie ein geduldiger
Leser sind : der allergeduldigste Leser : das Buch in Erzürnung
zuklappen und denken DAS GEHT ZU WEIT!, und es geht auch
tatsächlich weit - das Wort "zu" ist fehl am Platz - und
während ich dies aufschreibe, denke ich an KLAPPER SCHUH nämlich
an Übersetzers Zunge : KLAPPER SCHLANGEN ZUNGE : das Zünglein
des Übersetzers, das Züngeln des Übersetzers, das gezüngelte
Übersetzen, das Residieren der Übersetzers auf dem Stuhl der
Pythia, auf dem resedenfarbenen geheiligten Ort, auf der
Sprach-, auf der Sprechstätte, nicht wahr, 1
derartige Nostalgie, d.h. derartige Vorliebe, und ich
kann mich plötzlich erinnern daran, dasz Margret B. mir einmal,
vor vielen Jahren, sagte, sie habe alle meine Gedichte auf dem
COMPOSER abgeschrieben : in den COMPOSER getippt, und sei von 1
Augenblick auf den anderen dahintergekommen, es sei ihr
alles verständlich erschienen, als habe man es ihr aus einer
fremden Sprache in die eigene übersetzt, und es habe so alles
für sie Gestalt angenommen, was früher verschwommen gewesen sei,
und sie habe alles lieb gewonnen, und habe sich angezogen
gefühlt, usw., der erfreuende Blick, die erfreuende Schrift,
usw., die Mütze des Fotografen : 2 oder 3 Blutspritzer auf der
gelben Mütze des Fotografen, der einige Stunden hier war, und
der mir sagte, als ich auf der Maschine herumtippte, JETZT HABEN
SIE GANZ VERGESSEN AUF MEINE ANWESENHEIT, und : SO ERGEHT ES
EINEM DICHTER!, und ich erwiderte, nein, ich hatte nicht
vergessen auf Sie, aber es hatte mich so etwas wie 1 GEHEN IM
NEBEL erfaszt, wie ich es sonst nicht kenne, wenn 1 mir
Unbekannter 1 Weile hier, in meiner Behausung, sich aufhält,
vielleicht medikamentenbedingt, sage ich zu ihm, es ist etwas
anderes!, sage ich, etwas ganz anderes! wenn man wirklich
arbeitet, das ist dann ein Geheimnis, ich meine es ist dann
alles geheim : 1 grausamer geheimer Vorgang, bei dem
niemand anwesend sein darf!, es ist überhaupt das Geheimste das
man mit sich selber unterhält, also das ist der Inbegriff der
Intimität mit sich selbst, das ist nicht nachvollziehbar,
sage ich zu ihm, er ging mit seinem Stativ 1 Schritt zurück und
wir schwiegen längere Zeit. Dieses Schweigen zwischen uns, dasz
ich so lanbge schwieg in Anwesenheit eines Menschen, den ich
nicht kannte, hatte etwas Sonderbares an sich, ja dieses
Schweigen zwischen uns hatte etwas Obszönes an sich, und wie ich
mich gleiten liesz, winterlich gleiten liesz. Der Chronist der
Hasselblad Kamera sagt : die Göttlichkeiten!, sagte er, aber
vielleicht haben Sie etwas irgend 1 Kleid das den Hals frei
gibt, 1 Stück Haut würde das Ganze aufhellen, die Exponiertheit,
sagt der Chronist mit der Hasselblad Kamera, : 1 sublime Sache,
die Haut als Hintergrundfarbe verweist auf 1 fernes Licht, usw.,
(MOTIV FRÜHLING).
Für Helmut Heißenbüttel zum 75. Geburtstag
Friederike Mayröcker