Die marktbeherrschenden Plastiker sind in Deutschland zwar im allgemeinen gewichtige Persönlichkeiten, lösen aber meist noch an den Problemen von Vorgestern. Sie sprechen davon, daß sie den Raum gestalten wollen und bringen dabei doch häufig nichts weiter hervor als eine beliebig fortsetzbare Reihe von "Raumknoten". Da sie Kritik oft nicht sehr gut vertragen und auch sehr schlagfertig sein sollen (einem Gerücht zufolge hat ein erboster Plastiker einen harmlosen Kritiker sogar ins Bein gebissen), traut sich Albrecht nur manchmal in ihre Werkstätten.
Trotzdem begegnete er hier oder dort manchem jüngeren Plastiker, dem es wirklich um eine "moderne" Plastik zu tun ist. So wohnt am Rande von Fellbach und fast dort, wo sich Fuchs, Hase und anderes Getier gute Nacht sagen, der 1933 in Berlin geborene KASPAR-THOMAS LENK. Sein Versuch, auf einer Kunsthochschule in die Geheimnisse des Materials und der Plastik eingeweiht zu werden, endete damit, daß er wegen mangelnder Begabung gegangen wurde. Er ging in eine Steinmetzlehre, um das Grundhandwerk zu lernen, und arbeitet seitdem als Autodidakt. Von 1953 bis 1957 entstanden dabei vornehmlich Köpfe, plastische "Portraits". Aus dieser Zeit datiert auch der Entwurf zu einem KZ-Mahnmal, der heute im Museum in Auschwitz steht.
Von wesentlicher Bedeutung scheinen Albrecht die Arbeiten, die seit 1957 entstanden sind. Damals begann LENK, statt der Figur Landschaften, Gegenden zu arbeiten, also das, was Figuren umgibt. Mögliche Assoziationen (an Ruinenlandschaften, zerstörte Städte u. a.), das Illusionistische ist gewollt. Darüber hinaus interessiert den Kritiker, daß der "Landschaftsplastiker" als Künstler sozusagen ein Novum darstellt.
1959 stellt Lenk dann eine Reihe theoretischer Erwägungen an, die er in Skizze und Text auf DIN A 2 großen Blättern notiert und die Albrecht in wesentlichen Punkten als modern ansehen möchte. Die Plastiken aus dieser und der folgenden Zeit gehen natürlich immer weniger von allein (emotionalen) Einfällen aus, sondern erscheinen in zunehmendem Maße als Veranschaulichungen jener theoretischen Erwägungen, ohne allerdings dabei akademisch zu wirken. Theoretisch deutet sich heute so etwas wie eine "dialektische Plastik" an, über die aber - vor allem, da noch wichtiges Beispielmaterial fehlt - bisher nichts Exaktes ausgesagt werden kann. - Die in zwei Ansichten abgebildete "Doppel"-Plastik ist im Seitenblick nicht, im Grundrißblick ,(bis auf drei kleine Stellen) völlig symetrisch. Da die Plastik beim Hochstellen unten keine Ansicht gehabt hätte, ergab sich ihr unterer Teil als Notwendigkeit. Darüber hinaus scheint sie geeignet, wesentliches von dem, was KASPAR-THOMAS LENK vorschwebt, zu demonstrieren, weil durch die Montage auf ein Stahlrohrgestell die Zone der durch den illusionistischen Teil des Objektes herbeigeführten räumlichen Zusammenziehung gut sichtbar ist. Zu diesen und anderen Problemen fand Albrecht bei der Lektüre der LENKschen "Werkstattblätter" einige Sätze,
die er im Folgenden zitieren will, weil sie seines Erachtens auch über die mögliche Lösung einer modernen Plastik einiges sagen:
Jede bisher gültige räumliche Konzeption im Bereich der Plastik stellte das Objekt in den umgebenden, allgemeinen Raum (die Negativkomponente) hinein und ließ es in irgendeine Beziehung zu ihm treten. (Das gilt auch für die Konzeption Henry Moores und mit wenigen, sehr wesentlichen Ausnahmen für die Alberto Giacomettis). Ein illusionistisches Objekt in unserem Falle soll nicht in irgendeine Beziehung zum umgebenden, allgemeinen Raum treten; es ignoriert ihn, indem es die Miniaturausgabe von Umgebung darstellt, welche wiederum nur durch den als unbegrenzt empfundenen allgemeinen Raum als konstante Größe hinzugenommen wurde. (Jede bisher gültige räumliche Konzeption vermochte nicht den als unbegrenzt empfundenen, allgemeinen Raum darzustellen, sondern versuchte zu irgendeiner Korrespondenzbeziehung zum umgebenden, allgemeinen Raum zu gelangen, wobei dieser - wie gesagt - nur als riesige, 'nicht gebrauchsfähige' Negativkomponente begriffen wurde. Es sei nochmals betont: durch die bisher gültigen räumlichen Konzeptionen ist lediglich eine Darstellung (und allerdings auch Artikulierung) des objektbezogenen Raumes möglich, eine Darstellung des nicht objektbezogenen, allgemeinen Raumes ist nur möglich, wenn das jede Plastik Umgebende selbst zur Plastik gemacht wird und sich der Betrachter dadurch als innerhalb des Objektes befindlich vorzustellen vermag.)
Das aber erscheint Albrecht
bemerkenswert, wenn man bedenkt, daß sich das, was sich heute Plastik
nennt, im Prinzip kaum von früheren Plastiken unterscheidet. Bei meist
geringer Horizontale (Standfläche oder -flächen) und großer
Vertikale wird die Plastik nach wie vor einfach in den Raum gestellt. Und
damit ist - auch entgegen der Meinungen und Behauptungen der Raumgestalter
& Co. - natürlich keine neue Formulierung des Raumes getroffen.
Genau um diese aber und um andere Fragen geht es KASPAR-THOMAS LENK, Paul
Reich, UlI Pohl und anderen, wovon gelegentlich noch zu reden sein wird.
Zu Albrechts
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