Ludwig Boerne
Aus den Briefen an Jeanette Wohl, 1820
Stuttgart, Samstag den 11. Nov. 1820
Abends 8 Uhr
Ach, es gibt doch kein größeres Glück als das Glück nicht gestillter, aber beruhigter Sehnsucht! Wie ganz anders ist mir's jetzt als im vorigen Jahre, da ich noch nicht bloß meine Entfernung von Ihnen, sondern auch die Ihrige von mir zu beweinen hatte. Sie mögen sich stellen, wie Sie wollen, Sie mögen sagen, was Sie wollen, ich fühle es, daß ich mein geliebtes Schäfchen ins trockne gebracht habe. Vorhin wollte mich eine Art Heimweh anwandeln (und ich habe keine andere Heimat als das Zimmer, in dem Sie sind), da trank ich aber einen Schoppen Wein und aß Kastanien dazu, und alles war vorüber.

Nachdem ich mein[en] Brief an Sie auf die Post gegeben, ging ich zu einem hiesigen Handelsmann, an den von Murhard ich eine Empfehlung hatte. Dieser nahm mich überaus artig und freundschaftlich auf und schlug mir gleich vor, mich ins Museum einzuführen. Dabei bemerkte er (horchen Sie auf!), er bedauerte sehr, mich nicht selbst dahin begleiten zu können, da er sehr beschäftigt sei, weil er vor einigen Wochen das Unglück gehabt habe, seine Zahlungen einstellen zu müssen; er wolle aber einen von seinen Leuten mit mir schicken. Diese Natürlichkeit und Unbefangenheit nahmen mich schnell für ihn ein. Er führte mich in seinem Hause herum; da ist alles voller köstlichen Gemälde, Bildwerke, Bücher. Er ist ein sehr kenntnisvoller Kunstfreund. Sein Bankrott war mir sehr erklärlich. Er will mich mit Haug, Uhland, der Herausgeberin des Morgenblattes und andern bekannt machen.

Die Lesegesellschaft nimmt ein sehr großes Lokal von, wie ich glaube, zehn Zimmern ein. Alle möglichen Blätter. Im Morgenblatte steht bis jetzt mein Aufsatz noch nicht. Die Madame Huber (erwähntes Herausgeber-Weibchen) soll eine kuriose Frau sein. Mein genialer Kunstfreund und Geldfeind erzählte mir ein langes, breites und dickes von ihr, konnte sie und sich aber nicht faßlich machen. Ich bemerkte: aus dem, was sie in meinen Aufsätzen für das Morgenbl. gestrichen, scheine sie eine prude zu sein. ,,Ja, ja", erwiderte er, "das ist das rechte Wort, so ist sie." Bei ihr lebt ihre Tochter, die sich von ihrem Manne, einem Sohne des berühmten Herder, der in München angestellt ist, hat scheiden lassen. Ich werde sehen, was an den Weibern ist. Geschiedene Ehefrauen liebe ich sonst sehr.

Über Cotta wird hier stark abgeurteilt. Sie sagen, es sei ein eitler Mensch, der gern Minister sein möchte und sich wirklich der Hoffnung überlassen habe, es zu werden. Erst neulich habe er geäußert: er fände in Stuttgart nicht Spielraum genug, er wolle mit seinem Gelde nach Österreich ziehen. (Er hat anderthalb Millionen und zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Letztere soll nicht schön sein. Das wäre noch besser als mein Buckelchen.)

In Heilbronn (der Weg hierher führt durch) hatte ich ein höchst wundervolles Abenteuer, aber dessen verdrüßliche Folgen mich sehr beunruhigen. Ich bedarf Ihres Rates so sehr als Ihrer Teilnahme, liebe Freundin. Es war 8 Uhr morgens, als ich dort ankam. Mein Mantel war in der Naht fast eine halbe Elle lang durchgerissen, ich ließ mich daher zu einem Schneider führen. Der Mann, etwa ein Funfziger, sieht eher einem Landgeistlichen ähnlich, voller Würde und Milde im Gesicht, Das Wohnzimmer verriet Behaglichkeit. Er hieß mich sitzen, bis die Arbeit fertig sei. "Sie trinken wohl ein Gläschen Kirschwasser", sagte er, "die Nacht war kalt." Ich nahm es an. Darauf rief er die Küche hinab seiner Tochter etwas zu, das wahrscheinlich auf das Frühstück Bezug hatte. Herein trat ein 16jähriges Mädchen, so süß, so himmlisch, so duftend, wie sie wahrlich noch kein Dichter gemalt hat. Die Farbe ihres Kleides kannte ich nicht unterscheiden, denn es dämmerte noch etwas, aber ein schwarzer oder dunkler grüner samtner Mieder, geschlitzt auf altdeutsche Art, stand ihr gar zu lieb. Ihr Haar bedeckte ein gelbes Netze, und durch dessen Maschen waren die Zöpfe auf ganz eigne Weise geflochten. Einen zinnernen Teller mit Flasche, Glas und Brezeln in beiden Händen tragend, trat das Mädchen vor mir hin. Es machte mit niedergeschlagenen Augen einen Knicks und sprach: "Wohl bekomm' es, Herr." "Ich danke, liebes Kind",
sagte ich und wollte zugreifen. Da fiel plötzlich Teller und alles zu Boden. Das Mädchen tat einen fürchterlichen herzzerreißenden Schrei und stürzte mit bleichen Wangen, gebrochnem Auge, wie leblos zur Erde nieder. Sie mochte wohl keine Mutter haben; denn auf das Janmergeschrei eilte sie nicht hinzu. Aber der Vater! Der alte Mann schluchzte wie ein Kind, warf sich an seiner Tochter Seite und krisch, daß sich Holz und Steine hätten erbarmen mögen "O Jesus, Goldkind, was fehlt dir? Was hast du, lieb Käthchen?"...

In diesem Augenblick trat der Postwagenkondukteur herein, der fluchend und brummend mich zur Eile zwang. Ich war entweder bestürzt oder auch schwach genug, an die wenigen Gulden zu denken, die mir die Versäumung des Wagens gekostet haben würde, nahm meinen Mantel und verließ die guten Leute in ihrem Jammer. Aber ich litt unsäglich in der Erinnerung. Des Vormittags 10 Uhr komme ich hier an. Ich konnte aus dem Posthause meine Sachen nicht gleich mitnehmen, weil sie noch nicht ausgepackt waren. Man versprach sie mir ins Wirthaus zu schicken. Eine halbe Stunde später bringt sie mir der Postknecht. Ich bemerkte ihm, daß mein Nachtsack fehle, worauf er mit einem gar sonderbaren Lächleln erwidert, mein Bedienter hätte ihn aufgepackt und stände draußen wartend vor der Türe. Ich erschrak sehr und fürchtete einen Schelmenstreich, ich trete vors Zimmer und finde einen Menschen in einem Mantel und rundem Hute, keuchend mit meinem Sacke belastet. Der Postbediente ging unterdessen weg. Mein Bedienter tritt ein, und - werden Sie mein Erstaunen erraten? - ich erkenne in ihm das Mädchen von Heilbronn. "Um Gottes willen", fragte ich: "was soll das bedeuten?" - "Herr", sagte sie, "ja, ich bin Käthchen von Heilbronn und Eure Magd, und ich will Euch treu bedienen. Ich wußte nicht, sollte ich lachen oder weinen, und ich lachte mit tränenden Augen. "Ja, lacht nur Herr", sagte sie, "ich weiß doch, daß Ihr mich liebt und mich zur Frau nehmen werdet." Ich hieß sie mit geheuchelter Roheit sich fortbegeben...

Sonntag, den 12. Nov.
Abends 9 Uhr
Ich habe Ihren Brief erhalten, himmlische Freundin. Ach, mit Schmerz erfahre ich es, meine Abweseneit hat Sie begeistert. Sie sind aus Lust und Wonne zur Dichterin geworden; so konnten Sie nicht schreiben, da ich bei
Ihnen war. Sie sind die reizendste Närrin auf der Erde, Sie machen die Tollheit ehrwürdig, und man wird das
Klugsein künftig den Dummen überlassen. Ich zitterte, unter Ihren Phantasien zu finden, daß Sie mich lieben,
und war ganz selig, daß Sie das zur Prosa zählen. Ich ließ Ihren Brief im Morgenblatte abdrucken (es ist nicht
ein einziger orthographischer Fehler darin), aber ich bin zu eifersüchtig, irgend etwas, was von Ihnen kömmt, mit
der Welt zu teilen.

Nun zu meinem vollbrachten Tagewerke. Heute morgen, während ich ausgegangen war, ist mein Papa abgereist. Er hat sich aus dem Staube gemacht, aus dem Goldstaube eigentlich, er ließ mich nicht dazu kommen, ein Anleihen bei ihm zu machen. Meinetwegen, ich werde ausreichen. Bei Cotta wäre es fast wie gestern gegangen. Er unterhielt sich mit mir anderthalb Stunden lang, von allem möglichen. Es scheint mir fast, als wolle er mich auskundschaften, wozu ich etwa zu brauchen wäre (nicht von seiten des Geistes, sondern von seiten' des Charakters). Endlich ward ich müde und brachte das Gespräch auf das Ihnen wohlbekannte WägeIchen. Er bat mich, ihm schriftlich den Absatz usw. zu notieren und ihn morgen wieder zu besuchen. Was ich vermutet, war wirklich so. Er will seinen Namen nicht als Verleger herausstellen und sich darum der Tübinger Handlung bedienen. Er müsse sich genieren, sagte er. In Wien hätten sie im vorigen Jahre sogleich erfahren, daß er mir nach Paris geschrieben. (Halten Sie das aber geheim; denn daran war keiner schuld als Ihr Schwätzer in Frankfurt. Es könnte wieder so gehen.) ...

AllerIei Interessantes habe von ihm erfahren. Jean Paul soll der eitelste empfindlichste Mensch von der Welt sein. Im vorigen Jahre war die Frau von Humboldt zugIeich mit Jean Paul bei ihm in Gesellschaft. Jene fragte diesen, wo er wohne. Dieses verstimmte Jean Paul so sehr, daß er den ganzen Abend kein Wort mehr sprach. Ich erinnere mich, daß die Herz, die auch gegenwärtig war, mir das nämliche erzählt hat. Rührt Sie das nicht eher, als daß Sie es lächerlich finden? Voltaire wohnte in einem Dorfe, und ganz Europa wußte, daß dieses Ferney sei. Cotta hat ein Buch von Jean Paul (grammatikalischen Inhalts) verlegt*). Dieses ist im Morgenblatte von Müllner sehr getadelt worden. Darüber hat ihm J. P. heftige Vorwürfe gemacht, daß er dieses als Verleger des Morgenblattes geduldet. Das finde ich nun sehr schwach und lächerlich. Voß ist ebenso. Mit Brockhaus, der seinen Shakespeare verlegt, hat er sich entzweit, weil dieser etwas für Stolberg hat drucken lassen. Also hätte ich doch einen Vorzug vor den größten deutschen Schriftstellern: daß mir kein Tadel wehe tut (der lhrige ausgenommen, weil Sie die Brotherrin meiner Seele sind).

Zu einem gewissen Prokurator Schott führte man ,mich, zu einem der Volksredner bei den Ständen. Er kennt
auch meinen Vater, für den er Advokatengeschäfte führt. Als ich ihm erzählte, ich sei des Herrn Jakob Baruch
Söhnlein, war er sehr erstaunt. Ich sagte ihm, ich führe einen andern Namen, weil ich die Religion meiner Vätern
(ich lasse zu Ihrer Übung zuweilen orthographische Fehler stehen) verlassen habe. Darauf scherzte ich sehr an-
genehm und mannigfaltig über diesen Gegenstand. Schott gibt sieh freundliche Mühe um mich. Er brachte mich
zum Dichter UhIand. Der scheint jünger wie ich. Er sieht ohngefähr aus wie des Dr. Goldschmidt Vetter Student, der neulich bei Ihnen war, nur unbedeutender. In der Unterredung setzte er uns von allem Weine seines Geistes auch kein Gläschen vor. Sie können sich nichts Langweiligeres denken. Als ich mich verabschiedete, sagte ich: "Ich freue mich usw." Das übrige. in den Bart murmelnd. Das Gemurmel war aber nicht etwa: Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, sondern: von Ihnen wegzukommen, Sie "trockner Peter" (so bezeichnete ihn die Herz richtig).

Meine Empfehlung an die Rätin Kaulla habe ich abgegeben, die Frau gefällt mir recht gut. Sie hat ein feines
anständiges Benehmen. "Mein Freund", sagte sie mir, ,,hofft, ich werde Ihnen während Ihres Aufenthaltes
alles mögliche Angenehme erzeugen; in diesem Augenblicke kann ich mich Ihnen nicht gefälliger erweisen, als
wenn ich meine Kusine da bitte, uns etwas zu singen." Das Mädchen, Karoline Kaulla, Tochter des in Hanau
verstorbenen Kommerzienrates, sang, und wahrlich, sie hätte mir das Herz aus der Brust gesungen, wäre eins
darin gewesen, comprenez-vous, Moppel? Schön ist sie aber gar nicht. Als sie fertig war, frug sie zweirnal den
Spiegel, ob sie mir gefiele. Wie gut wäre es für uns und euch, wenn ein Teil der Männer blind wäre, ein anderer
Teil taub und ein dritter blind und taub zugleich; dann fände jedes Mädchen sei Schätzi. Ich erkundigte mich
fein nach erwachsenen Töchtern der Frau Rätin, (Comprenez-vous, Moppel?) aber sie hat keine. Ihre älteste
Tochter ist verheiratet, ihre Buben sind noch klein.

Dr. Schott zeigte mir das Haus, worin die Ständesitzungen gehalten werden. Das ist herrlich eingerichtet, ganz
theatralisch. Wie gern hätte ich mich auf die Rednerbühne gestellt und herabgedonnert: Ihr Minister, ihr
SchlingeI, heißt das Regieren? Warum gebt ihr dem Dr. Börne keine Anstellung mit 12000 fl. Gehalt? Ist das
Volk um eurentwillen da oder um des Dr. Börne willen? Geht mir aus den Augen, Schlingel!

Die Menschen hier gefallen mir sehr, und gar manches zieht mich an. Ich würde gern hierbleiben, aber Sie sind
mein böser grauer Star. Sie würden mir die Sonne selbst verdunkeln, wenn ich ohne Sie darin wohnte.

Um Gottes willen, was fange ich mit Käthchen an? Das Mädchen liebt mich bis zum Wahnsinn. Soll ich sie verlassen, soll ich sie in die rohen Hände der Polizei geben? Sie folgt mir gewiß nach Frankfurt, was werden die Leute dazu sagen? In Heilbronn überhaupt scheint alles toll zu sein, Sie wissen, daß dort berühmte Bleichen sind. Ich kam abends im Dunkeln vor der Stadt an und fuhr an einer solchen Bleiche vorüber Da nahm ich wahr, daß mehrere weißgekleidete Gestalten auf der Wiese, mit Laternen in der Hand, sich hin und her bewegten. Ich fragte den Kondukteur, was hier bei Nacht geschähe, und dieser erzählte mir zu meinem Erstaunen, daß die wardelnden Gestalten junge Frauenzinnmer von Stande wären, die aus der ganzen Umgegend in Heilbronn zusammenkämen, um Sonnerflecken oder sonst einen Fehler der Gesichtsfarbe wegbleichen zu lassen. Da sie sich nun bei Tage den Gaffern nicht bloßgeben wollten, gingen sie, sobald es dunkel würde, auf die Bleiche und blieben dort bis Mitternacht. In Zeit von 8 Tagen würde auf diese Art der häßlichste Teint schön gemacht. Aber schmerzhaft ist die Operation, denn das Gesicht wird dabei mit ätzendem Salzwasser übergossen. Ist das nicht toll und seid ihr wert, daß euch der Teufel holt? So gut habt ihr's aber auch nicht, es holen euch nur Männer.

Die Liberalen hier suchen mich von Cotta abzuziehen. Sie sagen, ein Jounial, das bei Cotta erschiene, habe schon darum einen übeln Ruf. Ich solle mich mit dem Manne nicht einlassen. Es wäre noch keiner mit ihm fertig geworden. Er umschnüre seine Leute und suche sie in Abhängigkeit zu erhalten. Indessen, das kümmert mich nicht. Ich bin so schlimm als er, und er wird Not haben, mit mir fertig zu werden. Wenn wir nur über den Preis einig werden. Fast zweifle ich daran; er versteht sich zu gut auf seinen Vorteil.

In Ludwigsburg werden die Pfannkuchen nur auf einer Seite gebacken. Die erste Erraterin dieses Rätsels bekommt etwas Schönes mitgebracht. Die Auflösung foIgt unten.

Der Wagnermeister, mit dem ich auf dem Postwagen reiste, hat gesagt: "Rechtschaffenheit gibt Religion, aber Religion gibt nicht Rechtschaffenheit." Ist das nicht gut gesagt? Zu meiner Satire über deutsche Postwägen habe ich viel gesammelt. - Der Mystizismus und Pietismus herrscht hier sehr stark. Große Sekten solcher Schwärmer haben sich gebildet. Der Gastwirt, bei dem ich wohne (ein junger Mann), gehört auch dazu. Der Mensch hat sich durch seine Narrheit alle Gäste vertrieben, so daß ich mit nur zwei Personen zu Mittage esse. Abends nach 10 Uhr gibt er keinen Wein mehr. Früher war der "Römische Kaiser" einer der ersten Gasthöfe. Er läßt zum Frühstücke aller Hausbewohner (auch der Fremden) Mürbes in Gestalt eines Kreuzes backen, so daß ich alle Morgen das Kreuz kriege. Ihr sollt auch so ein Kreuz bekommen, ich bringe eins mit.

Montag, den 13. November, Mittag
Ich war wieder bei Cotta. Er meint, es ließe sich gar nicht einrichten, weil der Band schon angefangen habe; ich solle ihm indessen meine Bedingungen schriftlich mitteilen. Dieses habe ich getan, und ich werde morgen die Antwort hören. Allerdings hätte die Übernahme der Wage für den Verleger Schwierigkeiten. Auf jeden Fall wird das C. zum Vorwande, wenn ihm mein Honorar zu hoch ist. Ich habe für zwei Bände jährlich 2000 Gulden gefordert und ein Douceur für meine Kopistin. Anders tue ich es nicht.

Wie es mit meiner Abreise steht, weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich wird sie sich bis Freitag verschieben. Auf keinen Fall schreiben Sie mir ferner, der Brief würde zu spät kommen. - Sind Sie noch immer schön, haben sie nicht verloren seit meine Abwesenheit? Auch im heutigen Morgenblatte steht mein Brief nicht, wahrscheinlich wird er nicht aufgenommen. Ich werde die Frau Huber besuchen, es hat mir einer ihrer hiesigen Bekannten ein Billett an sie zugestellt. - Was macht mein liebes Vieh? Grüßen Sie sämtliches. Auch die Menschen darunter, Dr. Reiß und Stiebel.

Ein Empfehlungsschreiben an den Redakteur der Neckarzeitung, das ich von Frankfurt mitnahm, konnte ich nicht abgeben, da der liebe Mann jetzt einige Stunden weit von hier in der Festung eingesperrt sitzt, wegen Preßvergehen. - Die Boisseréesche Sammlung habe ich noch nicht gesehen; ich ginge gar nicht hin, wenn ich nicht Ihre Vorwürfe fürchtete. Die Kunst, liebe Freundin,... hem... das übrige können sie sich leicht hinzudenken. Ich weiß, daß Sie hierin ganz meiner Ansicht sind. - Soeben fällt der erste Schnee. Jede Flocke ruft mir Ihr geliebtes Bild zurück. Wieso das? Ja, ich weiß es wahrhaftig selbst nicht.

Nicht 1 1/2, 2 Millionen ist Cotta reich, wie ich soeben gehört habe, und wenn er meine Wage übernimmt, muß er es in kurzer Zeit zu 3 Millionen bringen. - Auf heute abend bin ich zum Tee eingeladen bei Prokurator Schott, auf morgen mittag bei Kaulla. Daß diese keinen erwachsenen - Töchter hat, verdirbt mir alle Freude. Wie rosenrot waren meine Hoffnungen.

Auflösung des Rätsels: In Ludwigsburg werden die Pfannkuchen nur auf einer Seite gebacken, denn der Ort hat nur Häuser auf einer Seite, auf der anderen Seite ist ein Lustgarten. Wer hat es zuerst erraten?

Die Gegend um Stuttgart ist herrlich. Hohe Berge umgeben die Stadt, bis an die Gipfel mit Wein und Häuserchen beplanft. Hier möchte ich wohnen. Und so gue Leute!

So artig bin ich, so fein, so superfein hier, und 11/4 breit. Sie glauben es nicht. Die Männer zittern vor mir, die Frauen beten mich an, die jungen Mädchen seufzen. Kann ihnen nicht helfen, bin schon versagt. Man nennt mich nicht anders als den schönen Doktor. Blöeibt mir noch zu mehrerem Platz übrig, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, anbete, verehre und um das Glück beneide, mich zu besitzen. O ja, ich habe noch Raum, Ihnen zu sagen, daß künftig eine ganz neue Einrichtung mit uns getroffen wird. Ich bleibe nicht länger als bis abends 8 Uhr bei Ihnen, dann wird gearbeitet. Ich schreibe alle Woche ein Heft. Rauchen werde ich auch nicht mehr bei Ihnen. Adieu Ihr Vergangener, Gegenwärtiger, Zukünftiger

Dr. Börne, geb. Wohl.

*) Gemeint ist: Ueber die / deutschen Doppelwörter; / eine / grammatische Untersuchung / in / zwölf alten Briefen / und / zwölf neuen Postskripten, / von / Jean Paul. Stuttgart und Tübingen: Cotta 1820.
Die Herausgeber





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