Heine an Karl August Varnhagen von Ense

München, 28. November 1827[?]
Hiernächst sah ich auf der ganzen Reise niemand, außer
Menzel in Studtgard. Die edlen Sänger dort hab ich nicht gesehn. Menzels Buch über Literatur*) hat viel Schönes. Die Stellen über Goethe habe ich nicht ohne Schmerzen lesen können. ich möchte sie für keinen Preis geschrieben haben. Wo denken Sie hin, lieber Varnhagen, Ich, Ich gegen Goethe schreiben! Wenn die Sterne am Himmel mir feindlich werden, darf ich sie deßhalb schon für bloße Irnichter erklären? Ueberhaupt ist es Dummheit gegen MÄnner zu sprechen, die wirklich groß sind, selbst wenn man Wahres sagen könnte. Der jetzige Gegensatz der Goethischen Denkweise, nemlich die deutsche Nazionalbeschränktheit und der seichte Pietismus, sind mir ja am fatalsten. Deßhalb muß ich bey dem großen Heiden aushalten, quand même - wahrscheinlich lasse ich im dritten Theil der Reisebilder wieder eine Batterie gegen das Pustkuchenthum losfeuren. Gehöre ich auch zu den Unzufriedenen, so werde ich doch nie zu den Rebellen übergehen.



*) Die deutsche Literatur, 1828.




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