Scardanelli [Friedrich Hölderlin]

Das Angenehme dieser Welt...
Das angenehme dieser Welt hab ich genossen,
Der Jugend Freuden sind wie lang! Wie lang! verflossen.
April und Mai und Junius sind ferne,
Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne.
 
Der Winter
Wenn bleicher Schnee verschönert die Gefilde
Und hoher Glanz auf weiter Ebne blinkt,
So reizt der Sommer fern und milde
Naht sich der Frühling oft, indess die Stunde sinkt.
 
Die prächtige Erscheinung ist, die Luft ist feiner,
Der Wald ist hell, es geht der Menschen keiner
Auf Straßen, die zu sehr entlegen sind, die Stille machet
Erhabenheit, wie dennoch Alles lachet!
 
Der Frühling scheinet nicht mir Blüthenschimmer
Den Menschen so gefallend, aber Sterne
Sind an dem Himmel hell, man siehet gerne
Den Himmel fern, das ändert fast sich nimmer.
 
Die Ströme sind wie Ebnen, die Gebilde
Sind auch zerstreut erscheinender, die Milde
Des Lebens dauert fort, der Städte Breite
Erscheint besonders gut auf ungemessner Weite.
 
Die Aussicht
Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben,
Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben,
Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde,
Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde.
Daß die Natur ergänzt das Bild der Zeiten,
Daß Sie verweilt, sie schnell vorübergleiten,
Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet
Den Menschen dann, wie Bäume Blüth' umkränzet.

Mit Unterthänigkeit
D. 14 Mai
1748 Skardanelli.

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