1. Schrift Bilder Bild Schrift
[1993]
2. weißes quadrat darin weißes
quadrat [1994]
3. Stuttgart - Tokyo und zurück
4. Fußnote zu einer poetischen
Korrespondenz [1995]
1. Schrift Bilder Bild Schrift [Galerie
Buch Julius, 1993]
Wie Leipzig eine Seestadt, ist Stuttgart
der Möchtegernpartner der Welt, mit Partnerstädten in Indien,
der Tschechischen Republik, in Wales, Ägypten, Polen, Tunesien, Rußland,
England, Frankreich und den USA. Es ist dies eine Weltläufigkeit,
von der in Stuttgart wenig zu merken ist. [Wir haben schließlich
andere Probleme!] Erst recht bleibt in Stuttgart unbemerkt, was es
historisch und aktuell an wirklichen internationalen Partnerschaften gegeben
hat und gibt.
Von einer dieser Partnerschaften ist im
Folgenden die Rede, einer mir auch persönlich wichtigen Partnerschaft
zwischen Stuttgart und Japan, einem kulturellen Dialog seit über dreißig
Jahren: literarisch, in der bildenden Kunst und im Bereiche der Wissenschaft.
Von der Musik rede ich nicht, obwohl auch hier Einschlägiges durchaus
anzumerken wäre. Und ich konzentriere mich zunächst auf die Ausstellung
"Schrift Bilder Bild Schrift" [1993], die diesen Dialog dokumentieren soll,
wobei ich im Vorbeigehen erwähne, daß einer der Aussteller seit
Jahren zu den Künstlern der Stuttgarter Galerie Folkmar von Kolczynski
gehört, andere bereits in den 60er Jahren in der von Max Bense geleiteten
legendären Studiengalerie der damals noch Technischen Hochschule Stuttgart
ausgestellt, in der von Elisabeth Walther und Bense herausgegebenen Reihe
"rot", der von Hansjörg Mayer edierten "futura"-Folge publiziert haben,
ein weiterer zum wissenschaftlichen Beirat der von Max Bense, Gérard
Deledalle und Elisabeth Walther begründeten "Internationalen Zeitschrift
für Semiotik und Ästhetik", "Semiosis", gehört. Nicht unerwähnt
soll schließlich bleiben, daß Wil Frenken 1980 in seiner "Werkstatt
Breitenbrunn" ebenfalls japanische Konkrete präsentiert hatte, daß
sich in seinem eigenen Werk einschlägige Affinitäten ausmachen
lassen, was in dieser Ausstellung durch zwei Exponate wenigstens angedeutet
ist.
Damit wäre ich denn auch bei der
Ausstellung "Schrift Bilder Bild Schrift" angekommen, die vor allem zweierlei
leisten möchte. Zunächst will sie natürlich und vor allem
einen Eindruck vermitteln von dem, was in der aktuellen japanischen Kunst
zwischen Schriftzeichen und Bild, zwischen Typographie und Schrift getrieben
wird. Hier fächert sie bis zu den Grenzen, an denen seit längerem
die Probleme konkreter und visueller Poesie diskutiert werden. Das ist
z.B. die Grenze zur concept art einerseits, an der ich die Arbeiten von
Shohachiro Takahashi sehe. Das ist andererseits die Grenze zur traditionellen
Sho-Kunst, an der ich z.B. die Arbeiten von Kyuyo Kajino und Kei Suzuki
lese. Interessant war uns aber beim Aufbau der Ausstellung auch die technische
Breite, in der die Künstler ihre Probleme diskutieren, angefangen
mit der traditionelen Pinselschrift über die Collage, das Foto, die
Fotocollage (Motoyuki Ito; Noboru Izumi), verschiedene Drucktechniken (etwa
bei Ryojiro Yamanaka) bis hin zu den mit dem Computer erstellten Arbeiten
Shoji Yoshizawas: dem anspielungsreichen (auch sprachspielerischen) "Water"-Zyklus.
Auf Anspielungen wird der Betrachter überhaupt
achten müssen, z.B. bei der "Performance of Greece" Takahashis, deren
scheinbar simple Kleiderbügel-Umrisse ihre europäische Entsprechung
haben in Man Rays Obstruction 1920<, vor allem aber in Robert Fillous
poetischem Objekt "I comme dans poisson 1961", wobei ich daran erinnere,
daß Fillou in einem zenbuddhistischen Kloster gestorben ist. In diesem
angedeuteten Kontext verfolgt die Performance Takahashis den Weg von den
noch ungeordneten Wörtern (= words) auf den Seiten (= pages)
zur Poesie (= poetry), die selbst ausgespart bleibt.
Auf eines der berühmtesten europäischen
Gedichte spielen (mit einer grafischen Entsprechung) die 5 Fahnen Shutaro
Mukais an, auf Rimbauds Sonett "Voyelles" [Vokale], dessen erste Zeile
bekanntlich lautet: A noir, E blanc, I rouge, U vert, O bleu: voyelles.
Allerdings stellt Mukai nicht nur die Reihenfolge der Vokale um, sondern
weist dem E auch eine andere Farbe zu, was natürlich interpretatorisch
ebenso von Bedeutung ist wie der Titel der zugehörigen Grafik: "Genesis
and metamorphosis of sound images".
Andere Arbeiten zeigen andere Vielschichtigkeiten,
vor allem auch sprachlicher Art, z.B. die Triptycha Berg / Weiß
/ Stimme von Kajino, oder Hiroo Kamimuras Himmel / Wolken / Zen,
die sich als eine Art Mini-Haiku lesen lassen, Denn die auf ihnen zu lesenden
Wörter sind mehrdeutig, z.B. der Text Himmel:
aoaotoWörtlich übersetzt ist ao = blau, aoaoto = ganz blau, sora = Himmel; somaru = sich färben; lautet der Text also:
aoaoto sora
aoaoto somaru.
ganz blauAber das Kanji für sora bedeutet auch: Nichts, Leere, Vergänglichkeit, Begriffe also, die im Denken des Zen eine zentrale Rolle spielen. Und der Kenner wird sich vielleicht zusätzlich an die berühmte Sho-Arbeit "Yün ch'ü-lai" (japanisch: Un kyroai) des zen-buddhistischen Mönchs Wu-an P'u-ning (japanisch: Gottan Funai) erinnern: Wolken gehen und kommen.
ganz blau der Himmel
färbt sich ganz blau.
Den Schritt verhaltend
im raschelnden Laub, schwarze
Kiefernadelschrift
in grauen Himmel geritzt:
Wolken gehen und kommen.
[Reinhard]
Den von von der Kiefer-
nadel gefallenen Tau
kann ich nicht finden,
weil ringsum mit Schnee bedeckt
das Land und alles weiß ist.
[Syun]
Im Wintermondlicht
gleiten die scharfen Nadel-
schatten der Kiefer
leicht über die Fußstapfen
des trunkenen Heimkehrers.
[Reinhard]
Heimkehrer kommen
auf dem Bahnsteig und gehen.
Ein betrunkener
Dichter liegt auf einer Bank
von einem Frühling träumend.
[Syun]
Von Frühlingsblumen
singt betrunken der Dichter
und weißen Sternen.
Gegen die Kälte der Nacht
hüllt der Mantel aus Schnee.
[Reinhard]
Es handelt sich nicht
um die Kälte dieser Nacht.
Geistiger Hunger,
der plötzlich in ihm aufsteigt,
läßt ihn weinen und zittern.
[Syun]
Ein Hungerleider,
mit der Spitze des Pinsels
schreibt er Nichts, Leere.
Absichtslosigkeit, schreibt er,
folgend der Spur der Wolken.
[Reinhard]
Absichtslosigkeit
in Ruhe hat einen Nabel:
leaves leave in
spring and leave in autumn.
Nichts schöner als das Leben!
[Syun]
Gestern noch hat es
geregnet, heute morgen,
mit Sonnenaufgang
reibe ich die Tusche an,
den Frühling zu begrüßen.
[Reinhard]
Von außen herein-
geflogene Kirschblüten
auf meiner Tinte.
Ich konnte nicht anreiben,
ich konnte nur anschauen.
[Syun]
Wieder heimgekehrt,
lese ich von Kirschblüten.Mit den Tropfen des
Regens reibe ich Tinte,
dieses Tanka zu schreiben.
[Reinhard]
Nur in kurzem Traum
blühen die Frühlingsblumen.
Nur einen Augen-
blick und man sieht die Wiese
schon bereift wie im Winter.
[Syun]
Vor ein paar Tagen
brach plötzlich der Sommer aus.
Wo blieb der Frühling
in diesem Jahr, wo blieben
die Apfelblüten im Garten.
[Reinhard]
Wer hat nur diesen
schmalen Gang durch den Apfel-
garten angelegt?
Dein Wort ist mir am schönsten,
daraus kommt meine Liebe.
[Syun]
Wie weiß waren die2. weißes quadrat darin weißes quadrat [Stadtbücherei im Wilhelmspalais, 1994]
Blüten in diesem Frühjahr,
und wie klein sind noch
die Äpfel. Behutsam will
ich sie pflücken, wenn Herbst ist
[Reinhard]
shiroi shikakuDas Wort shikaku läßt sich mit Viereck, aber auch mit Quadrat wiedergeben. Ich entscheide mich für letzteres und übersetze:
no naka
no shiroi shikaku
no naka
no kuroi shikaku
no naka
no kuroi shikaku
no naka
no kiiroi shikaku
no naka
no kiiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
:
shiro
nonaka no shiro
nonaka no kuro
nonaka no kuro
nonaka no kiiro
nonaka no kiiro
nonaka no shiro
nonaka no shiro
:
no
no sankaku
no hige
no
garas
shiro
no sankaku
no uma
no
parasoru
kuro
no sankaku
no tabako
no
birudingu
kiiro
no sankaku
no hoshi
no
hankachiifu
:
shiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
no naka
no shiroi shikaku
weißes quadratDieses Gedicht wird in Emmett Williams berühmter "Anthology of Concrete Poetry" als erstes konkretes Gedicht Japans bezeichnet. Wie immer dem sei, mit ihm betritt Kitasono die internationale konkrete Bühne. Denn entweder der brasilianische Dichter und Komponist L.C. Vinholes, der damals Kultur-Attaché an der brasilianischen Botschaft in Tokio war, oder der Dichter Haroldo de Campos übersetzen dieses Gedicht ins Portugiesische, und Haroldo de Campos publiziert und kommentiert es mit den Worten, Looking at this poem, I remember Malevich's "White on White" painting and Albers' "Homage to the Square" series. With some hints (part 3) of a very peculiar Japanese kind of visual surrealism. Campos hätte sogar direkt auf die verblüffende Gleichzeitigkeit von Kitasonos Text und Albers' "Huldigung an das Quadrat" von 1957, heute im Carnegie Institute, Pittsburgh/Pennsylvania, verweisen können. Die ersten internationalen Kontakte der japanischen konkreten Poesie weisen also nach Brasilien, verknüpfen sich mit der Noigandres-Gruppe und wirken über sie weiter.
darin
weißes quadrat
darin
gelbes quadrat
darin
gelbes quadrat
darin
schwarzes quadrat
darin
schwarzes quadrat
darin
weißes quadrat
darin
weißes quadrat
:
weiß darin das weiß
darin das gelb
darin das gelb
darin das schwarz
darin das schwarz
darin das weiß
darin das weiß
:
weißes quadrat
darin
weißes quadrat
darin
weißes quadrat
darin
weißes quadrat
darin
weißes quadrat.
3. Stuttgart - Tokyo und zurück
[Stadtbücherei im Wilhelmspalais, 1994]
Die Anfänge dieses Dialoges sind
auf der Hochschule für Gestaltung in Ulm auszumachen, also im Umfeld
von Max Bill und Eugen Gomringer (der damals Sekretär Max Bills war).
An dieser Hochschule unterrichtete auch Max Bense. Sie war der Ort, über
den erstmals im deutschsprachigen Raum Arbeiten und Künstler der brasilianischen
Noigrandres-Gruppe bekannt wurden, einem der Stuttgarter Gruppe um Max
Bense, dem Spatialismus Pierre Garniers vergleichbares brasilianischen
Unternehmen. An dieser Hochschule studierte aber auch Shutaro Mukai, der
heute zum wissenschaftliche Beirat der Zeitschrift "Semiosis" gehört.
Neben Ubersetzungen Hiroo Kamimuras sind es vor allem Arbeiten Mukais,
die Benses exakte Ästhetik und Benses Zeichentheorie in Japan bekannt
machten, nicht zuletzt in dem 1982 in Tokyo erschienenen Aufsatzband "Kunst
als Zeichen".
Über Haroldo de Campos, der Ende
der 50er Jahre Ulm und 1964 Stuttgart besuchte, über die Noigandres-Gruppe
und ihre Beziehungen zu Stuttgart hat Elisabeth Walther an anderer Stelle
veröffentlicht ["Die Beziehung von Haroldo de Campos zur deutschen
konkreten Poesie, insbesondere zu Max Bense"], das muß nicht wiederholt
werden. Eine Kleinigkeit jedoch möchte ich ergänzen, die zu meinem
Thema gehört. Haroldo de Campos verdanke zumindestens ich die Kenntnis
eines wichtigen Essays: Ernest Fenelosa's "Das chinesische Schriftzeichen
als poetisches Medium". Dieser Essay war 1920 von Ezra Pound herausgegeben
worden und fast in Vergessenheit geraten, bis L.C. Vinholes ihn den Brasilianern
bekannt machte und er auf diesem Wege in die internationale Diskussion
um die konkrete Poesie eingeführt wurde. Ein Essay, hier so wichtig
wie Worringers "Abstraktion und Einfühlung" für die Entwicklung
der modernen Malerei.
Der in den USA geborene Fenelosa, Professor
an verschiedenen japanischen Universitäten, u.a. der Kunstakademie
Tokyos, ist in Japan mehrfach ausgezeichnet worden. Als sein Standardwerk
gilt heute eine zweibändige Geschichte der chinesischen und japanischen
Kunst. Hier interessiert er jedoch ausschließlich wegen des genannten
Essays, mit dem er der konkreten Poesie das japanische Virus einimpfte
in einer Artenvielfalt, die einmal einer gründlicheren Untersuchung
bedürfte.
Außer der Hochschule für Gestaltung
in Ulm für das Verhältnis Stuttgart-Japan von einleitender Bedeutung
sind ferner zwei Ausstellungen. Das ist zunächst die Darmstädter
Ausstellung "Sinn und Zeichen. Kalligraphien japanischer Meister" aus dem
Jahre 1962, die in Deutschland erstmals mit radikal moderner Sho-Kunst
bekannt machte, dann die 1963 von Amsterdam nach Baden-Baden gewanderte
Ausstellung "Schrift und Bild".
Wann sich die ersten direkten Kontakte
zwischen Stuttgart und Japan angesponnen haben, konnte ich genau nicht
herausfinden. Mit Sicherheit waren, nachdem 1961 noch ausschließlich
Arbeiten der "Noigrandres"-Gruppe in Tokyo gezeigt wurden, 1964 auf der
Ausstellung "poema concreta / konkrete poesie", die vom Sogetsu Kunstzentrum
unter Mitarbeit der brasilianischen Botschaft und des deutschen Kulturinstituts
veranstaltet wurde, neben japanischen und brasilianischen auch Arbeiten
von Pierre Garnier aus Paris und aus Stuttgart von Elisabeth Walther, Max
Bense, Helmut Heißenbüttel und mir gezeigt wurden. Spätestens
seit dieser Zeit datieren auch immer intensivere persönliche Kontakte,
zunächst zur "ASA"-Gruppe um Seichii Niikuni, nach seinem Tode zur
"Shi Shi"-Gruppe. Kontakte, die neben einer umfassenderen Korrespondenz
vor allem einen Schriftenaustausch einschließen. Wie intensiv letzterer
war, belegt der Nachlaß Niikunis in der Bibliothek der Kunstakademie
Tokyo, der Arbeiten der Ulmer Hochschule für Gestaltung und der Stuttgarter
Schule/Gruppe in einer Vollständigkeit umfaßt, die wir hier
wahrscheinlich nicht mehr zusammenbrächten.
Von Marbach rede ich gar nicht erst, wohl
aber davon, daß neben den gemeinsamen Arbeiten von Garnier und Niikuni
jetzt weitere gemeinsame bzw. dialogische Arbeiten entstehen, so von Hiroo
Kamimura und mir. Hiroo Kamimura hat 1966/67 ein Studienjahr in Stuttgart
an der damals noch Technischen Hochschule, aber auch im Umkreis Max Benses
verbracht. Ein Gästebucheintrag von ihm ist auch die erste nachweisbare
japanische Spur dieses Dialogs in Stuttgart. Einige seiner damals entstandenen
konkreten Gedichte, "5 Vokaltexte", erschienen 1967 in der inzwischen legendären
Reihe "futura", die Hansjörg Mayer herausgab. Ich habe diese Gedichte
damals fortgesetzt, wie wir das nannten, zu "laut. gedichte nach
dem japanischen des hiroo kamimura", und diese Fortsetzungen in
das Projekt "wie man so sagt / wie man so liest / wie man so hört"
eingerückt. Ich beschränke mich auf das zwei Beispiele:
1. Hiroo Kamimura:
akaReinhard Döhl:
akaza
akagawa
akadama
akabara
akabana
akahara
akahada
akahata
aa amatana
aka
akaga
akaaka
akaza2. Hiroo Kamimura:
abra ka dabra
akaza
abra ka dabra
akaza
abra ka dabra
akaza
abra ka dabra
akaza
abra ka dabra
akaza
abra ka dabra
akababara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akabara
abra ka dabra
akahata
abrakadabra
akahata
abrakadabra
akahata
abrakadabra
akahata
abrakadabra
akahata
abrakadabra
akahata
abrakadabra
akaza
kuReinhard Döhl:
umu ku
uzuku ku
tsuzuku ku
uuuuuuuuuuuuu
kuDiese "laut. gedichte nach dem japanischen des hiroo kamimura" waren eine erste dialogische Arbeit, der weitere mit Kamimura, dann mit dem Sho-Meister Kei und dem Schrifsteller und Ubersetzer Syun Suzuki folgen sollten. Ich komme darauf noch einmal zurück und fahre zunächst in der Chronologie fort. 1970 veranstaltet die "ASA"-Gruppe eine umfassende "Exhibition of contemporary concrete poetry", bei der sich zu den schon genannten Stuttgartern jetzt auch Hansjörg Mayer gesellt und auf japanischer Seite neben Niikuni noch Shohachiro Takahashi und Shoji Yoshizawa hinzukommen.
klux
ku
klux
ku
klux
ku
klux
ku
klux
ku
klux
ku ku
klux
ku ku
klux
ku ku
klux
ku ku
klux
ku ku
klux
ku ku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku
klux
uzuku ku
klux
uzuku ku
klux
uzuku ku
klux
uzuku ku
klux
uzuku ku
klux
uzuku ku
klux
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku ku
klux klan
tsuzuku
klux
uzuku
klux
kuk
kuck
4. Fußnote zu einer poetischen
Korrespondenz [Treffpunkt Rotebühlplatz, 1995]
Als im Frühjahr 1995 die Poetische
Korrespondenz "Auf der nämlichen Erde" geplant wurde, ging es
nicht um eine Transplantation des japanischen tanka und seiner Großform,
des renga. Beide sind in ihrer Entstehung, Ausformung und Wirkung
an die Struktur der japanischen Sprache, ästhetische Vorstellungen
und kulturelle Ansprüche Japans gebunden und schon deshalb nicht übertragbar.
Was bei westlichen Versuchen, den Tee-Weg, Sho-Kunst, Ikebana, die
Gedichtformen und Varianten des tanka oder haiku zu übertragen,
herauskommt, selbst wenn dies unter Anleitung von Meistern geschieht,
ist in der Regel Imitation und im Grunde ästhetisch unfruchtbar. Jahrhundertealte
sprachliche und ästhetische Traditionen einer Kultur lassen sich nicht,
ohne ihres Wesens verlustig zu gehen, in andere Kulturen umpflanzen, es
sei denn, sie gewinnen in der Berührung mit der fremden Kultur ein
neues Eigenleben, können eigenständige neue Formen und Traditionen
ausprägen.
Damit ist das Problem bezeichnet, vor
dem die Poetische Korrespondenz "Auf der nämlichen Erde" auch
gelesen werden muß, ihr Verhältnis zu Form, Gattung und Tradition
des renga genannten japanischen Kettengedichts, die deshalb zunächst
skizziert werden müssen.
Ein renga setzt sich aus einer
Folge von tankas zusammen, die nach bestimmten Regeln geschrieben
sind. Formal besteht ein tanka oder waka aus einer Abfolge
von 5 / 7 / 5 / 7 / 7 Silben, was die möglichen Inhalte sehr einzuschränken
scheint. Tatsächlich hat man aber das waka als eine Gedicht-Kunst
zu betrachten, die verhältnismäßig stark den semantischen
und nicht so sehr den syntaktischen Aspekt der Sprache betont, in hohem
Maße durch diesen bedingt ist und ihn bis zur äußersten
Grenze des Möglichen erschließt.
Die möglichen Techniken, von denen
der Dichter dabei Gebrauch machen kann, müssen hier nicht beschrieben
werden, da sie die Stuttgarter Poetische Korrespondenz kaum betreffen.
Von Bedeutung ist dagegen die recht frühe Entdeckung, daß sich
das fünfzeilige tanka oder waka auch von zwei Dichtern
verfassen läßt. Dabei schreibt ein erster die ersten drei Zeilen
aus 5 / 7 / 5 Silben als Ober- bzw. Anfangsstrophe (kami-no-ku bzw.
hokku), auf die ein zweiter mit der Unter- bzw. Schlußstrophe
(shimo-no-ku bzw. matsu-no-ku) zu 7 / 7 Silben antwortet.
Ein solches gemeinsam geschriebenes tanka bzw. waka wird
tan-renga, Kurzketten-, gelegentlich auch Antwortgedicht genannt.
In der höfischen Geselligkeit des
alten Japan entwickelte sich daraus alsbald eine Art Spiel. Ein Teilnehmer
einer Gesellschaft improvisierte die ersten 3 Zeilen, ein zweiter nahm
sie auf und schloß das tanka bzw. waka. Ein dritter
formulierte erneut drei einleitende Zeilen, die ein vierter abschloß
undsoweiter, wobei darauf zu achten war, daß die tankas bzw.
wakas sinnvoll aneinander anschlossen. Solche haikai-renga (Scherz-Kettengedichte)
waren vor allem in der heian-Periode als gesellschaftlich poetisches
Spiel sehr beliebt.
Erst im 14. Jahrhundert entwickelte sich
dann auch eine ernsthafte Variante der renga-Dichtung, die als Gattung
mit festen Regeln anerkannt wurde, wobei zunächst die hundertgliedrige
Kette dominierte, der sich später der sechsunddreißiggliedrige
kasen zugesellte.
Grundlegend sei, faßt Eduard
Klopfenstein die Bedingungen zusammen, daß wichtige Motive wie Mond,
Kirschblüten oder Liebe in bestimmten Abständen wiederkehren
sollten und daß Anspielungen an die Jahreszeiten eingefügt werden
mußten. Auch sollte ein ständiges Weiterschreiten stattfinden,
indem man nur auf das letzte und nicht auf weiter zurückliegende Glieder
Bezug nehmen durfte. Gleiche oder ähnliche Motive konnten also nur
nach einer beträchtlichen Zahl von Zwischenstufen wieder vorkommen.
Sinn dieser Regeln sei es offenbar gewesen, dem ganzen langen Gebilde eine
gewisse Ordnung und Struktur zu geben, also die Gefahr einer willkürlichen
Aneinanderreihung zu vermeiden und eine allzu aufdringliche thematische
Eintönigkeit, eine Häufung von verwandten Bildern und Assoziationen,
wie sie die damalige Tanka-Tradition bereit hielt, auszuschließen.
Da ohne Bedeutung für die Stuttgarter
Poetische Korrespondenz, kann eine Skizze der Höhen und Tiefen,
der klassischen und manieristischen Phasen der renga-Dichtung bis
ins ausgehende 19. Jahrhundert entfallen. Damals disqualifizierte Shiki
Masaoka im Rahmen seiner Versuche, das waka und haiku zu
erneuern, das renga so nachdrücklich, daß es in der japanischen
Literatur bis weit ins 20. Jahrhundert praktisch keine Rolle mehr spielte.
Überraschenderweise fanden Wiederbelebungsversuche
dieser altehrwürdigen Gattung dann fast gleichzeitig sowohl im Westen
wie im Osten statt. 1969 setzten sich in Paris der experimentierfreudige
Mexikaner Octavio Paz, von dem auch der Plan stammte, der Italiener Edoardo
Sanguineti, der Engländer Charles Tomlinson und der Franzose Jacques
Roubaud, der das Programm entwarf, zu gemeinsamem Dichten zusammen. Dieses
Experiment, dessen Ergebnisse 1971 selbständig in Paris erschienen
und 1983 in der Übersetzung durch Eugen Helmlé auch in den
Akzenten veröffentlicht wurden, war schon formal ein Kuriosum,
weil die Beteiligten die 5zeilige japanische waka-Strophe durch
das 4strophige europäische Sonett ersetzten, das sie nach einem vorgegebenen
Permutationssystem füllten. Hier mußte bereits die europäische
Gedichtform mit ihren spezifischen Bedingungen den Plan Octavio Paz' unterlaufen,
eine alte, fernöstliche literarische Form nach Europa zu verpflanzen,
sie neu zu beleben. Hinzu kam, daß schon während der
Verpflanzung [...] die literarischen und mythologischen Phantome des Abendlandes
auftauchten. Dennoch war dieses Unterfangen, ein Renga zu schreiben,
ohne den Gewinn von Jahrhunderten buddhistischer Selbstverleugnung hinter
sich zu haben, dieses Experiment, das Tomlinson auf den ersten Blick
bereits ein anfechtbares Abenteuer schien, von historischer Bedeutung,
denn es markierte den Beginn weiterer Versuche.
Etwa gleichzeitig wurden auch in Japan
Schritte unternommen, das renga, zunächst in seiner klassischen
Form, zu erneuern. Von diesen formkonservativen Versuchen setzte sich der
Dichter- und Freundeskreis um die Literaturzeitschrift kai ab, der,
von Makato Ooka angeregt, zwischen 1971 und 1977 unterschiedlich erfolgreich
mit renga-Dichtungen auf der Basis moderner Lyrik experimentierte.
Die kai-Gruppe war es auch, die den traditionellen Gattungsnamen
durch den neugeprägten Begriff renshi ersetzte, wobei shi
die formal ungebundene Lyrik im westlichen Stil bezeichnet.
Angeregt durch diese Experimente wurde
Makato Ooka in der Folgezeit so etwas wie der Motor bei den Erneuerungsbemühungen
um die renga-Dichtung, denn bei den meisten Versuchen der 80er Jahre
trifft man auch auf seinen Namen.
1982 schrieb und veröffentlichte
er zusammen mit dem Amerikaner Thomas Fitzsimmons das Kettengedicht "Rocking
Mirror Daybreak".
Im Juni 1985 dichteten Ooka und der ebenfalls
der kai-Gruppe zugehörende Hiroshi Kawasaki zusammen mit Karin
Kiwus und Guntram Vesper im Rahmen des "3. [Berliner] Festivals der Weltkulturen"
ein renshi, bei dessen Zustandekommen Taeko Matsushita und Eduard
Klopfenstein als Übersetzer mitarbeiteten.
Ferner hat Ooka mitgewirkt an einem renshi,
das beim Dichtertreffen "Poetry International '85" in Rotterdam Autoren
aus Europa, Südamerika und Japan an einen Tisch brachte.
Es ist wichtig, zu sehen, daß es
bei diesen Versuchen der renga-Erneuerung bzw. Adaption nicht um
die Übernahme und Wiederbelebung einer Form und ihrer traditionellen
Regeln ging, sondern um die Suche nach Entsprechungen. Ich stelle,
formulierte Octavio Paz den westlichen Standpunkt, zwei Arten von Affinitäten
fest: die erste ist das kombinatorische Element, das das Renga beherrscht,
ein Element, das mit einem der Hauptanliegen des modernen Denkens koinzidiert,
von den logischen Spekulationen bis hin zu den künstlerischen Experimenten;
die zweite, der kollektive Charakter des Spiels, entspricht der augenblicklichen
Krise vom Begriff des Autors und dem Streben nach einer kollektiven Dichtung.
Das aber wies zurück, machte wieder
aufmerksam auf vergleichbare Ansätze der Surrealisten wie allgemein
der Kulturrevolution zu Beginn des Jahrhunderts. So zielte denn auch Makato
Ooka in seinem übergreifenden ostwestlichen Ansatz genau auf diese
Wurzeln mit der Begründung, daß die Ismen je von ihren Standpunkten,
Ansprüchen und methodischen Ansätzen her bestätigt hätten,
daß der seit dem frühen 19. Jahrhundert herrschende Ich-Kult
am Rande des Bankerotts angelangt war. Daß sich die Künstler
deshalb abgemüht hätten auf der Suche nach etwas, das an seine
Stelle treten könne. Das brennende Interesse am Traum und am
kollektiven Unbewußten, die Entdeckung neuer künstlerischer
Techniken wie die des papier collé, der Collage oder der Objektkunst,
das unsichere Tasten nach einer kollektivistischen Kunsttheorie und Klassengesellschaft,
die Darstellung der existentialistischen Ich-Demontage, das auflebende
Interesse an Mythologie und Kulturanthropologie, - all dies, ist Makato
Ooka überzeugt, sei unzweifelhaft der Ausdruck einer solchen Suche
gewesen.
In der heutigen Welt nun der Hochtechnologie
einerseits, die versessen sei auf das Vermessen der Wirklichkeit
und die Vorausberechnung der Zukunft, der unerwarteten kriegerischen
Zusammenstöße und plötzliche[n] Katastrophen
andererseits, müsse man mit anderen Mitteln erneut menschliche
Begegnungen herbeizuführen versuchen, müsse man Wege zu
einer wechselseitigen Verständigung ausfindig machen, die an die Stelle
der Ichbezogenheit treten könnten.
Das sei mit der Grund, warum heute
die literarische Gemeinschaftsproduktion [und nicht nur die, R.D.]
als eine Gelegenheit des nichtquantifizierbaren, freien, kreativen Austauschs
neuen Sinn erhalte und neu bewertet werden müsse. Es gehe,
wenn man so wolle, auch um eine Wiederentdeckung der Welt des Homo ludens,
der ja kreative Impulse und spielerischen Geist untrennbar in sich vereinige.
Innerhalb solcher Überlegungen hat
auch die anläßlich des Stuttgarter Japan Festivals entstandene
Poetische Korrespondenz ihren Platz, ist ihr, nicht wegen seiner
ästhetischen Qualität, über die man streiten kann, sondern
wegen seiner Aussage ein waka Onoe Saishûs als Motto vorangestellt
worden:
Auf der nämlichen ErdeDie Frage, warum im Umfeld der recht intensiven künstlerischen Wechselbeziehungen zwischen Stuttgart, Paris und Japan, zwischen Pierre Garnier und Seiichi Niikuni oder Hiroo Kamimura und mir, zwischen Stuttgart, Paris und Prag, zwischen Bohumila Grögerová, Josef Hiršal, Ilse und Pierre Garnier, Yüksel Pazarkaya und mir seit den 60er Jahren die Idee eines gemeinsamen Kettengedichts zunächst nicht diskutiert wurde, beantwortet sich vor allem wohl aus der internationalen Ausrichtung der konkreten Poesie, die den Dialog in den unterschiedlichsten Formen von vornherein einschloß. Entsprechend stehen alle Autoren der vorliegenden Poetischen Korrespondenz mit Ausnahme Syun Suzukis, der durch die Vermittlung Hiroo Kamimuras erst später dazustieß, seit den 6Oer Jahren in einem z.T. regen künstlerischen Dialog, der gemeinsames Übersetzen und Schreiben, gemeinsame bildkünstlerische Arbeiten und mail art, gemeinsame Projekte (wie in letzter Zeit das Mallarmé-, das Chlebnikov- oder das ELS-Projekt) u.a. umfaßt.
stehen die nämlichen Bäume zusammen.
Und auch am heutigen Tag
schlagen die nämlichen Blätter
raschelnd zusammen.
[1. Galerie Buch Julius, 1993, 2./3. Stadtbücherei im Wilhelmspalais, 1994, 4. Treffpunkt Rotebühlplatz, 1995. - 1996 fand in Tokyo ein Treffen von Reinhard Döhl, Hiroo Kamimura, Syun Suzuki mit Makato Ooka statt, das in der Zeitschrift "Kahen", Vol 135, S. 1-8 dokumentiert ist. - 1996 kam es an der Kansai-Universität zu einem Renku-Treffen von Stephen Gibbs, Hiroyuki Inui (Sabaki Dairi), Scott Johnson, Hiroo Kamimura, Iwao Morosawa (Teishu ken Shuhitsu), Tetsuo Saeki, Yukio Sakamoto (Sabaki Dairi), Detlev F. Schauwecker, Syun Suzuki und Reinhard Döhl (Kyoku), dessen Ergebnis u.d.T. "Gäste von weither" von der Kansai-Press, Osaka, in Buchform publiziert wurde.]