Briefe
Teurer Bruder!
lch lebe jetzt in Stuttgart, im Hause meines innigen Freundes Professors Schwab, und meiner innigen Freundin, dessen Gemahlin. Vielbereichert an schönen Erfahrungcn über den wahren Menschenwert, reicher an manchem Freunde und an Lebensmut und an Selbstvertrauen bin ich geworden seit unserer Trennung.
Bruder! ich habe eine poetische Wallfahrt gemacht
zu Uhland, Maier, Justinus Kerner, habe Ebert hier getroffen, mein ganzes
Leben war ein hoechst poetischies. Die lebhafteste Teilnahme, die feurigste
Ermunterung wurde mir zuteil von allen, die ich Dir genannt habe und nicht
genannt habe. Aber enthusiastisch war schon bei unserer ersten Begegnung
Schwab vor meinen Poesien ergriffen. Ich muß Dir gestehen, daß
es mir unendlich behaglich war zu sehen, wie jeder bessere Gedanke sogleich
zündete in dein empfänglichen Gemüte dieses Mannes; [...]
Am ersten Tage meines Hierseins führte mich Schwab abends in einen
Leseverein und trug hier mehrere meiner Gedichte selbst vor mit großem
Feuer. Als sich die Gesellschaft getrennt hatte, blieben nur Schwab, ich
und ein junger Dichter Gustav Pfitzer zurück. Da wurde noch gelesen,
getrunken, Bruderschaft getrunken und geraset auf mancherlei Art bis spät
nach Mitternacht; es war der 9. August. Einige Stunden waren genug, uns
zu Freunden zu machen.
[...]
Zumsteeg ist mein Liebling. 0 wie schön sind diese Lieder! Zwar ist der Gang der Melodien so einfach und schlicht, daß sie bei manchem Hörer ihre Wirkung verfehlen können; aber wahre Empfindung kennt keinen Schmuck, Sie werden unwillkürlich eine Parallele ziehen zwischen Zumsteeg und Schubert, Beide haben ihre eigentümlichen Vorzüge. Der letztere dürfte mehr äußere Ausstattung und Malerei für sich haben. Der erstere vielleicht tiefer empfinden. Schubert scheint mir mehr unserm Schiller zu gleichen, dessen bestechende Sprache, herrlicher Prunk und überraschende Gedanken schon von ferne locken. während Zumsteeg ein Goethe ist, dessen Schöpfungen einfach sind und, ich möchte sagen, unbekümmert um den Effekt, den sie machen werden, in sich selbst versunken nur den wahren Empfinder in ihre göttlichen Tiefen blicken lassen.
Beide diese Liedersinger bilden übrigens den
lebendigsten Gegensatz zu den meisten übrigen Liedersetzern. Bei diesen
ist die Begleitung des Liedes ein hölzernes Gerüste, das unter
den Füßen der schwerfälligen Melodie poltert; bei jenen
ein lebendiger harmonischer Strom, auf welchem der Gesang, ein seliger
Schwan, sich dahinwiegt.
[Briefe]