Lebenslauf eines Flaschenkorks
Wie schön ist's doch, ein Kork zu
sein
auf einer Flasche Moselwein,
die, kellerdämmerungsumschummert,
auf ihrem Schragen liegt und schlummert.
Man wird vom Rebensaft bespült,
als dessen Torwart man sich führt,
und zieht daraus fast notgedrungen
erotoide Folgerungen,
die man indessen vor der Welt
verbirgt und für sich selbst behält.
Vor Liebchens Kammer hält man Wache.
Diskretion ist Ehrensache...
Und dann kommt so ein Menschenwicht
und schleppt die Flasche roh ans Licht,
stellt sie auf Eis, bis daß sie
kühl,
und holt nun ohne Mitgefühl
den Pfropfenzieher aus der Schale,
rotiert die stählerne Spirale
dem armen Korken hinterwärts
und durch und durch bis tief ins Herz
und reißt ihn aus dem Liebeswahn
wie einen hohlen Backenzahn.
Uff ja - wie hat das weh getan!...
Dem M e n s c h e n nicht - im Gegenteile:
er füllt sein Glas in großer
Eile,
die Zunge lechzt, die Nase wittert...
Der Kork ist tot und stark zerknittert.