Der wird des sSelbstgefühls entbehren,
Wer kalt des Mitgefühls entbehrt;
Wie sich ein Feuer muß verzehren,
Das nicht das spröde Holz verzehrt.
Geh, Schmetterling der Liebe, sauge
Aus jeder Blume süßen Schmerz!
Das Auge sucht ein andres Auge,
Das Herz bedarf ein zweites Herz.

Die Hälft' sich nur empfindet ganz,
Die in der andern sich empfindet;
Als wie in ihres Spiegels Glanz
Die Schönheit erst sich selber findet.
Der Geiz hält seinen Schatz in Hut,
Daß er ihn teilend nicht vergeude;
Doch anders teilt sich Herzensgut:
Geteilte Freud' ist doppelt Freude.

Geheimnis, das mit ihren Zahlen
nicht fassen kann die Rechenkunst,
Das Liebe siehet widerstrahlen
Aus holder Blicke schöner Brunst!
Sie teilt ihr Glück, es wird nicht minder,
Und ihren Scherz, es wächst der Scherz;
Und teilt ihr Weh, und es wird linder:
Geteilter Schmerz ist halber Schmerz.

Geteilter Schmerz ist halber nicht,
Aufheben sich geteilte Qualen;
Als wie sich aufwiegt ein Gewicht,
Das man verteilt in beide Schalen.
Das Herz nur braucht ein zweites Herz
Als wie zween Eimer braucht ein Bronnen.
Geteilter Schmerz ist nicht mehr Schmerz,
Geteilte Wonnen sind nur Wonnen.

Wem ist das tiefe Wort entklungen,
Das auf und ab hier wiegt mein Reim?
Hat er der Erde sich entschwungen
Und ist im Himmel schon daheim,
Und horcht aus ew'gem Wohngebäude
Der Harmonie, dem Liederscherz?
Geteilte Freud' ist ganze Freude,
Geteilter Schmerz geheilter Schmerz.

Und wenn nun längst geheilt der Schmerz,
Den mit der Welt ich selbst geteilet,
So sei ein schmerzbewegtes Herz
Von dieem Nachklang noch geheilet,
Hell tön es fort von Brust zu Brust,
Aus Erdennacht empor zur Sonne:
Geteilter Schmerz ist halbe Lust,
Geteilte Lust ist ganze Wonne.

Von wo die Sonne steigt empor,
Bis wo sie sinkt ins Flutenbette,
Sing aller Erden Singerchor
Mit meinem Brustton um die Wette:
Das Her7 bedarf ein zweites Herz,
Sei hochbeseligt oder leiude,
Geteilter Schmerz ist halber Schmerz,
Geteilte Freud ist doppelt Freude.