Wunderseltsame Historia des berühmten Feldzuges, als welchen Hugo Sanherib, König von Assyrien, ins Land Juda unternehmen wollte, aber unverrichteter Ding' wieder einstellen mußte. Aus einer alten Chronika gezogen und in schnakische Reimlein gebracht von Simeon Krebsauge, Baccalaur.

In Juda, schreibt die Chronika,
War olim schon ein König,
Dem war von Dan bis Berseba
Bald alles untertänig.
Und war dabei ein wackrer Fürst,
Desgleichen selten finden wirst.

Der war nun kürzlich, wie bekannt,
Vom Freien heimgekommen
Und hatte vom Chaldäer Land
Ein Weibchen mitgenommen.
Im Herzen Himmel und im Blick -
Ich küßte sie den Augenblick.

Die Trauung war schon angestellt,
Die Hochzeitkleider fertig,
Der Bräutigam, frisch wie ein Held,
Des Wonnetags gewärtig,
Als plötzlich - zitternd schreibt's mein Kiel -
Ein Fieber diesen Herrn befiel.

Ein großer Herre, wie man weißt,
Ist nicht wie unsereiner -
Wenn unsre Seele weiterreist,
drob kümmert sich wohl keiner:
Ein Schnuppen, den ein Großer klagt,
Wird in der Welt herumgesagt.

Drum nimmt Frau Fama, nimmer faul,
Das Hifthorn von dem Nacken
(Man kennt ja schon ihr großes Maul
Und ihre dicken Backen):
"Fürst Josaphat liegt todkrank da",
Posaunt sie durch ganz Asia.

Sogleich vernahm den Trauerton
Fürst Sanherib, sein Vetter;
Zu Assur hat er seinen Thron
Und ehret fremde Götter.
Der Balle Lüge kommt so recht
Zu statten meinem Götzenknecht.

"Da fischt sich was - hol' mich der Dachs!"
Und hui! Spitzt er die Ohren.
"Stirbt Josaphat, so zieh' ich stracks
Hinein zu Hebrons Thoren.
Er braucht Arznei - er treibt's nicht lang!
Und Juda ist ein fetter Fang."

Gleich läuft die Order aus dem Schloß
Durch Stadt und Wachparade,
Der Junggesellen faulen Troß
Zu werben ohne Gnade.
Schon springen Bomben aus dem Guß
Und freun sich auf den nächsten Schuß.

Die Wache vor dem Thor bekommt
Gemessene Befehle,
Daß undurchsucht, unangebrummt
Entwische keine Seele.
Brieftaschen und Patent heraus -
Sonst - Marsch, ihr Herrn, ins Narrenhaus.

"Woher, mein Freund?" brüllt auf und ab
Die Schildwach' an die Fremde.
"Wohin die Reis'? Wo steigt ihr ab?
Was führt ihr unterm Hemde?
Torschreiber raus! - Der Herr bleibt stehn!
Man wird ihn heißen weitergehn."

Da war nun mancher Passagier
Dem Korporal verdächtig,
Die Fragen gehn zur Folter schier,
Gott aber ist allmächtig.
Man visitiert von Pack zu Pack,
Doch zeigt sich nichts - als Schnupftobak.

Indessen schickt der Werber Fleiß
Rekruten, Sand am Meere,
Sie stehen blau und rot und weiß
Und ordnen sich im Heere.
Das Kriegsgeräte - glaubt mir keck! -
Fraß zehen Säckel Silbers weg.

Fürst Sanherib erzählte schon
Den Damen seine Siege,
Aufs Wohl des neuen Landes flohn
Von Tisch zu Tisch die Krüge.
Schon möbelt' man das neue Schloß,
Je glätter der Burgunder floß.

Wie prächtig König Sanherib
Im reichen Galakleide
Herum den stolzen Schimmel trieb'
Und durch Judäa reite;
Die Damen in Karossen nach,
Daß bald schon Rad und Deichsel brach.

Wie stolz von seinem Thron herb
Er Judas Schriftgelehrten
Erlaubnis zu dem Handkuß gab,
Und sie ihm Treue schwörten,
Und alles Volk im Staube tief
Hosjanna dem Gesalbten rief.

Doch während daß der Vetter schon
Nach deiner Krone schielte
Und auf dem noch besetzten Thron
Schon Davids Harfe spielte,
Lagst du, o Fürst, beweint vom Land,
Noch unversehrt - in Gottes Hand.

Gott stand auf Höhen Sinais
Und schaute nach der Erden
Und sahe schon ein Paradies
Durch seinen Zepter werden,
Und sahe mit erhabner Ruh'
Dem Unfug deines Vetters zu.

Schnell schickt er einen Cherub fort
Und spricht mit sanftem Lächeln:
"Geh, Raphael, dem Fürsten dort
Erfrischung zuzufächeln!
Er ist mein Sohn, mein treuer Knecht.
Er lebe - denn ich bin gerecht."

Dem Willen Gottes untertan,
Steigt Raphael herunter,
Nimmt eines Arztes Bildung an
Und heilet durch ein Wunder.
Dein Fürst ersteht - jauchz' Vaterland! -
Gerettet durch des Himmels Hand.

Die Post schleicht nach Assyrien,
Wo Sanherib rergieret
Und eben seine Königin
Vom Schlitten heimgeführet.
"Ihr Durchlaucht, ein Kurier!" - "Herein!
Es werden Trauerbriefe sein."

Schnell öffnet er den Brief und liest,
Liest - ach! der Posten trübste,
Daß Josaphat am Leben ist,
Und flucht an seine Liebste:
"Der Krieg ist aus! Pest über dich!
Zweitausend Taler schmerzen mich!"

[1782]
 
 





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