Philipp Ulrich Schartenmayer
 Leben und Tod des Joseph Brehm, gewesten Helfers zu Reutlingen, am 18. Juli 1829.
 
Der ich von der
Datpheus Leben
Und wie sich sein Mord begeben,
Wie man dann ihn abgetan,
Ein Gedicht gemachet han,
 
Ich, der alte Schartenmayer,
komme abermalen heuer,
Herzusagen eine G'schicht,
Wo mir fast das Herz abbricht.
 
Soweit ist es jetzt gekommen,
Daß den Kopf man abgenommen
Einem aus der Geistlichkeit;
Dies ist keine Kleinigkeit.
 
Immer noch tut es mir grieseln,
Wie ich sah sein Blut hinrieseln;
Dieses hat mich sehr erschöpft,
Daß man einen Helfer köpft.
 
Vor und dann ich tu' erzählen,
Wie man ihn beraubt der Seelen,
Sage ich dem Publiko,
Wer und was und wie und wo.
 
An dem fünften Januare,
Grad vor neunundreissig Jahren
Kam zu Neustadt an der Lind
Joseph Brehm zur Welt als Kind.
 
Wie ein Knab er war geworden,
Kam er in die Schule dorten,
Gut hat er sich aufgeführt,
Konjugiert und dekliniert.
 
Nachdem er das Fest gefeiert,
Wo den Taufbund man erneuert,
Kam er ins Gymnasium
In Stuttgart und war nicht dumm.
 
Denn es hat sich bald getroffen,
Wie man in der Klass' gestochen,
Daß mein Brehm der fünfte war
In der ganzen Knabenschar.
 
In dem Jahr nach Anno elfe,
Wo es achtzehnhundertzwölfe,
kam er hin nach Tübingen
Zu gelehrten Übingen.
 
Da er wollt' auf dieser Erden
Künftighin ein Pfarrer werden,
Tat man ihn im Stifte ein,
Wo die Theologen sein.
 
Alsda war er gar nicht träge,
Fleißig saß er im Kollege,
Las viel in dem Testament
Und was sonst so Bücher sind.
 
Wie ein Beck an seiner Mulde
Fand man ihn stets an dem Pulte
Mit der Feder in der Hand,
Tint, Papier und Silbersand.
 
Doch es hat sich bald gezeiget,
Daß sein Herz zum Stolz sich neiget,
War kein guter Kamerad,
Widerwärtig fruh und spat.
 
Der zwar geht auf bösen Wegen,
Der sich auf den Trunk tut legen,
Und der Satan kommt verschmitzt,
Wenn man einen Rausch besitzt.
 
Doch dem Guten ist's zu gonnen,
Wenn man Abend sinkt die Sonnen,
Daß er in sich kehrt und denkt,
Wo man einen guten trinkt.
 
Doch zu Haus in seiner Ecken
Aß der Brehm kaum einen Wecken.
Nein, o Brehm, es tut nicht gut:
Schnöder Geiz und Übermut!
 
Da das Studium fertig ware,
Ist er worden ein Vikare,
Plochingen, Neueck, Freudenstadt
Sind die Ort', wo man ihn hatt'.
 
Endlich auch in Zuffenhausen
Tat er als Vikare hausen,
Bis er nach dem Examen
Helfer ward in Reutlingen.
 
Wie du da bist aufgezogen,
Fuhrest durch des Tores Bogen,
Sahest nun die Häuser drin,
Kam dir da wohl in den Sinn,
 
Daß du einst heraus wirst fahren,
Brehm, auf einem Schinderkarren?
Schartenmayers Zähre rinnt;
O du Zeit, wie hat sich's g'wendt!
 
Gut nun hat er sich betragen,
Niemand hatte was zu klagen,
Als er fieng zu amten an,
Und er schien ein frommer Mann.
 
Endlich erst nach vielen Jahren
Hat man nach und nach erfahren,
Daß der Brehm ein Geizhals sei,
Diene auch der Heuchelei.
 
Als er hatte geheiratet,
hat es gar nicht lang gebattet;
Trieb durch Geiz sein Weib von sich;
Helfer, das war liederlich!
 
Weil's nicht gehen wollt' in Frieden,
Ward er dann von ihr geschieden,
Alsdann hat der Helfersmann
Eine Magd sich eingetan.
 
Mehr und mehr nach diesen Schritten
Hat der Teufel ihn geritten
Und man sah, o Wüstenei!
Daß das Weibsbild schwanger sei.
 
Zwar sie taten es verhehlen;
Doch es konnte gar nicht fehlen,
Daß die Magd ein Kind gebar
Im August vor einem Jahr.
 
Brehm nun hätte diese Sachen
Alle können anders machen,
Wenden ab den bösen Schein;
Geiz schlug ihm die Augen ein.
 
Geld, das gieng ihm übers Leben,
Keinen Kreuzer Geld ausgeben
Wollte der verstockte Mann -
Jetzo ruckt der Teufel an.
 
Und das Würmlein, kaum geboren,
Nimmt der Helfer an den Ohren,
Trägt es auf die Bühne fort
Schnell an einen finstern Ort.
 
Läßt es liegen siebzehn Stunden,
Hat ihm auch das Maul verbunden,
Da es dennoch ward nicht stumm,
Dreht er ihm den Kragen um.
 
Doch 's nichts so fein gesponnen,
Endlich kommt es an die Sonnen,
Und die kluge Polizei
Merkt bald, was dahinter sei.
 
Plötzlich nahm man ihn gefangen,
Und es ist kein Jahr vergangen,
Sprach das peinliche Gericht:
Brehm, den Kopf behältst du nicht! -
 
Zwischen Reutel- und Bezingen
Horch, da tut die Axt erklingen;
Was soll's geben, lieber Gott?
Dort erricht't man ein Schafott.
 
Als der nächste Tag gekommen,
Tut's wie Bienenschwärme summen,
Und es kommt zu diesem Ding
Eine große Menschenmeng.
 
Wer soll da die Tränen heben?
Ach! so mußt du's denn erleben,
Reutlingen und Geistlichkeit,
Dieses große Herzeleid.
 
Alles ist bereits versammelt,
Kopf an Kopf, fest eingerammelt,
Laute Seufzer höret man,
Jetzo kommt der Helfer an.
 
Hinter den Schanndarmenscharen
Kommt ein Fuhrwerk angefahren;
Drinn der Brehm im weißen Kleid,
Zwei auch von der Geistlichkeit.
 
Hinter ihm zwei Schindersknechte,
Die am Strick ihn heben rechte,
Die sah aus so schauderig,
Alles ward ganz mauderig.
 
Jetzo steigt er ab vom Karren,
Nimmt Abschied von beiden Pfarrern,
Und es macht von allem Haar
Ihm ein Mann den Nacken bar.
 
Ach, jetzt kommt er schon gestiegen
Zum Schafott herauf die Stiegen,
Tränen fließen um und um
Von dem armen Publikum.
 
Seht, von Knechten halb geschoben
Schaut man ihn bereits dort oben;
Bleich sind alle Leut im Ring,
Selbsten fast der Henkerling.
 
O mein Gott, welch ein Gefühle!
Schaut, er sitzt schon auf dem Stühle,
Und zum Hieb - o Todesgraus! -
Zieht den Frack der Richter aus.
 
Nimmt alsdann sein Schwert da dranden,
Hebt und schwingt es hoch in Handen,
Haut es dann mit Blitzesschein
Grad in seine Ank hinein.
 
Laut hört man es karveln, schallen,
Und der Kopf ist rab gefallen;
O verehrtes Publikum,
Bring doch keine Kinder um!
 
 
 
 
 
 
 




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