Georg Rodolf Weckherlin
Aus den Epigrammaten

Von und zu mir selbs.
Wan man hie keinen fort will führen /
Dann nur wer schmaichlen kann und schmieren;
Und wann du anderswo in Gunst /
Was bleibest du dan hie umbsunst /
Mit Herren groß ohn lehr und kunst?

Von und zu mir selbs. (2)
Zu rück / fort mit dir hinweg Herrlin /
Dan wan der fuhrman selbs unnd satler den raht geb /
Wird er sein / daß nicht lang der Weckherlin hie leb;
   So zeuch nu wider hin weg kherlin.

Von dem Schwaben Hanß Latzen.
Hanß laufft dear Graita noh ell tritt /
Vnd wills haun: Ischt er nit gscheid gnuog.
Grait will da Hanßa kurtz umb nitt /
Ischt suy nit gescheidar / liebar luog?

Ein Rund-vmb:
An eine grosse F. &c.

   Ein kleines weyl / als ohn gefährt
Ich euch in einem Sahl gefunden /
Sah ich euch an / bald mehr vnd mehr
Hat ewer haar mein hertz verbunden:
   Jhr auch lieb-aügleten mir sehr /
Da durch ich weiß nicht was empfunden /
Das mein Geist / dan leicht dan schwer /
Auß lieb vnd layd alßbald geschwunden
             Ein kleine weiyl.
Biß ich von ewrer augen lehr /
Vnd jhr von meiner seufzen mähr
Die schuldigkeit der lieb verstunden;
Darauf wir heimlich ohn vnehr [honneur]
Einander frölich überwunden
             Ein kleine weyl.

Von den Frawen A. Hahnin.
Botz Creutz/ wie ist ( O schand / O schmach!)
Der heurat ein verdöcktes essen!
O hertzleyd nimmer zu vergessen!
Mit seuftzen die Fraw hahnin sprach.
Ich hoffet / als man jhn mir gab /
Das einen hahnen ich genommen /
So hab ich / (ach weh! daß ich hab)
Nur einen copaunen bekommen.

Von Heintz Knollen und seinem Weib.
Du bist die ursach selbs, sprach zu dem Weib Heintz Knoll /
Daß unsre junge Baaß den Bauch schon voll /
Weil du jhr liessest stehts hofieren und liebkosen.
   Es wär / antwortet sie / ein wunderlicher boß /
Daß ich verschlossen hielt ein schwaches Jung-fraw-schloß /
Zu welchem jederman den schlüssel in den hosen.

Der Frawen M.v.Sherstehts Grabschrifft.
Hie vnden liget nicht ohne klag /
Die sunst ohn klag stehts vnden lag.

Grabschrifft für J.Windischen.
Weil jhm wind machen zugemein /
Weil sein mund plaudern wolt allein /
Must jhm das grimmen tödlich sein.
   Dan hät sein hinder nicht geschwigen /
Würd er so bald allhie nicht ligen.



Die Herausgeber  weisen darauf hin, daß zwei der Epigrammaten zugleich sehr frühe, wenn nicht erste Belege für Sprachexperiment (2) und Dialektdichtung (3) sind. Zum 1. Epigramm vergleiche das späte Londoner Rund--vmb Weckherlins.




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