Julius Wilhelm Zincgref
Uf ein Paar Händschuch

Gückselig wäret ihr, Händschuch, wann ihr sollt können
Eur groß Glückseligkeit vernünftiglich erkennen:
Es sollen herbergen in euch zwei Händelein,
Die weißer als der Schnee, purer dann Helfenbein.

Deren Subtiligkeit die schönsten Perlen weichen.
Was soll ich aber sie viel mit dem Schnee vergleichen,
Mit Perlen oder mit einigem Helfenbein?
In ihnen alles ist, was irgend schön mag sein.

Sehr hier die Nägelein, so zierlich rund beschaffen,
Der zarten Jungfrauschaft holdselig Wehr und Waffen,
Sehr hier die hurtige, gebogne Gleichelein,
Die Amor höher hält als selbst den Bogen sein.

Seht hier die Fingerlein, die er vor Pfeil tut preisen
Seiner Artillerei, ob sie sich schon erweisen
Ungleich in ihrer Läng', seind sie doch gleich in dem,
Daß sie vor anderen allein sein angenehm.

Beseht die flache Hand, inwendig der ihr finden
Werd't manch verborgne Kunst, nit jedem zu ergründen,
Ihr werdet finden viel Geheimnus der Natur
Artig gezirkelt aus, gleich als mit einer Schnur.

Da stehet all mein Glück und Unglück ufgeschrieben,
Da steht, wie hoch ich sie, wie hoch sie mich muß lieben,
So manche Linie sich allda entwerfen tut,
So manche Tugend hält in sich ihr keuscher Mut.

Glückselig seid ihr zwar, Händschuch, denen vergönnet,
Daß ihr der Liebsten Händ' so ofte küssen könnet;
Stolziert drumb aber nicht, die Ehr' so ihr empfangt,
Von ihr allein und nicht von euch an euch gelangt.

Wie stattlich ihr auch seid, wann sie euch an ihr träget,
Also gering ihr seid, sobald sie euch ableget,
Doch weil ihr durch mich seid gebracht zu diesem Glück,
Laßt mich genießen auch bisweil ein' guten Blick.





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