götterdammerung
vor dem von motten zerfressenen
vorhang eine schwarze tonne mit gelbem deckel, eine grüne tonne, ein
gelber sack - alle drei für das folgende ohne tiefere bedeutung
hinter dem von motten zerfressenen
vorhang öffnet sich ein ort, der aussieht wie ein saal in liederwalhalla,
für den ein mann, der aussieht wie der heilige ludwig van zu lebzeiten
ausgesehen haben soll, miete kassiert
während der mann, der
aussieht, wie der heilige ludwig van zu lebzeiten ausgesehen haben soll,
die tageseinnahmen zählt und ein instrument, das aussieht wie eine
kesselpauke
dat dat dat darf
intoniert, meldet sich eine
stimme, die sich anhört wie eine stimme aus dem off, gebührend
zu wort
gema
geh' ma
sagt ein mann, der aussieht,
wie der selige ludwig zwo zu lebzeiten ausgesehen haben soll
geh' ma
wobei er beginnt, mit einem
relsigbesen die reste von saiten zusammenzufegen, die aussehen wie von
streichern gestrichen, die wie das kronosquartett aussehen
dabei entstehen töne,
die sich anhören wie töne, die entstehen, wenn die saiten eines
gestimmten schellos hoffnungslos verstimmt sind
der mann, der aussieht,
wie der selige ludwig zwo ausgesehen haben soll, als er zum ersten mal
den mann sah, der aussah wie der erfinder des leitmotivs, hat inzwischen
die ostsaiten, die aussehen wie von streichern gestrichen, die wie das
kronosquartett aussehen, zusammengefegt und in einen papierkorb entsorgt
gema
reklamiert die stimme, die
sich anhört wie eine stimme aus dem off, während die stimme des
mannes, der aussieht, als hätte er soeben ein leitmotiv gefunden,
aus dem orchestergraben
mein lieber schwan
ruft
schwanensee
echot das echo über
den königssee
aber der mann, der aussieht,
wie ludwig zwo selig zu lebzeiten ausgesehen haben soll, besteht auf
neuschwanstein
wobei er die westsaiten,
die aussehen wie von streichern gestrichen, die wie das kronosquartett
aussehen, in den papierkorb entsorgt
samiel
protestiert der papierkorb
und beansprucht die erfindung des leitmotivs für sich aber der mann,
der aussieht wie richard der große, will das nicht gelten lassen
ja, auf den bergen, da wohnt
die freiheit
ja, auf den bergen, da ist
es schön
jodelt der mann, der aussieht,
wie ludwig zwo selig zu regierungszeiten ausgesehen haben soll, und entsorgt
auch die südsaiten, die aussehen wie von streichern gestrichen, die
wie das kronosquartett aussehen, in den papierkorb
samiel
protestiert dieser noch
einmal und beschwört dies
bei des zaubrers hirngebein
gema
sagt eine stimme, die sich
anhört wie eine stimme aus dem off
geh' ma
echot die stimme des mannes,
der aussieht, wie ludwig zwo selig zu regierungszeiten ausgesehen haben
soll
geh' ma auf neuschwanstein
bevor die anstreicher kommen
dabei besteigt der mann,
der aussieht wie ludwig zwo selig zu
regierungszeiten ausgesehen
haben soll, sein steckenpferd, das aussieht wie ein reisigbesen, und reitet
nach rechts davon
ich lasse mir meinen orchestergraben
nicht zur wolfsschlucht machen
ruft der mann, der aussieht,
wie richard der große ausgesehen haben soll, hinter dem mann her,
der aussieht, wie ludwig zwo selig zu regierungszeiten ausgesehen haben
soll
ich lasse aus meinem orchestergraben
doch keine wolfsschlucht machen
samiel
jammert der inzwischen mit
ost-, süd-, west- und nordsaiten gestrichen volle papierkorb
samiel hilf
deutsch sein heißt
eine sache um ihrer selbst willen tun
beharrt der mann, der aussieht
wie richard der erfinder, und verschwindet im souffleurkasten, während
aus dem orchestergraben das samielmotiv aufklingt
ja, auf den bergen, da wohnt
die freiheit
ja, auf den bergen, da wohnt
das glück
hört man von fern her
die stimme des mannes, der aussieht, wie
ludwig zwo selig zu regierungszeiten
ausgesehen haben soll
allwo des königs ludwig
zweiten
alle seine schlösser
stehn
respondiert die stimme eines
mannes, der aussieht wie karl may auf einer ansichtskarte des nach ihm
benannten bamberger museums während ein mann, der aussieht wie der
besitzer dieser stimme gleichzeitig wie ein deus ex machina vom schnürboden
herabschwebt
samiel
stöhnt der mit ost-,
süd-, west- und nordsaiten gestrichen volle papierkorb und beginnt
allmählich zu ersticken
samiel erschein
aber der mann, der aussieht
wie karl may auf einer ansichtskarte des nach ihm benannten bamberger museums,
zieht den weg zum glück aus der rocktasche und zitiert, während
der an den entsorgten ost-, süd-, west- und nordsaiten erstickende
papierkorb endgültig seinen geist aufgibt
dera samiel
zitiert der mann, der aussieht
wie karl may auf einer ansichtskarte des nach ihm benannten bamberger museums
dera samiel wollt ihr arretieren,
nein, den bekommt ihr noch lange nicht, lebendig läßt der sich
von euch nicht anrühren
im orchestergraben setzt
das wolfsschluchtfinale ein
der mann, der aussieht wie
karl may auf einer ansichtskarte des nach ihm benannten bamberger museums,
entledigt sich seines rockes, krempelt die hemdsärmel und schlägt
die hosenbeine hoch -
man sieht, daß er
sockenhalter trägt - nimmt den weg zum glück wieder auf und wiederholt
dera samiel
rief sie
dera samiel wollt ihr arretieren,
nein, den bekommt ihr noch lange nicht, lebendig läßt der sich
von euch nicht anrühren
sie erhob, ehe man sie zu
hindern vermochte, die hand mit der pistole, hielt sich die mündung
vor den kopf und schoß beide läufe zugleich auf sich ab
alles eilte herbei
aus dem orchestergraben
klingt das wolfsschluchtfinale herauf
der mann, der aussieht,
wie karl may auf einer ansichtskarte des nach ihm benannten bamberger museums,
entschwebt auf einer wolke zurück in den schnürboden
der mann, der aussieht,
wie ludwig zwo selig zu regierungszeiten ausgesehen haben soll, reitet
auf einem reisigbesen, der aussieht wie sein steckenpferd, auf die bühne
er trägt einen aus
zeitungspapier gefalteten helm und singt
mit chloroformen und bandagen
traten sie behendig auf
nach schloß berg ham's
ihn hingefahren
dorten endet dann sein lebenslauf
danach entschwebt auch der
mann, der aussieht wie ludwig zwo selig zu lebenszeiten ausgesehen haben
soll, immer noch auf einem reisigbesen wie auf seinem steckenpferd reitend,
in den schnürboden
eine kopfbedeckung, die
aussieht wie die kopfbedeckung eines mannes, der aussieht wie richard der
erfinder auf manchen bildern heute immer noch aussieht, wird an einem langen
perückenstock aus dem souffleurkasten herausgehalten
aus dem off singt eine stimme
in nürnberger dialekt
verachtet mir die meister
nicht
und ehrt mir deutsche kunst
im scheinwerferlicht eines
speerschen lichtdoms entschwebt auch die kopfbedeckung des mannes, der
aussah, wie großrichard auf bildern heute immer noch aussieht, in
den schnürboden
die scheinwerfer verlöschen
immer noch wolfsschluchtfinale
im orchestergraben
in das hinein von links,
auf einem schello ohne saiten, ein mann auf die bühne reitet, der
aussieht wie ein mitglied des stuttgarter radiosymphonieorchesters zu der
zeit, als es vom süddeutschen rundfunk noch etwas auf die ohren gab
ende des wolfsschluchtfinales
im hintergrund erscheint
als projektion eine streichergruppe, die aussieht wie das kronosquartett
bei seinem auftritt in liederwalhalla ausgesehen hat, als es in jenem saal
spielte, von dem der mann miete bezieht, den ein oberbürgermeister,
der leibhaftig aussieht wie manfred rommel, immer wieder gern zitiert
während im hintergrund
eine streichergruppe, die aussieht wie das kronosquartett aussehen soll,
sich auf einen gemeinsamen ton einigt, schleicht sich ein mann, der aussieht,
wie der heilige ludwig van zu lebzeiten ausgesehen haben soll, klammheimlich
hinter den von einem oberbürgermeister, der wie der leibhaftige manfred
rommel aussieht, nobilitierten georg friedrich wilhelm und zieht ihm die
saalmiete aus der tasche
der mann, der aussieht wie
ein mitglied der stuttgarter radio symphoniker, steigt protestierend von
seinem schello ohne saiten und legt es beiseite
entrüstet dreht der
mann, der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, seine
leeren taschen um und beginnt, die bühne von allen requisiten, auch
denen aus dem schnürboden, gründlich zu entrümpeln
während im hintergrund
eine streichergruppe, die aussieht, wie das kronosquartett aussehen soll,
immer wieder unisono die töne h e e es h e e es h e e es herunterstreicht,
wirft der mann, der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker,
die requisiten in ein spärliches publikum, das noch nicht türenschlagend
den saal verlassen hat, dessen gestohlene miete inzwischen vom heiligen
ludwig van durchgebracht wurde
zuerst greift der mann,
der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, nach der
schwarzen tonne mit dem gelben deckel, dann zur grünen tonne, dem
gelben sack
es folgen das steckenpferd,
das wie ein reisigbesen aussieht, ein rock, sockenhalter, ein aus zeitungspapier
gefalteter helm, der weg ins glück und die kopfbedeckung, die immer
noch aussieht, wie von dem mann getragen, der aussieht wie ein leitmotiv
seiner selbst
als letztes geht der papierkorb
über die rampe, nachdem sich der mann, der aussieht wie ein mitglied
der stuttgarter radiosymphoniker, vier saiten, nämlich eine ost-,
eine süd-, eine west- und eine nordsaite, für sein schello herausgenommen
hat
als der mann, der aussieht
wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, den papierkorb mit den
entsorgten ost-, süd-, west- und nordsaiten ins spärliche publikum
segeln läßt und dabei zitiert
sie haben jetzt gesehen,
was wir können, wollen sie jetzt! - und wenn sie wollen, werden wir
eine kunst haben
erstarrt auf der projektion
im hintergrund die streichergruppe, die aussieht, wie das kronosquartett
aussehen soll, obwohl die tonfolge, auf die sie sich geeinigt hat, noch
eine weile unisono fortklingt
der mann, der aussieht wie
ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker hält, die vier saiten,
die er aus dem papierkorb genommen hat, gegen das licht
jetzt werden andere saiten
aufgezogen
sagt der mann, der aussieht
wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, und beginnt andere saiten
aufzuziehen
dabei gibt der mann, der
aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, undefinierbare
laute von sich, die sich allmählich mit den tönen mischen, die
entstehen, wenn ein verstimmtes schello gestimmt wird
im hintergrund erscheint
eine neue projektion
man sieht eine (fast) unbekleidete
frau, die aussieht wie charlotte moorman in einem ihrer berühmten
schellokonzerte
opera sextronique
sagt die frau, die aussieht
wie charlotte moorman auf einem ihrer plakate, und beginnt zu spielen
aber da man keinen ton hören
kann, beginnt der mann, der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker,
wie ein klassischer stummfilmmusiker die projektion auf seinem schello
zu begleiten
während der dialog
zwischen dem mann, der jetzt einen klassischen stummfilmmusiker spielt,
und der frau, die aussieht wie charlotte moorman auf einem ihrer plakate,
immer intimer wird, tritt durch die künstlertür ein mann, der
aussieht wie der verfasser von der schello, die schello, das schello, in
den saal
während in dem saal,
dessen miete von dem mann, der aussieht wie der heilige ludwig van, durchgebracht
wurde, ein nurmehr spärliches publikum sich der requisiten und anderer
kleidungsstücke zu entledigen versucht und immer noch auf das ende
des spiels wartet, eilt der mann, der aussieht wie der verfasser von der
schello, die schello, das schello, in halbtonschritten auf den mann zu,
der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, der darauf
hin sein spiel abrupt unterbricht
introitus interruptus
du halbtonschrittfetischist
japst der mann, der aussieht
wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker
du schellobidachist
erwidert der mann, der aussieht
wie der verfasser von der schello, die schello, das schello
das spiel ist aus, und dies
war unser auftritt
das spiel ist aus
bestätigt der mann,
der aussieht wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker
also geh' ma
der mann, der aussieht wie
ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker, läßt sein schello
und alle hoffnung fahren
dante
sagt der mann, der aussieht
wie der verfasser von der schello, die schello, das schello
dante
sagt er und es klingt wie
amen
was hat das hiermit zu tun
fragt der mann, der aussieht
wie ein mitglied der stuttgarter radiosymphoniker
das weiß ich auch
nicht
sagt der mann, der aussieht
wie der verfasser von undsoweiter
der mann der aussieht, wie
der verfasser von undsoweiter, und der mann, der aussieht wie ein mitglied
der undsoweiter, verlassen die bühne durch den künstlereingang
das nurmehr spärliche
publikum, das in dem saal, dessen miete der mann, der aussieht wie der
heilige ludwig van, durchbrachte, bis zum schluß ausgeharrt hat,
verläßt türenschlagend liederwalhalla
zurück bleibt, scharf
ausgeleuchtet, nurmehr
die schello
im hintergrund erscheint
die projektion eines plakats für das
spring art festival 1968
in cincinetti
während das saallicht
langsam verdimmert, erscheinen in den beiden löchern eines celloumrisses
die brüste von charlotte moorman
aus dem off klingen von
der nicht sichtbaren streichergruppe,die aussieht, wie das kronosquartett
aussehen soll, gespielt, unisono wie ein endloser fluß die töne
f e es, f e es. f e es undsoweiter, sich allmählich um die töne
h e e es, h e e es, h e e es undsoweiter erweiternd
[ende des zweiten satzes]
[für johannes zagrosek zum 14.1.1995, gleichzeitig urlesung]