reinhard döhl | gedichte | wandtexte
mein herz ist eine traurige zeit die tonlos tickt
something for elseihr fluß irgendwo
entsprungen und irgendwo
mündend unbekannt
blieben ihr hier und jetzt und
ein verweilen ihr verwehrtan den ufern saß
sie weinend ausgetrocknet
waren die flüsse
und kalter wind trieb sand in
die augen der schläferinam morgen als der
libanon aufrötete
über den zedern
schleppte sie sich durch ein
flußbett fernab dem meere zuals ich sie zum
erstenmal traf am fuße des
ölbergs war sie zur
mutter heimgekehrt war sie
was sie nie hatte zuhausimmer trug sie die
vorstadt der bläue trug sie
ihr palästina
im herzen auf der landkarte
konnte sie es nicht findender prinz von theben
war sie aber es waren
auch die frauen des
alten testaments ihr wie
schwestern morgen war gesternsie kannte viele
männer sie zeichnete sie
mit einem stern mit
einer rose auf der stirn
und gab sich hin im gedichtwenn die anderen
aßen hat sie gehungert
wenn die anderen
schliefen hat sie geträumt und
sternenworte geschriebendas blaue klavier
den tibetteppich wer hat
sie aufgehoben
wo werden heute von wem
diese verse gelesenes waren verse
wie die blauen wunder die
sie liebte um sich
aus unsern prosatagen
wegzustehlen wort für wortden abend über
die hecke zu tragen war
ihr verwehrt und auf
der reise nach jerusalem
ihr stuhl immer besetztwa min tab ihi
anuha jatelahu
wanu bilahum
nicht dechiffrierbar für die
nachrichtendienste der weltin der schafskälte
jetzt nach den eisheiligen
lese ich vom tod
einer jüdischen freundin
lashana haba'a bijrushalajimwährend kalter wind
den nassen schnee unter das
dürre laub wirbelt
höre ich von gestern her
eine alte melodiemüde und erschöpft
von den kreuz und querzügen
der poesie in
diesen landregentagen
ruft jetzt plötzlich ein kuckuckzum ursprung zurück
gekehrt sind die gewässer
grün die berge blau
rote blumen blühen rot
heute ist siebenschläfersieben vorbei und
acht verweht beim stelldichein
mit der windrose
have you said hello
to a foreigner todayspuren verlaufen
im sand regen sonne und
wind löschen sie aus
nichts wird sein wie es war wenn
das fremde gegangen istder bussard der auf
beute gierig hoch über
der klinge seine
kreise zieht auch er wird vom
schatten verfolgt dem er folgtwir möchten gern da
und dort und allenthalben
sein und sind doch stets
nur auf einem fleck
der unser dasein einschränktkannst du die sieben
sterne zusammenbinden
oder das band des
orion auflösen am
ufer des roten meeresschon liegt ägypten
weit hinter und nur wüste
noch vor mir habe
ich sie durchquert treffen wir
uns an der mauervergessen sind die
worte der väter das recht
wohnt nicht mehr in der
wüste und auf dem acker
haust die gerechtigkeit nichtüber meiner haustür
nisten jahr für jahr die
gartenrotschwänzchen
auch wenn über den jordan
ich gehe wird es so seinmein herz ist eine
traurige zeit die tonlos tickt
schwarz bin ich doch niedlich
schauet mich nicht an
daß ich so schwärzlich binich will aufstehn
umhergehn in der stadt
und finde ihn nicht
die mauern stehn sprachlos kalt
im wind klirren die fahnen[1995]
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