Das Hörspiel ist eine bis heute nicht klar umrissene Gattung. Das hat entwicklungsgeschichtliche Gründe, erklärt sich aber auch aus der Tatsache, daß es Programmbestandteil des Rundfunks, also eine institutionell verwaltete Kunst ist, deren Ausformungen abhängig sind vom literarischen Sachverstand seiner Verwalter, der Dramaturgen. Das ist in diesem Jahr in Deutschland fast beispielhaft geworden. Denn was der Besucher der Documenta in der auf ihr in Zusammenarbeit mit dem Hörspielstudio des Westdeutschen Rundfunks installierten Audiothek an akustischer Literatur wahrnehmen konnte, ist im Hörspielangebot der meisten deutschen Rundfunksender, falls überhaupt, eher die Ausnahme. Dabei umfaßte diese Audiothek zu einem großen Teil akustische Spiele, die für die Realisierung im Rundfunk konzipiert, mit den Möglichkeiten der Rundfunks erarbeitet und über die Programme des Rundfunks verbreitet wurden. Neben diesen akustischen Spielen umfaßte diese Audiothek zweitens eine Reihe von Arbeiten, die als akustische und artikulatorische Literatur schon vor der Entstehung des Radios oder außerhalb seiner Programme entstanden waren und aufgezeichnet wurden. In seinem Beitrag zum Katalog der Documenta, "Auf den Spuren der 'akustischen Kunst' im Radio", hat Klaus Schöning, auf zahlreichen historischen, theoretischen und systematischen Sendungen des Hörspielstudios des Westdeutschen Rundfunks fußend, das Nebeneinander, die zeitweiligen Berührungen, das Auseinander und das seit Durchbruch des Neuen Hörspiels gültige Miteinander von akustischer Kunst und Hörspiel, des Hörspiels als akustischer Kunst skizziert (1).
Ich möchte bei meinem Versuch über das Hörspiel (als akustische Kunst und zugleich Bestandteil eines Radioprogramms) die Frage etwas anders stellen als Klaus Schöning. Dabei gehe ich von der Hypothese aus, daß nach der Erfindung des Buchdrucks mit Übergang von einer mündlichen zur schriftlichen Kultur, die Erfindung der elektronischen Medien und ihrer Aufschreibsysteme die stumm gewordene Literatur nicht nur wieder Laut werden läßt, sondern sie formal (und inhaltlich) vergleichsweise nachdrücklich verändern wird. Und ich möchte im Ansatz aufzeigen, daß die Möglichkeiten des Hörspiels als akustische Kunst, und nicht als einer Literatur im anderen Medium, in der Geschichte des Rundfunks von Anfang an erkannt wurden, ihre Entfaltung allerdings abhängig blieb vom Sachverstand der Verwalter, den Erwartungen der Konsumenten und anderen weniger gewichtigen Imponderabilien.
Als Ende der 60er Jahre, auch infolge der Konsumentenwanderung zum Fernsehen, der Rundfunk seine Möglichkeiten neu bedenken mußte, kam es im Bereich des Hörspiels zu entscheidenden Durchbrüchen und Veränderungen. Eine "Internationale Hörspieltagung" 1968 in Frankfurt (2) versuchte mit zahlreichen Vorträgen und ihrer Diskussion eine Neubestimmung. Vor allem begann eine erneute historische Befragung der Gattung, die von 1970 bis 1986 in über sechzig Sendungen des Westdeutschen Rundfunks die Hörspielgeschichte noch einmal aufarbeitete und dabei zu dem Ergebnis kam, daß das Neue Hörspiel nicht eigentlich neu war, vielmehr, unter geänderten und verbesserten Bedingungen, längst Vorbereitetes und theoretisch Vorgedachtes endlich einlösen konnte.
Daß dieser Durchbruch nicht unumstritten blieb, liegt in der Natur der Sache. So kam es zu wiederholten Toterklärungen, die meist verbunden waren mit Hinweis auf Hörerwartungen, auf Einschaltquoten, aber auch auf Programmzwänge. Sicherlich nicht die letzte Toterklärung findet sich 1982 im "Evangelischen Pressedienst / Kirche und Rundfunk" in einer Zuschrift Heinz Schwitzkes, nach der das "sogenannte Neue Hörspiel (...) längst das Schicksal alles Neuen" teile, "nämlich alt zu werden!"
"Das Neue Hörspiel" fährt Schwitzke dann fort,"hat den Schildbürgerstreich begangen, im Hörspiel in demselben Augenblick (mit einem Begriff Alfred Döblins gesagt) publikumsferne "Elitekunst" zu propagieren, in dem im Rundfunkprogramm sonst - unter dem leidigen Einfluß des Einschaltquotendenkens im Fernsehen - mit allen Mitteln um Publikumsgunst gerungen wurde. Erst seit diesem - inzwischen längst als gescheitert erkannten Versuch, das Hörspiel an einer elitären Ideologie zu orientieren, der in den Köpfen von Theoretikern gemacht wurde, hat es den Kontakt mit der Hörern und seine bevorzugte Stelle im Rundfunkprogramm, mehr und mehr verloren und ist (...) in die (...) Verlegenheit, museal zu werden, abgerutscht" (3).
Ganz anderer Meinung war ein Jahr zuvor die "New York Times" in einem längeren Artikel über den "Special Sound of German Radio", der zugleich ein Referat über das Hörspielprogramm des Westdeutschen Rundfunks im Winterhalbjahr 1981/1982 war. Diesen "Special Sound" verdanke der deutsche Rundfunk der Tatsache, daß es ihm gelungen sei, in seiner über 50jährigen Geschichte eine eigene Rundfunkkunst zu entwickeln: das Hörspiel. "One quality that distinguishes German radio programming from American is that many of the best imaginative writers write for it, producing not only commentaries but creative works that are often more than an hour long. The German word for these radio production is Hörspiel; the literal equivalent in English is 'sound play'." (4)
Daß die "New York Times" das Wort "Hörspiel" nicht mit den im Englischen/Amerikanischen dafür gewöhnlichen Begriffen "radio drama" oder "radio play" übersetzt, sondern als "sound play" erklärt, ist ebenso auffällig wie die Tatsache, daß nach dieser Erklärung im restlichen Artikel nur die deutsche Bezeichnung "Hörspiel", überdies durch Kursivsatz hervorgehoben, verwendet wird. Nun ist zwar wiederholt behauptet worden, das Hörspiel sei ähnlich eine der Ballade vor allem deutsche Gattung. Aber das reicht zur Erklärung nicht aus. Denn gerade die Hörspiele, die als Beleg für diese These reklamiert werden, die Hörspiele der 50er Jahre vor allem, die eher Literatur im Rundfunk als akustisches Spiel sind, sind in diesem Artikel der "New York Times" nicht gemeint. Vielmehr zielt er neben dem traditionellen Hörspiel (den "more conventional radio dramas"), dem Feature und unterhaltenden Gebrauchshörspiel auf das Neue Hörspiel als spezieller Ausprägung ("development") der Gattung.
Und er benennt als Autoren dieses "special sound of German radio" Helmut Heißenbüttel, Ernst Jandl, Friederike Mayröker, Franz Mon, Gerhard Rühm, Max Bense, Ludwig Harig, denen der Engländer Barry Bermange, die Amerikaner Jackson MacLow, Alison Knowles, Philip Corner sowie der große alte Mann nicht nur der musikalischen Avantgarde, John Cage, an die Seite gestellt sind.
Spricht der Artikel der "New York Times" für die internationale Beachtung, die das Neue Hörspiel als spezifische Ausprägung des Rundfunkeigenkunstwerks Hörspiel nach wie vor erfährt, belegen national zahlreiche Preise, wie quicklebendig es ist. So gingen der Hörspielpreis der Kriegsblinden und der Karl-Sczuka-Preis im Laufe der Jahre an Ernst Jandl/Friederike Mayröcker, an Helmut Heißenbüttel, Mauricio Kagel, Franz Mon, Ferdinand Kriwet, Gerhard Rühm, ferner an Alison Knowles und John Cage. Aber auch ausländische Preise fielen an deutsche oder in Deutschland lebende und arbeitende Hörspielautoren, so der Prix RAI des Prix Italia an Mauricio Kagel, der spanische Premios Ondas an Ferdinand Kriwet.
Wenn auch zögernd, stellt sich auch das Verlagswesen auf diese neue akustische Literatur, die man hören aber nicht lesen sollte, ein. Nachdem zunächst die Deutsche Grammophongesellschaft, Anfang der 70er Jahre der Luchterhand-Verlag Hörspielplatten herausbrachten, versucht seit kurzem der Klett-Verlag mit "Cotta's Hörbühne" auch "Literatur fürs Ohr" zu verlegen, wobei seine bisherige Cassetten-Produktion zwischen Unterhaltungshörspielen, Hörspieladaptionen populärer Erzählliteratur, Hörspielklassikern, allerdings wenigen Beispielen bisher des Neuen Hörspiels relativ breit fächert. Interessanter als diese Platten- bzw. Cassetten-Editionen sind mit Materialien angereicherte Editionen, deren bisher wichtigste, Mauricio Kagels "Buch der Hörspiele" (5) und John Cages "Roaratorio" (6), bereits 1982 erschienen: Medienpakete, die aus Cassette, Partitur und Materialien bestehen, "Materialsammlung, Produktionsbeschreibung, Arbeitsportrait, Notationsversuch, Transkription"sind, "stets mit dem deutlichen Verweis auf die Unabdingbarkeit der akustischen Realisation, die durch das Schriftliche nicht ersetzt werden kann" (7).
Diese "Unabdingbarkeit der akustischen Realisation" ist für das Hörspiel in seinem eigentlichen Verständnis nicht neu, allerdings erst durch das Neue Hörspiel in Konsequenz bewußt geworden. Eine Auffassung, nach der sich Hörspiele hören und lesen lassen, und hier auch! der wissenschaftliche Umgang ausschließlich mit gedruckten Texten von Hörspielen, verfehlen das wirkliche Hörspiel, das akustische Spiel auf dem Instrumentarium und zu den technischen Bedingungen des Rundfunks. Denn erst letztere machen aus der Vorlage das Spiel. Sie verlangen deshalb eine Vorlage, die auf akustisches Spiel hin angelegt ist und sich erst im akustischen Spiel erfüllt. Dazu bedarf es nicht notwendigerweise des Schriftstellers, des Literaten als Textlieferanten. Stellt er aber den Text zur Verfügung, muß er sich auf diese Bedingungen einlassen.
Anders als im Falle der Dramen- allgemein der Literaturadaption durch den Rundfunk, bei der dem neuen Medium lediglich eine vermittelnde, dienende Rolle zukommt, die es übrigens als Kulturvermittler für ein massenhaftes Publikum in ausreichendem Maße zu erfüllen hat, - anders als bei den Literaturadaptionen schreibt der Rundfunk im Falle seines Eigenkunstwerks Hörspiel die technischen, und das heißt auch die formalen, und das heißt auch die ästhetischen Spielregeln vor.
Das ist in der Geschichte des Hörspiels von Anfang an erkannt, allerdings aus vielerlei Gründen nicht immer beachtet worden. Vergegenwärtigt man sich die Anfänge der Hörspieldiskussion um 1924/1925, lassen sich vor allem drei Positionen ausmachen, die in unterschiedlicher Ausprägung die Geschichte des Hörspiels bis heute konturiert haben. Da ist zunächst die Position des Sendespiels, des gelegentlich auch sogenannten "Theaters für Blinde". Sie ließe sich verkürzt als Fortsetzung des Theaters mit anderen Mitteln (in einem anderen Medium) bezeichnen. Die Theatergeschichte verdankt ihr einiges, zunächst die Möglichkeit, Theaterstücke außerhalb der großen Häuser und ihrer Spielpläne einem massenhaften Publikum bekannt zu machen.
Diese Möglichkeit bekam ein besonderes Gewicht, als nach dem 2. Weltkrieg fast alle großen Theaterhäuser zerstört waren. Daneben verdankt die Theatergeschichte dem Rundfunk die Aufführung von Stocken, die zunächst kein Theater spielen wollte, zum Beispiel "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" Bertolt Brechts, die Ende der Weimarer Republik in einer Bearbeitung durch den Autor ihre Uraufführung durch die Berliner Funk-Stunde erlebte (8).
Die Möglichkeit, Theaterstücke außerhalb der großen Häuser zu spielen, dabei auf vergessene, wenig gespielte Theaterklassiker aufmerksam zu machen, wurde in exemplarischen Inszenierungen von Fritz Walther Bischoff in der Schlesischen Funkstunde, Breslau, und vor allem von Ernst Hardt in Köln genutzt und führte zu der hörspielgeschichtlich nicht zu übersehenen "Klassischen Bühne im Westdeutschen Rundfunk", die bis weit in die 50er Jahre hinein Spielzeit hatte und in zum Teil beachtlichen Inszenierungen große Schauspieler und Sprecher vor dem Mikrophon versammeln konnte (9). Sie ist heute noch in reduzierter Form als "Theaterabend" des "Hörspielstudios" in den Programmen des Westdeutschen Rundfunks vertreten. Die theatergeschichtliche Bedeutung dieser Bühnen im Funk wurde sichtbar, als ihre Adaptionen nach dem Kriege die Odön von Horvath-Renaissance praktisch einleitete, als sie in den 20er Jahren mit den "Woyzeck" Inszenierungen Bischoffs und Hardts die Büchner-Renaissance multiplizieren halfen (9a), ein von der Forschung bisher weitgehend übersehener Aspekt.
Eine zweite Position, die bereits in der frühen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Hörspiel eingenommen wird, ist die Position des Sprach- oder Wortkunstwerks, das es einmal durch Adaption gültiger Vorlagen' zu vermitteln gelte (hier sind die Grenzen zum Sendespiel fließend), das andererseits durch Entwicklung eines literarischen Hörspiels anzustreben sei. "Der Weg des Hörspiels im Rundfunk weist auf die intensivste Verinnerlichung des Wortes, der Sprache und ihres Inhaltes" (10), bringt es 1925 der für das Wortprogramm des Mitteldeutschen Rundfunks, Leipzig, verantwortliche Direktor Julius Witte auf die Formel, von Ernst Hardt noch 1929 im Hinblick auf das Sendespiel sekundiert:
"Das Urelement der dramatischer. Partitur scheint mir das Wort, scheint mir die Sprache zu sein, und der Rundfunk bedeutet die Re-inthronisierung ihrer ursprünglichen Macht, die wir fast vergessen hatten. Der Hörspieler (...) ist für seine Wirkung einzig und allein gestellt auf die seelische und gedankliche Erfülltheit seines Innern, das sich nicht anders als in den tausendfachen Tönungen des gemeisterten Wortklanges offenbaren kann. Vertiefung in die Dichtung heißt für ihn also Leben und Sterben" (11).
Diese Auffassung vom Wortkunstwerk, dieses Verständnis von literarischem Hörspiel und Hörspiel als Literatur, konnte sich zunächst durchsetzen und die Geschichte der Gattung bis in die 60er Jahre hinein bestimmen. Sie erfuhr ihre erste theoretische Ausprägung in Richard Kolbs "Horoskop des Hörspiels" (12) und hatte ihren ersten Höhepunkt in Eduard Reinachers laienspielnahem "Der Narr mit der Hacke" (13), der in einer für diese Position modellhaften Inszenierung durch Ernst Hardt als Tondokument erhalten blieb (14) Daß Kolbs "Horoskop (...)" hörspielgeschichtlich so folgenreich werden konnte, dürfte auch daran liegen, daß es konkurrenzlos wurde, nachdem weitere wichtige Hörspielansätze mit Machtübernahme durch die Nationalsozialisten praktisch nicht mehr zugänglich waren und damit zunächst in Vergessenheit gerieten: Überlegungen Bertolt Brechts zum Beispiel zum "Rundfunk als Kommunikationsapparat" (15), Walter Benjamins zum Beispiel zu "Zweierlei Volkstümlichkeit" (16), zum Problem eines heute sogenannten feedback. Auch Alfred Döblins These des Hörspiels als einer Mischform aus dem Jahre 1929 (17) wurde erst 1950 - und selbst da noch an abseitiger Stelle - den Interessierten zugänglich, blieb für das Nachkriegshörspiel also zunächst ebenso unberücksichtigt wie Arno Schirokauers Vorstellung eines Hörspiels der offenen Form, die sich sämtlicher Bestandteile des Rundfunkprogramms assimilierend bedienen dürfe: "Der Begriff des Hörspiels gestattet jedem, alles, was er will oder kann darunter zu verstehen" (18).
Als Helmut Heißenbüttel auf der Frankfurter Internationalen Hörspieltagung dem Hörspiel erneut das "Horoskop" stellte (18a), war dies eine längst fällige Auseinandersetzung mit Richard Kolb und seinen einseitigen Hörspielvorstellungen der Innerlichkeit, des "Immateriellen", des "Überpersönlichen", des "Seelischen im Menschen" als den eigentlichen Inhalten des Hörspiels.
Wenn Heißenbüttel in seinem "Horoskop", das inzwischen für das Neue Hörspiel eine ähnliche Bedeutung gewonnen hat wie Kolbs "Horoskop" für das literarische Hörspiel der Innerlichkeit, wenn Heißenbüttel in seinem "Horoskop" abschließend konstatiert: "Alles ist möglich. Alles ist erlaubt", dann zitiert er indirekt und ohne es zu wissen Arno Schirokauer, gewinnt er theoretisch eine Position zurück, die in Vergessenheit geraten war. Dieser Rückgewinn vergessener Positionen ist für das, Heißenbüttels "Horoskop" folgende theoretische und praktische Bemühen um ein neues Hörspiel charakteristisch, und forderte dazu auf, auch eine historische Neuorientierung (von der ich schon sprach) zu versuchen.
Das Neue Hörspiel, seine praktische Erprobung, theoretische Diskussion und geschichtliche Fundierung sind also keinesfalls der behauptete "Schildbürgerstreich", "im Hörspiel in demselben Augenblick (...) publikumsferne 'Elitekunst' zu propagieren, in dem im Rundfunkprogramm sonst (...) mit allen Mitteln um Publikumsgunst gerungen wurde". Sie sind vielmehr der Versuch einer Neubestimmung aus den Bedingungen des Mediums, der überfällige Versuch einer Wiederbelebung mit allen ihren Risiken. Damit ließen sich das Hörspiel und sein Theorie noch einmal auf eine Position ein, die hörspielgeschichtlich neben der Position des Sendespiels und der Position des Wortkunstwerks von Anfang an besetzt war als Position des akustischen Spiels, in der Einschätzung des Hörspiels als Gattung des technischen Mediums, als Radiokunst.
Als Fritz Walther Bischoff, dessen hörspielgeschichtliche Leistung und Bedeutung noch immer ihrer Darstellung harren, ein Jahr nach Erstsendung des Reinacher-Hörspiels Der Narr mit der Hacke< für die Funkausstellung und Phonoschau in Berlin sein "Hörspiel vom Hörspiel" (19) zusammenstellte, ging es ihm darum, anhand der in Breslau entwickelten Spielformen das weite offene Feld der Möglichkeiten anzudeuten. Doch während Bischoff 1931 seine Zuhörer mit der Hoffnung entließ, daß "beinahe alles noch zu tun sei", hatten Reinachers Hörspiel, die Aufsätze Kolbs seit 1930 (das "Horoskop" von 1932 ist eigentlich nur eine erweiterte Zusammenfassung von schon vorher Veröffentlichtem (20)) dem Hörspiel längst die Weiche gestellt. Hörspiele, die hier in andere Richtung hätten weisen können, wurden kaum mehr gesendet oder fielen, wie Alfred Döblins "Geschichte vom Franz Biberkopf" (21), der Zensur zum Opfer. Die Rechtswendung des Rundfunks hatte begonnen.
Nun ist auffallend, daß Bischoffs "Hörspiel vom Hörspiel" den Typus eines literarischen Hörspiels ausspart, stattdessen die "Hörfolge", das "Hörspiel für Musik, Wort und Ton", das "Lehrstück", ein Sensations- und Katastrophenhörspiel, ein dokumentarisches Spiel und eine "Hörfolge (...) in gesteigerter Form", die man heute Feature nennen würde, auszugsweise vorstellt (22). Diese Abstinenz gegenüber einem literarischen Hörspiel ist um so auffälliger, als Bischoff (wie Hardt in Köln) von Haus aus Schriftsteller war und sich als künstleri- scher Leiter, dann Intendant - die Programme der Breslauer Funkstunde weisen dies aus (23) - durchaus um die Vermittlung von Literatur durch den Rundfunk bemühte, sei es auf der Suche nach geeigneten Präsentationsformen, sei es im Bemühen um das Sendespiel.
Eine Begründung für diese auffällige Abstinenz fällt - bedingt durch die Unkenntnis noch zahlreicher Materials - nicht leicht, doch gibt es Gründe für die Vermutung, daß Bischoff zwar vermittelte Literatur im Rundfunkprogramm schätzte und förderte, daß er aber einem literarischen Hörspiel, dem Hörspiel als Literatur gegenüber mißtrauisch blieb. Anders als bei Hardt war sein Problem nämlich nicht, von der Literatur zu Rundfunk und Hörspiel zu kommen, sondern umgekehrt vom Rundfunk mit seinen sich entwickelnden technischen Möglichkeiten zum Hörspiel. Anders formuliert: Bischoff ging es nicht darum, ein für den Rundfunk geschriebenes literarisches Hörspiel mit den Mitteln des Mediums umzusetzen, sondern darum, mit und aus den Mitteln des Mediums ein künftiges Hörspiel zu entwickeln, von dessen endgültiger Form und Spielbreite er noch 1931 nur den Ansatz sah. Wo Kolbs "Horoskop" bereits von einem scheinbar gesicherten Hörspielbegriff und -verständnis ausging, war für Bischoff -"beinahe alles noch zu tun". Wo der vom Theater und Sendespiel herkommende Hardt durch seine Inszenierung von "Der Narr mit der Hacke" für Kolb und dessen Nachfolger ein Musterbeispiel einer neuen literarischen Gattung schuf, spricht Bischoff von einer "vielfältigen Arbeit am Hörspiel".
Ein derartiges work-in-progress-Verständnis findet sich damals wiederholt, unter anderem bei Alfred Döblin, der 1929 in seiner Rede über "Literatur und Rundfunk" die negative Bestimmung des Hörspiels durch Hans Flesch, "daß das Hörspiel weder Theaterstück, noch Novelle, noch Epos, noch Lyrik sein" (24) werde, durch den Prospekt ersetzt: die zukünftigen Hörspiele müßten sich, als Mischform, "lyrischer", "epischer", "auch essayistischer Elemente" bedienen und sich "zugleich die anderen Möglichkeiten des Rundfunks, Musik und Geräusche, für ihre Zwecke nutzbar machen" (25). Um dies zu erreichen, gelte es, sich von den Adaptionen epischer und dramatischer Literatur frei zu machen, da sie"nicht Kunst, sondern nur Abklatsch oder Kunsttorso oder Bericht von Kunst" seien. Wolle der Rundfunk sich Literatur "auf eigene Weise assimilieren", habe er Sich! "wie Antäus auf seinen eigenen Boden" zurückzubewegen (26).
Dieser "eigene Boden" aber war, ist und bleibt der Sendesaal, später das Studio, Orte auf die sich die Diskussion um das Hörspiel, liest man einmal genauer nach, auffallend häufig bezieht. Vordergründig, wenn neue technische Errungenschaften, zum Beispiel die Einrichtung eines Echoraums(27), die Entwicklung eines Klangreglers (28) mitgeteilt werden. Indirekt, wenn Bischoff, bezogen auf das akustische Spiel oder, wie er es auch nennt, das "phonetisch-akustische Gesamtkunstwerk" betont, "daß akustische Dramaturgie ohne technische Dramaturgie nicht zu denken ist" (29).
Als "Werkstatt des Funkdichters, des Funkregisseurs und des Funkspielers" (30) will 1929 der Intendant des Norddeutscher Rundfunks, Hans Bodenstedt, das Studio verstanden wissen, überzeugt, daß "jeder Sendevorgang im Studio, sofern es sich nicht um einen Vortrag oder ein Musikstück" handle, "die Grundelemente" des Hörspiels in sich trage. Dabei könne Studio letztlich jeder Raum sein, "in dem das Mikrophon aufgebaut" werde: "Ein Zimmer oder Saal im Funkhaus, das Theater, die Musikhalle, der Sportplatz, die Rednertribüne, der Hörsaal, das Maschinenhaus, die Straße, das Motorschiff, der Zoo (...), die ganze Welt bietet sich als Studio dar" (31).
Für das Hörspiel bedeute dies neben der selbstverständlichen dramatischen die wichtigere, weil noch unbekannte "akustische Forderung", für die der "künstlerische Experimentalfunk (...) die Voraussetzungen überhaupt erst schaffen" müsse (32).
Nicht viel anders erklärt Hans Flesch 1929 anläßlich der Eröffnung des Studios der Berliner Funk-Stunde: "Für den Rundfunk, diese wundervolle Synthese von Technik und Kunst auf dem Wege der Übermittlung, gilt der Satz: im Anfang war das Experiment" (33), um an anderer Stelle für den "bildenden und künstlerischen Teil des Rundfunks, soweit er sich im Senderaum" abspiele, zu ergänzen, daß er "sich noch mehr als bisher der Technik anpassen und zu seiner höchsten Vollkommenheit sich aller technischen Mittel bedienen" solle (34).
Läßt man die hörspielgeschichtlich wichtigen Leistungen des "künstlerischen Experimentalfunks", die hörspieltheoretischen Konsequenzen für den Augenblick noch unberücksichtigt, belegen die Zitate hinreichend, daß es neben den Positionen des Sendespiels und des Wortkunstwerks die Position eines (technisch) akustischen Spiels von Anfang an gegeben hat, eine Position, von der aus ein offenes Spielkonzept in erstaunlicher Breite diskutiert wurde (35).
Die Zitate belegen ferner hinreichend, daß zu der Zeit, in der Reinacher "der Idee des Hörspiels näher gekommen" war, "als irgendein anderer bis dahin", in der mit Hardts Inszenierung von "Der Narr mit der Hacke" die "Geschichte des modernen Hörspiels" erst eigentlich anfing, "zur Erfüllung zu gelangen" (36), in der sich eine Tendenz der Hörspielgeschichte zum literarischen Hörspiel als Literatur kurzschloß - daß in derselben Zeit eine zweite Tendenz durchaus Raum gewonnen hatte: die Idee eines mediumbedingter, noch zu entwickelnden Rundfunkeigenkunstwerks Hörspiel.
Was das literarische Hörspiel entwicklungsgeschichtlich kurzschloß, war für das akustische Spiel offene Form. An die Stelle des "lyrischen Sprachwerks", des "Musikwerks aus Sprache" trat zum Beispiel bei ihm aus der Vielzahl der Möglichkeiten die musikalische Hörfolge, das "Hörspiel für Musik, Wort und Ton". Statt des "Narren mit der Hacke" dort, ein "Hörspiel vom Hörspiel" hier.
Die hörspielgeschichtliche These, die es zu belegen galt und gilt, lautet nun: daß sich - begünstigt durch die geschichtliche Entwicklung und gefördert durch Literaturvorstellungen und Mißverständnisse der Verantwortlichen - zunächst die literarische Position durchsetzen konnte und die Hörspielgeschichte bis in die 60er Jahre hinein wesentlich konturierte, daß dagegen die Position des akustischen Spiels - von einigen Ausnahmen abgesehen - eigentlich erst im Neuen Hörspiel zur Entfaltung kam, daß. erst das Neue Hörspiel einlöste, was als eine Tendenz der Hörspielgeschichte genetisch eingelegt war. Man kann dies ein wenig verkürzen und sagen, daß die drei Ausgangspositionen, die dem Hörspiel synchronisch eigen waren, seine Entwicklung auch diachronisch bestimmt haben.(Wobei zu fragen wäre, ob dann die Bezeichnung Neues Hörspiel nicht besser durch eine andere Bezeichnung zu ersetzen wäre.)
Daß die Einlösung der hörspieltheoretischen und hörspielpraktischen Ansätze durch das Neue Hörspiel zunächst weitgehend in Unkenntnis seiner Vorgeschichte erfolgte, ließ sich bereits mehrfach andeuten. Auf derselben Hörspieltagung, auf der Heißenbüttel mit seinem Diktum, "Alles ist möglich. Alles ist erlaubt", ohne es zu wissen, Arno Schirokauer 'zitiert', greift Paul Pörtner, ohne dies zu wissen, einen Gedanken Hans Fleschs wieder auf. Hieß es bei diesem anläßlich der Eröffnung des Studios der Berliner Funkstunde, 1929: "Das Programm kann nicht am Schreibtisch gemacht werden", pointiert Pörtner 1968 in seinem Vortrag über "Schallspiele und elektronische Verfahren im Hörspiel": "Ich vertausche den Schreibtisch des Autors mit dem Sitz am Mischpult des Toningenieurs" (37).
Man kann diesen Schritt des Autors vom Schreibtisch ins Studio als für das Neue Hörspiel charakteristisch werten. Wo vorher der Autor sein Manuskript ablieferte, das dann auf dem Wege durch die Dramaturgie in den Regieraum oft zahlreichen, zum Teil entstellenden Eingriffen aus gesetzt war - Günter Eichs spätere Hörspielumschriften sind ja nicht nur Ausdruck sich ändernder literarischer Ansichten, sondern auch Reaktion des Autors auf, seinen Intentionen zuwiderlaufende, dramaturgische Eingriffe (38) - da nimmt jetzt der Autor-Regisseur die Realisation in die eigene Verantwortung, tritt an die Stelle des ausformulierten Manuskripts oft nur eine Arbeitsvorlage oder eine Partitur.
Eine derartige Aufhebung der Arbeitsteilung zwischen Autor, Dramaturg und Regisseur ist weniger überraschend, blickt man in die Frühgeschichte des Hörspiels zurück. Hatte Alfred Braun seine Experimente mit dem "akustischen Film" noch als Experimente mit der Form des Hörspiels entschuldigt, die eines Tages von den Schriftstellern zu füllen sei (39), teilten Bischoff und der Filmemacher Walter Ruttmann diese Skrupel nicht, gingen vielmehr mit ihren Konzepten und Partituren ins Studio, um dort Hörspielvorstellungen zu realisieren. Man könnte sie, zusammen mit Alfred Braun, als frühe Hörspiel-macher (40) bezeichnen und ihre "akustischen Filme", die Hörspiele "Hallo! Hier Welle Erdball!!" (41), "Menschheitsdämmerung" (42) und "Weekend" (43)als wesentliche Schritte bei der Genese des akustischen Spiels werten, in denen technisch noch erprobt wurde, was den Hörspielmachern des Neuen Hör-spiels eine Selbstverständlichkeit ist. Anders ausgedrückt: Bischoff, Braun und Ruttmann mußten in Personalunion Autor/Dramaturg/Regisseur sein, weil Autoren fehlten, die ihren Hörspielvorstellungen zuarbeiteten. Umgekehrt mußten viele Autoren des Neuen Hörspiels in Personalunion Autor/Dramaturg/Regisseur sein, weil sie keine Regisseure (und Dramaturgen) fanden, die ihre Vorstellungen vom Hörspiel realisieren konnten oder wollten.
Ein solches Hin und Her der Bezüge zwischen Neuem Hörspiel und Hörspielvorstellungen und -ansätzen des Weimarer Rundfunks wartet bislang auf seine genauere Untersuchung, zu der im folgenden die wichtigsten Stichworte zusammengefaßt werden sollen. Es sind dies die Stichworte Schallspiel, Spiel im Studio, Stereophonie, Schnitt und Montage; Musik als Hörspiel/ Hörspiel als Musik, wobei für jeden Fall gilt, daß sich die davon berührten Autoren des Neuen Hörspiels nachdrücklich auf jene Kooperation mit dem technischen Medium eingelassen haben, die die Diskussion um das akustische Spiel im Weimarer Rundfunk immer wieder nachdrücklich angemahnt hatte.
Wenn Paul Pörtner einige seiner Rundfunkarbeiten "Schallspiel" nennt, verwendet er eine Bezeichnung, die schon 1924 in der Programmzeitschrift "Der Deutsche Rundfunk" vorgeschlagen wurde für ein künftiges Rundfunkspiel, "dessen Zustandekommen wesentlich auf der Wirkung eines akustisch-elektrischen Vorgangs beruht" (44).
Frühe Versuche solcher Schallspiele haben sich nicht erhalten, so daß man auf wenige Kritiken und Diskussionsbeiträge angewiesen bleibt, die indirekt den Schluß zulassen, daß es Realisationen gegeben haben muß, in denen "Ton gegen Ton, Schall gegen Schall" gesetzt wurde, die das "nur Akustische" anstrebten (45). Er könne sich, schrieb damals Kurt Weill, "sehr gut vorstellen", "daß zu den Tönen und Rhythmen der Musik neue Klänge hinzutreten würden, Klänge aus anderen Sphären: Rufe menschlicher und tierischer Stimmen, Naturstimmen, Rauschen von Winden, Wasser, Blumen und dann ein Meer neuer, unerhörter Geräusche, die das Mikrophon auf künstlichem Wege erzeugen könnte, wenn Klangwellen übereinandergeschichtet oder ineinanderverwoben, verweht und neugeboren werden würden" (46).
Was Weill hier vorschwebte, war eine musikalische "absolute Radiokunst", auf die noch einmal zurückzukommen ist. Von "absoluter Funkkunst" sprach vier Jahre später auch Bischoff, von einem "Kunstprodukt", das "Wort und Musik" zusammenfüge "und in letzter endgültiger Totalität sich als akustisches Kunstwerk, als reines Hörspiel" (4) darstelle.
Diese Überlegungen und die ihr zugehörenden Experimente waren Friedrich Knilli weitgehend unbekannt, als er 1961 das "totale Schallspiel" proklamierte (48). Was ihn von seinen Vordenkern trennt, sind jedoch lediglich die inzwischen verbesserten und entwickelten technischen Mittel und Möglichkeiten des Schallspiels sowie das Epitheton "total", das neben seiner geschichtlichen Belastung einen Absolutheitsanspruch erhebt, der ebenso unhaltbar ist wie Knillis späterer ideologischer Irrtum, aus dem Distributionsapparat Rundfunk einen Kommunikationsapparat machen zu können (49). Paul Pörtner, für den das Schallspiel nur eine Möglichkeit unter anderen ist, hat deshalb zurecht in seinem Frankfurter Vortrag differenziert:
"Es ist müßig, ein 'totales Schallspiel' gegen das Hörspiel zu setzen: jede Totalisierung führt ad absurdum. Bloßes Schallspiel ist ebenso abstrakt wie bloßes Wortspiel. Aber mittels Schall den Gehörsinn zu mobilisieren, mittels kalkulierter Impulse Inspiration zu erzielen: mit einem ausgestrahlten Hörspiel das Selbstbewußtsein des Hörers zu bewegen, das bedeutet eine Steigerung der Wirkung, die aus dem Literarischen stammt, aber über die reine Vermittlung des Sprachlichen ins Unmittelbar Sinnliche des Hörens vordringt" (50)
Eine solche Differenzierung markiert zugleich den historischen Abstand zur Naivität der Ansätze, zur Vorstellung eines Rundfunkspiels, "dessen Zustandekommen wesentlich auf der Wirkung eines akustisch-elektrischen Vorgangs" (51) beruhe. Sie provoziert aber auch die Frage, was wohl geschehen wäre, hätten sich diese Ansätze ohne vorzeitige Weichenstellung und gewaltsame Unterbrechung fortsetzen lassen. Und die Zusatzfrage, ob noch dann Pörtners Schallspiele so verwirrt, eine derart heftige bis unqualifizierte Kritik und Ablehnung erfahren hätten.
Den ärgerlichen Eindruck einer unterbrochenen Tradition gewinnt man auch, wenn man Bodenstedts Überzeugung, "jeder Sendevorgang im Studio, sofern es sich nicht um einen Vortrag oder ein Musikstück" handele, trage "die Grundelemente des Sendespiels in sich: dramatische Spannung und akustischen Ausdruck" - wenn man diese Überzeugung Bodenstedts mit Mauricio Kagels Vorüberlegungen zu "(Hörspiel) Ein Aufnahmezustand" (52) vergleicht.
"Jeder der sieben Mitwirkenden, der zu einer Studioaufnahme eingeladen ist, wird erst a posteriori erfahren, daß nebensächliche Fragen und Antworten, spontane Äußerungen, ungezwungene Bemerkungen und Nebengeräusche Hauptinteresse dieser Produktion sind. Die von ihm kunstvoll artikulierten Klänge und Worte werden dagegen als notwendiger Abfall hingenommen" (53).
Sieht man von der implizit enthaltenen Parodie des perfektionistischen Handlungshörspiels und der im Grunde musikalischen Absicht Kagels ab, besteht der Unterschied zu Bodenstedts Überlegungen eigentlich nur darin, daß Bodenstedt jeglichen Sendevorgang, Kagel bereits jeglichen Aufnahmezustand zum Hörspiel erklärt, ein Unterschied, der sich auch aus der verbesserten Studiotechnik, vor allem der Möglichkeit der Bandaufnahme begründet.
Als 1968 auf der Frankfurter Hörspieltagung die Möglichkeiten und Chancen der damals noch neuen Stereophonie diskutiert wurden, reklamierte der damalige Hörspielleiter des Saarländischen Rundfunks, Heinz Hostnig, die stereophone Technik für die Realisationen experimenteller Literatur, da "die Stereophonie das Theatralische" des traditionellen Handlungshörspiels "zu seinem Nachteil" betone.
"Das Chaos an vorgefundener, vorgeformter Sprache, in spielerische Ordnung gebracht, das heißt mit Absicht filtriert, kombiniert und auf ein bestimmtes Ziel hin komponiert - ist das nicht ebenso gut Spiel wie das andere mit Figuren und kombinierten Handlungszügen? Und läßt sich mit derartigen Sprach- und Sprechspielen der stereophonische Hörraum nicht viel besser ausnützen als mit den herkömmlichen Figurenstücken, indem ich zu räumlichen Bewegungsabläufen komme, die in etwa den sprachlichen entsprechen?" (54).
Wiederum erfolgt der Vorschlag ohne Kenntnis der Vorgeschichte. Kein Hinweis darauf, daß Hörspielvorstellungen und Realisationsversuche der sogenannten Stuttgarter Genietruppe, also Martin Walsers, Helmut Jedeles, Heinz Hubers, im monauralen Rundfunk um 1950 Gedanken der Stereophonie schon vorwegnahmen (55). Keine Erinnerung daran, daß Bodenstedt schon 1929 die Raumvorstellungen des Hörers nicht durch sprachliche Vermittlung, sondern "allein durch funkische Mittel (...) erreichen" wollte:
"Als ein solches kann die Stereophonie betrachtet werden, die aber in der heute üblichen Form - Verteilung parallel geschalteter Mikrophone im Senderaum - keineswegs genügt, vielmehr analog der Stereoskopie durch Ausbildung jedes einzelnen Mikrophons als stereophonisches Doppelmikrophon vervollkommnet werden müßte. Wie zwei Augen erst ein plastisches Sehen ermöglichen, so zwei Ohren ein räumliches Hören. Der stereophonische Funk bleibt eine Forderung der Zukunft" (56).
Der Saarländische Rundfunk war als einer der ersten stereophon ausgerüstet. So konnte er auch, als einer der ersten, Autoren auf diese neue technische Möglichkeit hinweisen und wandte sich dabei aus den bereits genannten Überlegungen heraus vor allem an experimentelle Autoren, die ihrerseits sehr unterschiedlich und spielfreudig auf das neue technische Angebot reagierten. Einer der Autoren, die erst über die Stereophonie zum Hörspiel gestoßen sind, war Franz Mon, der sich neben ihrer praktischen Erprobung auch Gedanken über ihre Konsequenzen für das Hörspiel gemacht hat.
"erst wenn die - sowieso beschränkte - stereophonie nicht als wahrnehmungsillusion sondern als syntaktisches mittel zur ordnung von hörereignissen verstanden wird, kann sie mit der syntax der zeitverläufe in beziehung treten, räumliche positionen und zeitliche verläufe dienen dann der ordnung und beziehung desselben materials" (57).
Ich habe in anderem Zusammenhang ausführlicher dargestellt, wie die technischen Bedingungen und Möglichkeiten des Rundfunks die Entwicklung des Hörspiels mit konstituiert haben (58). Es läßt sich von diesen Bedingungen ganz formal als von den syntaktischen Bedingungen des Hörspiels sprechen. Franz Mon jedenfalls sieht 1969 in der Stereophonie ein "syntaktisches Mittel". Und Paul Pörtner hatte erklärt: "Meine Syntax ist der Schnitt" (59).
Fraglos wurde durch die Möglichkeit des Schnitts die Syntax des Hörspiels entschieden erweitert, um so mehr, weil bei Einführung des Tonbands nach dem Kriege der Schnitt als technische Voraussetzung reizvoller Montagen im Film vielfältig erprobt war. Hörspielgeschichtlich begegnete der Schnitt ein erstes Mal in der Weimarer Republik. Auf der Suche nach geeigneten Aufzeichnungsmöglichkeiten experimentierte man damals auch mit Tonfilmstreifen, war Hans Flesch schon 1928 überzeugt, daß bei einer künftigen Entwicklung des Hörspiels "aus dem Mikrophon" heraus "nur der Tonfilm (...) in der Lage" sein werde, "den Willen des Regisseurs bis ins Letzte auszuführen":
"Bei einem auf Tonfilm aufgenommenen Hörspiel kann nach Abhören durch Schneiden, Überblenden, Absetzen usw. ein Gebilde geschaffen werden, das der Regisseur als vollständig gelungen betrachtet und nunmehr abends dem Hörer darbietet" (60).
Das Experimentieren mit Tonfilmstreifen war durchaus erfolgreich. Zwei Produktionen sind bekannter geworden: Fritz Walther Bischoffs Neuinszenierung von "Hallo! Hier Welle Erdball!!" und Walter Ruttmanns "Weekend", beide 1930. Wiederaufgefunden worden ist bisher allerdings nur Ruttmanns "Weekend", doch ist dieser Fund besonders wichtig, da Ruttmann als Filmemacher einschlägige Erfahrungen mit Schnitt und Montage in seine Realisation und damit in die Hörspielgeschichte einbringen konnte. Will man ein wenig spekulieren und zieht hier das erhaltenes Funkmanuskript von "Hallo! Hier Welle Erdball!!", das allerdings Vorlage einer Liveinszenierung um 1928 war (61), vergleichend heran, läßt sich vermuten, daß Bischoff und Ruttmann die Möglichkeiten des Schnitts durchaus verschieden genutzt haben. Bischoff vor allem zur schlakenlosen Verbindung längerer und kürzerer Spielsequenzen und damit alternativ zur Technik der Blende (62), die in Breslau experimentell entwickelt wurde, Ruttmann aus den Erfahrungen experimenteller Filmmontagen heraus auch und vor allem als Kompositionsmittel. Bezeichnenderweise war der russische Filmemacher Wsewolod Pudwokin von Ruttmanns Hörfilm nicht nur begeistert, sondern erklärte auch, Ruttmann habe in "Weekend" "das Problem des Tones durch assoziative Montage auf die freieste Weise und grundsätzlich gelöst" (63).
Da sich das teure Verfahren der Aufzeichnung auf und Montage von Tonfilmstreifen nicht durchsetzen ließ, blieb es zunächst bei der Praxis der Blende, an der man auch dann noch festhielt, als nach Einführung des Tonbands der kompositorische Einsatz des Schnitts leicht möglich gewesen wäre. Noch 1963 galt Heinz Schwitzke die Blende als das "modernste Kunstmittel", als "ein neues Ordnungsprinzip" (64), in einem Maße, das für die Hörspiele der Innerlichkeit fast von einer Ideologisierung der Blende sprechen läßt. So wurden die kompositorischen Möglichkeiten des (harten) Schnitts eher zufällig wiederentdeckt während einer Produktion des Süddeutschen Rundfunks, bei der Heinz von Cramer Regie führte:
"Das war 1965, glaube ich, bei der Endfertigung eines Hörspiels von Konrad Wünsche, "Gegendemonstration" (65). Wir hatten da eine Szene mit Passanten, die durch eine Straße flüchten sollten, in der geschossen wird, bis sie schließlich in Hauseingängen notdürftig Deckung finden. (. .) Ich wollte (...) - und vor allem das Stück wollte es! - daß der Hörer sozusagen mitflüchtete, zumindest in den Sog der Szene geriet. Also versuchte ich, die Geräusche, statt sie zu unterlegen, zwischen die Sätze der Passanten zu schneiden. Sogar zwischen einzelne Worte und Silben der jeweiligen Sätze. Ganz nach den rhythmischen Gegebenheiten, die da entstanden. Denn es waren vor allem Rhythmen, die sich ergaben, sofort, gleich nach den ersten, noch schüchternen Schnitt-Versuchen. Länge oder Kürze der Zwischenschnitte bestimmten Verzögerung oder Vorwärtsdrängen der Szene. Während die Klangkulisse den Hörer beruhigt, ja geradezu abstumpft in manchen Fällen - setzen akustische Signale die Phantasie des Hörers in Bewegung, er muß sie ergänzen, weiterführen, aus ihnen erst seine Wirklichkeit machen" (66).
Es ist vielleicht kein Zufall, daß, nachdem zunächst ein Filmemacher den Hörspielmachern die kompositorischen Möglichkeiten des Schnitts demonstrierte, es jetzt ein Regisseur und Musiker ist, der die kompositorischen Möglichkeiten des Schnitts wiederentdeckt, wie es weiterhin kaum Zufall ist, wenn Heinz von Cramer in den folgenden Jahren zu einem der wichtigsten Regisseure des Neuen Hörspiels wird, für das der Schnitt mit seinen Möglichkeiten eine ähnliche Bedeutung bekommt, wie die Blende sie für das Hörspiel der Innerlichkeit hatte.
Das Originalton-Hörspiel (auch dieses ja in den 20er Jahren bereits im Ansatz erprobt und vorbereitet (67))hätte zum Beispiel ohne Schnitt, Montage/Collage des aufgezeichneten Materials kaum in seinen Spielformen entstehen können.
Die Begriffe Montage/Collage sind in ihrem Gebrauch nicht immer deutlich zu trennen. Ohne sich hier auf eine grundsätzliche Diskussion einzulassen, läßt sich eingrenzen, daß Montage (wie beim Film) den technisch-formalen Vorgang des Zusammenfügens bezeichnet. So gesehen wurden die Einzelaufnahmen für ein Hörspiel der Innerlichkeit ebenso zum Ganzen montiert, wie im Grunde jede beliebige Menge auch unterschiedlichster Aufzeichnungen montiert werden kann. Erfolgt diese Montage, um Sprünge, Brüche, Widersprüche hörbar zu machen, Ordnungen in Frage zu stellen, wäre dagegen von Collage zu sprechen. Heinrich Vormweg, der in einer Sendereihe "Dokumente und Collagen" (68) diesem Problem genauer nachgegangen ist, erklärt jedenfalls:
"Die Collage (...) ist das Ergebnis des Zweifels an den gewohnten Zuordnungen. Sie hebt die Subjekt-Objekt-Prädikat-Beziehung und ihre Überhöhung in der Gestalt auf und geht aus von gleich berechtigten Sprechstücken, meldet damit auch Zweifel an, wo diese die genannte Beziehung enthalten. Dabei mag sie auf den ersten Blick als eine in geringerem Maße entwickelte Form erscheinen. Tatsächlich aber ist die Collage etwas anderes als Form im traditionellen Sinn. Sie artikuliert Fragen, nicht Antworten, fordert heraus, statt zu bejahen, besteht auf dem einzelnen, statt von ihm in Zusammenhänge, in Allgemeines abzulenken" (69).
Ein solcher Collage-Begriff entspricht entfernt dem Montage-Begriff der Literatur, ist aber in seinem Verständnis wohl eher durch Erfahrungen der bildenden Kunst geprägt, die diese im Spannungsfeld zwischen Collage und Décollage gemacht hat. Collagen in diesem Sinne sind zum Beispiel Peter 0. Chotjewitz' "Die Falle oder Die Studenten sind nicht an allem schuld" (70) oder Ludwig Harigs "Staatsbegräbnis" (71), während Paul Pörtners Schallspiele< (72), Ferdinand Kriwets "Hörtexte" (73) eher Montagen sind.
Was bei Pörtner 1968 noch Prospekt ist: "Meine Aufzeichnung wird über Mikrophone, Aufnahmegeräte, Steuerungen, Filter auf Band vorgenommen, die Montage macht aus vielen hundert Partikeln das Spielwerk" (74), ist bei Kriwet 1969 bereits Arbeitsbericht, in dem noch eine letzte Arbeitsteilung, die nämlich zwischen Autor Regie und Technik, aufgehoben wird:
"Hörtexte verwenden theoretisch alle Möglichkeiten der menschlichen und auch künstlichen Stimmerzeugung sowie alle elektroakustischen Möglichkeiten ihrer Analyse und Synthese mittels Aufnahme, Transformation und Montage. Neben unterschiedlichen Aufnahmepraktiken und der Verwendung spezieller Mikrophone sind vorläufig Schnitt und Mischung die in meiner Arbeit dominierenden Praktiken" (75).
Hörtexte dieser Art ließen fragen, ob sie noch Literatur oder schon Musik oder was sie denn seien, da der kompositorische Umgang mit dem vorgefundenen sprachlichen Material nach den Spielregeln der Rundfunktechnik das Material in einen akustischen Zustand überführe, der nur wenig mit Sprache zu tun habe. Aber ist eine solche Fragestellung überhaupt richtig, ist sie, vor allem beim akustischen Spiel, überhaupt sinnvoll? Ich meine nein.
Schon die Liste der Preisträger des Neuen Hörspiels gibt dabei einen ersten Hinweis. Denn sie enthält mit Mauricio Kagel und John Cage die Namen zweier Komponisten. Einen zweiten Hinweis liefert die Umwidmung des Karl-Sczuka-Preises, der - ursprünglich ausschließlich für Hörspielmusik ausgeschrieben - eingedenk der fließend gewordenen Grenzen zwischen den einzelnen Kunstarten, des Hörspiels als einer speziellen Mischform, seit 1970 auch für in Sprache, Geräusch und Musik nach musikalischen Formprinzipien behandelte radiophonische Produktionen verliehen wird.
Bringt man das Problem zunächst auf die Formel Hörspiel und Musik / Musik und Hörspiel, so ist dieser Aspekt so alt wie das Hörspiel selbst und nur durch das lange Zeit dominierende literarische Hörspiel verdeckt gewesen. Mustert man die frühen Vorstellungen eines Rundfunkeigenkunstwerks, wird entweder - etwa bei Hans Flesch - von beidem, einem musikalischen Eigenkunstwerk und dem Hörspiel, gleichzeitig gesprochen:
"Vielleicht wird einmal aus der Eigenart der elektrischen Wellen etwas Neues geschaffen, das wohl mit Tönen, aber nichts mit Musik zu tun hat; ebenso wie wir davon überzeugt sind, daß das Hörspiel weder Theaterstück, noch Epos, noch Lyrik sein wird" (76).
Oder man nimmt das künftige Eigenkunstwerk des Rundfunks als eine Mischung aus beidem an, wobei die Musik oft sogar voransteht, etwa dem Frankfurter Intendanten Ernst Schoen, für den es eine ausgemachte Sache ist, daß künftige Hörspiele "im wesentlichen von rundfunkgeeignetem Stoff und als kunstvollstem Rundfunkmaterial möglichst von der Musik ausgehen" müssen (77).
Trotz intensiveren Bemühens der Musiker um das Hörspiel, neben Weill muß hier vor allem der experimentierfreudige Paul Hindemith genannt werden, kam es zu einem die Grenze zwischen Musik und Literatur aufhebenden Eigenkunstwerk des Rundfunks zunächst nicht. Als Kompromiß bezeichnet werden könnte allenfalls das "Hörspiel mit Musik", dessen Spielbreite durch Brecht/Hindemith/Weills "Lindberghflug" (78) auf der einen und Erich Kästner/Edmund Nicks "Leben in dieser Zeit" (79) auf der anderen Seite in etwa angedeutet ist. Daß noch dieser Kompromiß aus Blickrichtung des literarischen Hörspiels in Mißkredit geriet, belegt ein Zitat aus dem von Heinz Schwitzke herausgegebenen "Hörspielführer", für den Brechts theoretische Darlegungen (...) ebenso wie die weithin zum Singen bestimmten Texte" ausreichender Beweis waren, "daß das Werk nicht als Hörspiel (...) gedacht ist. So beruhen Rundfunksendungen als Hörspiel eigentlich auf einem Mißverständnis" (80).
Die im Weimarer Rundfunk erfolgende schrittweise Trennung von Musik und Hörspiel wirkte sich für beide durchaus nachteilig aus, verhinderte zunächst, daß Grenzüberschreitungen, wie sie für die Künste im 20. Jahrhundert gang und gäbe sind, für eine Mischform Hörspiel produktiv wurden. Spätere Ausnahmen wie die Entwicklung einer musique concrete im Studio, dann im Club d'Essai der ORTF noch (81) sind die sprichwörtliche Ausnahmen von der Regel und blieben, speziell für die deutsche Hörspielgeschichte, zunächst ja auch folgenlos, eine Hörspielgeschichte, in der Musik fast eine Generation lang nurmehr als Hörspielmusik ein kümmerliches Dasein fristete.
Aufgehoben wurde diese unsinnige Trennung von Musik und Hörspiel erst, nachdem das Neue Hörspiel die engen Grenzen des literarischen Hörspiel gesprengt hatte. Wenn man will, läßt sich diese Aufhebung datieren mit dem Tag, an dem Mauricio Kagel Musiker und Sprecher ins Studio des Westdeutschen Rundfunks einlud, um Aufnahmen von einer Aufnahme zu machen, und diesen Aufnahmezustand als Hörspiel erklärte. Mit ähnlicher Konsequenz ersetzte er die allgemeine Formel Hörspiel und Musik/Musik und Hörspiel durch die Hypothese "Musik als Hörspiel" und veranstaltete unter diesem Motte 1970 die VII. Kölner Kurse für Neue Musik:
"Wird Musik als Hörspiel deklariert, dann ist man grundsätzlich vom Zwang befreit, alles Sprechbare singen zu lassen, oder die Worte so zu artikulieren, daß Verzerrungen unvermeidbar sind. Das Komponieren von Hörspielen soll kein Ersatz für alle anderen Möglichkeiten der Verwendung von Sprache in der Musik sein, sondern eine legitime Form mehr, welche allerdings eine semantische Entschärfung des Wortes vermeidet. Das musikalische Material kann im Kontakt mit dem Hörspiel bereichert werden und vice versa" (82).
Dieses Vice versa: die Bereicherung des Hörspiels belegen inzwischen Reihen wie "Komponisten als Hörspielmacher" (mit Arbeiten unter anderem von Mauricio Kagel (83), Anestis Logothetis, Luc Ferrari, Dieter Schnebel), Hörspiele von Klarenz Barlow, Friedhelm Döhl (84) und vor allem John Cage (85), die Umwidmung des Karl-Sczuka-Preises, aber auch ein Regisseur wie Heinz von Cramer, der, von der Musik herkommend, nicht nur dem Neuen Hörspiel mit zu seinem Durchbruch verholfen hat, sondern in den letzten Jahren auch mit eigenen Hörspielen nach literarischen Vorlagen inhaltlich und formal die Nachbarschaft von Musik und Hörspiel in gleichsam musikalischen Inszenierungen (86) unter Beweis gestellt hat, mit der zweiteiligen "Ketzer- Chronik" (87) ebenso wie mit den "Menschenlandschaften" nach Nazim Hikmet, den "Verlorenen Spuren" nach Alejo Carpentier, oder "Maldoror, den alten Ozean grüßend" nach Lautreamont.
Die aufgeführten Beispiele und Zitate reichen aus, die These zu erhärten, daß die synchronisch in der Hörspielgeschichte an gelegten Grundpositionen die Entwicklung auch diachronisch bestimmt haben, daß der Phase des Sendespiels eine Phase des literarischen Hörspiels, da' dem Wortkunstwerk das akustische Spiel folgt. Daß der Annäherung an das Hörspiel über die literarische Vorlage der zeitweilig dominante Versuch folgt, es als literarische Gattung des Rundfunks zu etablieren, und daß dieser Versuch abgelöst wird durch eine Rückbesinnung auf ein rundfunkeigenes Spiel mit und aus den Mitteln, wie zu den Bedingungen des Mediums. (Der auffällig starke auch inhaltliche Medienbezug des Neuen Hörspiels wäre hier ein weiterer Hinweis.) Das ist zwar ein wenig überspitzt und verkürzt, zeichnet aber dennoch korrekt die große Kontur, die jeweils im Einzelnen zu differenzieren wäre.
Auf der Suche nach Gründen, warum sich ein akustisches, rundfunkeigenes Spiel, an das die Rundfunkverantwortlichen und -interessierten von Anfang an gedacht hatten, zunächst nicht durchsetzen und etablieren konnte, fand sich der Kurzschluß des literarischen als des eigentlichen Hörspiels. Ferner ist die politische Unterbrechung einer organischen Hörspielentwicklung durch die Radioselbstinszenierung und Wirkungsästhetik der Nationalsozialisten in Anschlag zu bringen. Hinzu kommt drittens - die Langlebigkeit dieses Kurzschlusses mit erklärend - eine gewisse Technikscheu bis -feindlichkeit nicht nur der Hörspielkonsumenten, sondern auch seiner Verwalter. Das von Hans Flesch durchaus positiv gemeinte Diktum: "im Anfang war die Technik", verkehrte und verkehrt sich noch bei den Adepten des literarischen Hörspiels zur Entschuldigungsformel, zum Verweis auf eine längst überwundene Kinderkrankheit (88). Ihnen war und ist der Rundfunk ein technisches Instrument, dessen man sich lediglich bedient, um Literatur (und was man dafür hält) auch dorthin zu liefern, wo Literatur sonst nicht hinkommt: zunächst eine adaptierte,dann die hausgemachte Literatur des Hörspiels. Diese Technikscheu und -feindlichkeit auf der einen, eine unkritische Technikeuphorie auf der anderen Seite galt es mitzubedenken, als sich Autoren, Regisseure und Dramaturgen auf der Frankfurter Internationalen Hörspieltagung 1968 daran machten, die Weichen für eine Hörspiel neubesinnung zu stellen.
"Die Mittel der Vermittlung", sagte damals Paul Pörtner, "werden in der Radiophonie nicht zur bloßen Übertragung von Vorgeformtem benutzt (...), sondern zur Produktion von Kompositionen, die erst durch die Technik zustandekommen. Die Geringschätzung der Technik ist ebenso unrealistisch wie die Überschätzung: die Maschinenromantik der Konstruktivisten gehört ebenso der Vergangenheit an wie die Exklusivität der abstrakten Geistigkeit, die sich in einer Literatur für Literatur selbst genügt. Die Technik der Autoren wird oft übertroffen von der Technik der Ingenieure: die Erfindungen der Physiker sind phantastischer|als die Spekulationen der Metaphysiker. Dichter, die sich etwas einbilden, geraten in die Sphäre der bloßen Einbildung, die sinnlos wird angesichts der immensen Phantastik der heutigen Realität" (89).
Heute, wo hochkompliziertes technischen Spielzeug, aber auch der Stumpfsinn der Telespiele bereits die Kinderzimmer besetzt hat, sollte die anfängliche Scheu vor den technischen Medien auch bei denen gewichen sein, die in ihnen anderes sehen als nur Spielzeug. Entsprechend will sich der kritische Benutzer über den Rundfunk weniger mit einer Literatur beliefern lassen, deren Form und Inhalt noch durch ihre angestammten Medien Buch und Theater bestimmt sind, die sich auch lesen oder im Theater sehen ließe, er erwartet vielmehr eine dem neuen Medium entsprechende akustische Kunst und Literatur.
Die Prognose aber dieser Entwicklung hatte Guillaume Apollinaire bereits 1918 in einem kleinen Vortrag/Essay gestellt, den man auch als sein "Testament" apostrophiert hat: L'Esprit nouveau et les Poètes" (90). "Es wäre sonderbar gewesen", schreibt er dort, "wenn die Dichter in einer Zeit, da die Volkskunst schlechthin, das Kino, ein Bilderbuch ist, nicht versucht hätten, für die nachdenklicheren und feineren Geister, die sich keineswegs mit den groben Vorstellungen der Filmproduzenten zufrieden geben, Bilder zu komponieren. Jene Vorstellungen werden sich verfeinern, und schon kann man den Tag voraussehen, an dem die Dichter, da Phonograph und Kino die einigen gebräuchlichen Ausdrucksformen geworden sind, eine bislang unbekannte Freiheit genießen werden. Man wundere sich daher nicht, wenn sie sich mit den einzigen Mitteln, über die sie noch verfügen, auf diese neue Kunst vorzubereiten suchen, die viel umfassender ist als die einfache Kunst der Worte und bei der sie als Dirigenten eines Orchesters von unerhörter Spannweite die ganze Welt, ihre Geräusch- und Erscheinungsformen, das Denken und die Sprache des Menschen, den Gesang, den Tanz, alle Künste und alle Künstlichkeiten und mehr Spiegelungen, als die Fee Morgana auf dem Berge Dschebel hervorzuzaubern wußte, zu ihrer Verfügung haben werden, um das sichtbare und hörbare Buch der Zukunft zu erschaffen."
Es will mir scheinen, als hätte die akustische Kunst des Hörspiels von diesem "hörbaren Buch der Zukunft" bereits mehr als nur ein paar Seiten aufgeschlagen.
Vortrag Wochenendseminar, Sengokuso 24./25.10; Kyushu-Universität, Fukuoka, 28.10.1987 (im Rahmen einer Ringvorlesung)
Anmerkungen
1) Katalog der Documenta 8, Kassel
1987, Bd. 1, S. 127 ff.
2) Internationale Hörspieltagung.
Veranstaltet von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in
Verbindung mit dem Hessischen Rundfunk. Frankfurt 21. bis 27. März
1968. Die Referate und Diskussionen sind nur maschinenschriftlich vervielfältigt,
über den Buchhandel nicht zugänglich. Künftig zitiert als
IH.
3) epd/Kirche und Rundfunk 30.10.1982.
4) New York Times 12.12.1981.
5) Mauricio Kagel: Das Buch der Hörspiele.
Frankfurt/Main: Suhrkamp 1982.
6) John Cage: Roaratorio. Ein irischer
Circus über Finnegans Wake. Königstein/Ts.: Athenäum 1982.
7) Karl H. Karst: Staubfänger
Hörspiel. Schleichwege aus dem Rundfunkarchiv. In: epd/Kirche und
Rundfunk 20.10.1982.
8) Funk-Stunde Berlin 11.4.1932. Das
erhaltende Tondokument ist archiviert im Deutschen Rundfunkarchiv, Frankfurt/Main
(dafür künftig DRA) unter der Nr. 53-612. - Vgl. zur Radio-Uraufführung
auch B.B.: Die heilige Johanna der Schlachthöfe. Bühnenfassung,
Fragmente, Varianten. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1971 (edition suhrkamp,
427), S. 217 ff.
9) Vgl. Klaus Schöning: "40 Jahre
Hörspiel im WDR", WDR III 7./14./21.12.1967; Döhl: "50 Jahre
Kölner Dramaturgie", WDR III 14./21./28.3.1977; ders.: "60 Jahre Kölner
Dramaturgie", WDR III 6.1./10.2./3.11.1987.
9a) Ödön von Horvaths "Glaube,
Liebe, Hoffnung" in der Bearbeitung von Heinz Huber (SDR 12.12.1956) wäre
ein früher Beleg der Horvath-Renaissance. - Ernst Hardts "Wozzek"-Inszenierung
wurde am 28.1.1930 von der Funk-Stunde Berlin gesendet (DRA 53.816). Zu
Bischoffs "Wozzek"-Inszenierung vgl. Bischoff: Die Dramaturgie des Hörspiels.
In: Rundfunkjahrbuch 1929. Berlin: Union Deutsche Verlagsgesellschaft o.J.,
S. 203 f.
10) Julius Witte: Problem des Hörspiels.
In: Funk, Jg 2, 1925, H. 36, S. 447.
11) Ernst Hardt in seinem Referat
"Drama" auf der Kasseler Arbeitstagung "Dichtung und Rundfunk". Zit. nach
Hans Bredow: Aus meinem Archiv. Heidelberg: Vowinckel 1950, S. 347.
12) Berlin. Hesse 1932.
13) Westdeutscher Rundfunk 11.7.1930.
Druck in: Der Narr mit der Hacke. München: Kaiser 1931 u.a. Alle Drucke
hörspielphilologisch unbrauchbar.
14) DRA 73 H 2134/1.
15) Auszugsweise Juli 1932 in den
"Blättern des Hessischen Landes-Theaters", Darmstadt. Vollständig
in: Schriften zur Literatur und Kunst, Bd 1 (Gesammelte Werke, 18). Frankfurt/Main:
Suhrkamp 1967, S. 127 ff.
16) Zweierlei Volkstümlichkeit.
Grundsätzliches zu einem Hörspiel. In: Rufer und Hörer,
Jg 2, 1932, S. 284 f. Der Aufsatz erschien anläßlich eines Teildrucks
von "Was die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben. -
Für Benjamin ging es nicht darum, das Interesse des Zuhörers
"mit irgendeinem zeitfälligen Anlaß" zu ködern, um ihn
dann doch nur an einem gleichsam ins neue Medium verlagerten "Bildungslehrgang"
teilnehmen zu lassen, vielmehr müßten "Umgestaltung und Umgruppierung"
ihm "die Gewißheit" geben, "daß sein eigenes Interesse einen
sachlichen Wert für den Stoff selbst besitzt, daß sein Fragen,
auch wenn es vor dem Mikrophon nicht laut wird, neue wissenschaftliche
Befunde erfragt".
17) Literatur und Rundfunk. In: Bredow:
aus meinem Archiv, S. 311 ff.
18) Vorrecht des Dramas? Ein Einwurf
in die Aussprache über das Hörspiel. In: Rufer und Hörer,
Jg 2, 1932, S. 85.
18a) Horoskop des Hörspiels.
In: IH, S. 19 ff.; ferner in H.H.: Zur Tradition der Moderne. Neuwied und
Berlin: Luchterhand 1972 (Sammlung Luchterhand, 51), S. 203 ff.
19) DRA 53.600.
20) "Diese Schrift ist die erweiterte
Fssg einer im Herbst 1930 in der Bayerischen Radiozeitung, München,
in der Süddeutschen Radiozeitung, Stuttgart erschienen Aufsatzreihe"
(Das Horoskop des Hörspiels, S. 124).
21) DRA C 457. - Zu Geschichte und
Schicksal dieser Hörspieladaption und seiner Druckfassungen vgl. Döhl:
Hörspielphilologie?
In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft XXVI, 1982, S. 498 ff.
22) Ich nenne die Bischoffschen Hörspieltypen
in der Reihenfolge, in der sie in Berlin vorgestellt wurden. Die Reihenfolge
auf dem Tondokument (s. Anm. 19) ist falsch.
23) Vgl. Bischoffs Aufsatz: Das literarische
Problem im Rundfunk, in: Rundfunkjahrbuch 1929, S. 53 ff.; ferner F.W.
Odendahl: Das letzte Rundfunkjahr. Berichte der deutschen Rundfunkgesellschaften.
Ebd., S. 99 ff. und anonym (wahrscheinlich Bischoff): Schlesische Funkstunde.
Aus unserer Arbeit. In: Rundfunkjahrbuch 1931, S. 135.
24) Rundfunkmusik. In: Bredow: Aus
meinem Archiv, S. 239.
25) Literatur und Rundfunk. Ebd.,
S. 317.
26) Ebd.
27) Funk, Jg 6, H. 30 und H. 35. -
Wie häufig in der Hörspielgeschichte gingen auch hier die Vorstellungen
von Autoren den technischen Möglichkeiten voraus. Vgl. Rolf Gunold:
Die Entdeckung des akustischen Kosmos. In: Der Deutsche Rundfunk, Jg 3,
1926, H. 29, S. 1997.
28) Vgl. Hansjörg Schmitthenner:
Erste deutsche Hörspieldokumente. In: Rundfunk und Fernsehen, Jg 26,
1978, H. 2, S. 241 f.
29) Dramaturgie des Hörspiels,
S. 202 f.
30) Spiel im Studio. In: Bredow: Aus
meinem Archiv, S. 145.
31) Ebd.
32) Ebd., S. 146.
33) Das Studio der Berliner Funkstunde.
In: Rundfunkjahrbuch 1930, S. 117.
34) Zukünftige Gestaltung des
Rundfunkprogramms. In: Bredow: Aus meinem Archiv, S. 124.
35) "Bleibt noch zu sagen, daß
sich ganz deutlich seit 1927/1928 zwei Richtungen in der Hörspielentwicklung
des deutschen Rundfunks erkennen lassen. Die eine sucht das Hörspiel
aus dem gültigen Gehalt der poetisch-dramatischen Äußerung
funkgemäß aufzubauen und weiter zu entwickeln. Der anderen Richtung
ist das Wort, die Dichtung nur Mittel zum Zwecke einer völlig neuen
in Tempo und Rhythmus dem Filmischen sich angleichenden akustischen Szenik."
(Das literarische Problem im Rundfunk, S. 58).
36) Heinz Schwitzke: Exkurs über
die Hörspielgeschichte. In: Frühe Hörspiele. Sprich, damit
ich dich sehe, Bd II. München: List 1962 (List-Bücher, 217),
S. 17.
37) Schallspiele und elektronische
Verfahren im Hörspiel. In: IH, S. 127.
38) Das gilt insbesondere für
die Umschriften von "Die Gäste des Herrn Birowski" (1952) in "Meine
sieben jungen Freunde" (1960), "Blick auf Venedig" (1952; 2. Fssg. 1960)
und die insgesamt 8 Fssgen der "Stunde des Huflattichs" (1956 bis 1964).
39) Hörspiel. In: Bredow. Aus
meinem Archiv, S. 150.
40) Der Terminus wurde von Klaus Schöning
analog zu Filmemacher eingeführt, um den Unterschied zum traditionellen
Hörspielautor zu verdeutlichen. Vgl. auch: K. Sch. (Hrsg.): Hörspielmacher.
Autorenporträts und Essays. Königstein/Ts.: Athenäum 1983.
41) Überliefert in einem Funkmanuskript
(Süddeutscher Rundfunk, Stuttgart, Hö 15) und einer fragmentarischen
Aufzeichnung (DRA 60 U 339). - Eine Transskript ist veröffentlicht
in: Döhl: Neues vom Alten Hörspiel. In: Rundfunk und Fernsehen,
Jg 29, 1981, H. 1, S. 137.
42) Überliefert als Teildruck
in: Bischoff: Die Hörfolge, eine Funkform - worauf es bei ihm ankommt.
In Rundfunkjahrbuch 1930, S. 170 ff.; als Tondokument in "Das Hörspiel
vom Hörspiel" (s. Anm. 19).
43) Bisher nicht im DRA archiviert.
Erstsendung nach Wiederauffinden des Filmstreifens vom Bayrischen Rundfunk
am 28.4.1978. Vgl. auch Schmitthenners Kommentar in: Rundfunk und Fernsehen,
Jg 26, 1978, H. 2, S. 245.
44) -es- (Hans Flesch?): Zur Problematik
des Rundfunks. In: Der Deutsche Rundfunk, Jg 1, 1924, H. 38, S. 2153.
45) -es- (Hans Flesch?): Vom Sendespiel,
Drama, der Oper und dem Briefkasten. In: Der Deutsche Rundfunk, Jg 1, 1924,
H. 42, S. 2426.
46) Möglichkeiten absoluter Radiokunst.
In: Der deutsche Rundfunk, Jg 2, 1925, H. 26, S. 1627.
47) Das literarische Problem im Rundfunk,
S. 58.
48) Friedrich Knilli: Das Hörspiel.
Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels. Stuttgart: Kohlhammer
1961 (Urban-Bücher, 58).
49) Knilli u.a. hatten sich Ende der
60er Jahre Brechts Diktum: "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat
in einen Kommunikationsapparat" zu verwandeln" (Der Rundfunk als Kommunikationsapparat,
S. 129) zu eigen gemacht. Heißenbüttel hat mehrfach dagegen
argumentiert, u.a. auch in seinem Hörspiel "Was sollen wir überhaupt
senden?" (Süddeutscher Rundfunk, Stuttgart, Sender Freies Berlin 1970;
Druck in: Das Durchhauen des Kohlhaupts. Dreizehn Lehrgedichte. Projekt
Nr. 2. Darmstadt und Neuwied: Luchterhand 1974, S. 21 ff.)
50) Schallspiele und elektronische
Verfahren im Hörspiel, S. 124.
51) 5. Anm. 44.
52) WDR III 4.12.1969. Druck in: Das
Buch der Hörspiele, S. 12 ff. Die dem Buch beigegebene Kassette enthält
gegenüber der Erstsendung einige Kürzungen.
53) Zit. nach Klaus Schöning
(Hrsg.): Neues Hörspiel. Texte Partituren. Frankfurt/Main: Suhrkamp
1969, S. 392.
54) Überlegungen zum Stereo-Hörspiel.
In: IH, S. 162.
55) Vgl. Döhl: Vorbericht und
Exkurs über einige Hörspielansätze zu Beginn der 50er Jahre.
In: Jörg Drews (Hrsg.): Vom "Kahlschlag" zu "movens". Über das
langsame Auftauchen experimenteller Schreibweisen in der westdeutschen
Literatur der fünfziger Jahre. München: Text + Kritik 1980, S.
108 f.
56) Bodenstedt: Spiel im Studio, S.
147.
57) bemerkungen zur stereophonie.
Zit. nach Klaus Schöning (Hrsg.): Das neue Hörspiel. Essays,
Analysen, Gespräche. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1970 (editon suhrkamp,
476), S. 126.
58) Nichtliterarische Bedingungen
des Hörspiels. In: Wirkendes Wort, Jg 32, 1982, H. 3, S. 154 ff.
59) Schallspiele und elektronische
Verfahren im Hörspiel, S. 127.
60) Hörspiel, Film, Schallplatte.
In: Rundfunkjahrbuch 1931, S. 35 f.
61) S. Anm. 41.
62) Zur Praxis der Blende beim Breslauer
Sender, vgl. Bischoff: Die Dramaturgie des Hörspiels, S. 202 f.: "Eine
eigentümliche Sonderheit, die in Breslau verwendet wurde und die sich
in vielen Fällen überraschend bewährt hat, verbindet die
akustische Dramaturgie mit der Technik der elektrischen Fernübermittlung.
Der Beamte am Verstärker übernimmt dabei eine ähnliche Funktion
wie der Filmoperateur. Er blendet, wie wir es in Ermanglung einer ausgesprochen
funkischen Terminologie nennen, über, d.h. er läßt durch
ein langsames Umdrehen des Kondensators am Verstärker das Hörbild,
die beendete Handlungsfolge verhallen, um durch ebenso stetiges Wiederaufdrehen
dem nächsten akustischen Handlungsabschnitt mählich sich steigernde
Form und Gestalt zu verleihen."
63) Zit. nach Hans Richter: Köpfe
und Hinterköpfe. Zürich: Arche 1967. S. 156.
64) Heinz Schwitzke: Das Hörspiel.
Dramaturgie und Geschichte. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch
1963; spez. die Kapitel: Die Blende im Hörspiel und im Film (S. 189
ff-.) und: Theorie der Blende (S. 245 ff.).
65) Süddeutscher Rundfunk II,
16.11.1966 (zus. mit dem Norddeutschen Rundfunk). -
66) Zit. nach einer briefl. Notiz
von Cramers an den Verf.
67) Spez. im,Westdeutschen Rundfunk
die Sendung "Überall in Westdeutschland" (vgl. Rundfunkjahrbuch 1930,
S. 199 ff.) und in der Schlesischen Funkstunde die Sendung "Das ist Schlesien"
(vgl. Rundfunkjahrbuch 1933, S. 126 ff.: "Ein Hörbericht auf Schallplatten.
Bei den Webern in Langenbielau. Volksmund vor dem Mikrophon").
68) Leicht zugänglich in: H.V.:
Eine andere Lesart. Über neue Literatur. Neuwied u. Berlin: Luchterhand
1972 (Sammlung Luchterhand, 52), S. 177 ff.
69) Ebd. S. 187.
70) Coproduktion Süddeutscher
Rundfunk II 29.1.1969 (zus. mit dem Saarländischen und dem Westdeutschen
Rundfunk). Druck in P.Ch.: Vom Leben und Lernen. Stereotexte. Darmstadt:
März 1969, S. 33 ff.
71) Coproduktion Saarländischer
Rundfunk II, 5.2.1969 (mit dem Westdeutschen Rundfunk. Druck in L.H.: Ein
Blumenstück. Wiesbaden: Limes 1969, S. 203 ff.
72) Zu den Schallspielen Pörtners,
vgl. Döhl: Von der Klangdichtung zum Schallspiel. In: Klaus Schöning
(Hrsg.): Hörspielmacher, S. 37 ff.
73) Zu den Hörtexten Kriwets
vgl. Schöning: Training und Aufklärung. Hörspielmacher Ferdinand
Kriwet. In: Schöning (Hrsg.): Hörspielmacher, S. 239 ff.
74) Schallspiele und elektronische
Verfahren im Hörspiel, S. 127.
75) Zit. nach Schöning (Hrsg.):
Neues Hörspiel. Texte Partituren, S. 454.
76) S. Anm. 24.
77) Musik und Hörspiel. In Rundfunkjahrbuch
1930, S. 135.
78) DRA 60 U 308 enthält eine
Aufnahme von 1930, Dirigent: Hermann Scherchen. Eine Aufnahme ausschließlich
mit der Musik Weills ist jetzt zugänglich als Schallplatte: Thorofon
MTH 118.
79) Als Ausschnitt in Bischoffs "Hörspiel
vom Hörspiel" (s. Anm. 19); ein weiteres Tonfragment ist DRA 52.12875
archiviert.
80) Heinz Schwitzke (Hrsg.); Reclams
Hörspielführer. Stuttgart: Reclam 1969, S. 111.
81) Vgl. Pierre Schaeffer: Musique
concrete. Von den Pariser Anfängen um 1948 bis zur elektroakustischen
Musik heute. Stuttgart: Klett 1974.
82) Hörspiele im Westdeutschen
Rundfunk, 1. Halbjahr 1961, S. 60.
83) Zu den Hörspielen Kagels
s. Anm. 5.
84) "Süll" (1972), "A & O"
(1973), "Anna K." (1974), "Odradek" (1976). Nach mehreren konzertanten
Aufführungen sendete der Norddeutsche Rundfunk die letzten drei "Mikrodramen"
in einer Realisation Paul Pörtners (III. Programm, 15.4.1978).
85) Zu den Hörspielen John Cages
s Anm. 6. - Vor allem das Hörspielschaffen John Cages ist auf der
Documenta 8 ausführlich dokumentiert und kommentiert. Doch ist auch
von Kagel und allen anderen genannten Hörspielmachern mindestens 1
Beispiel in die Audiothek aufgenommen.
86) Vgl. Paul-Josef Raue in: Funk-Korrespondenz
24.11.1982: "Der Vergleich der Cramerschen Hörspiele mit musikalischen
Stücken kommt nicht von ungefähr. Heinz von Cramer versteht seinen
'Maldoror' selbst als 'eine Art Instrumentalmusik'. Überhaupt ist
die Musik für Cramer 'die Kunstgattung, auf der alle anderen aufbauen'".
87) Die zweiteilige "Ketzerchronik"
handelt von der Vernichtung des katharischen Glaubens durch die katholische
Kirche. Für jeden der Teile bietet eine Textvorlage den roten Faden,
um den herum alle anderen Texte gruppiert sind. Das ist im 1. Teil das
Kreuzzugslied Guillaume de Tudèles, im 2. Teil das Inquisitionsprotokoll
vor allem des Bischoffs von Pamiers. Um sie und die wenigen erhaltenden
religiösen Selbstzeugnisse der Katharer, Gebete und Rituale herum
sind die Verse der katharerfreundlichen Troubadoure Guilhelm Augier Novella,
Tomier, Palazi und Gaucelm Raidits, aber auch Sagen aus den Pyrenäen
gruppiert. Vgl. dazu ausführlicher Döhl: Mittelalterrezeption
im Rundfunk. In: Jürgen Kühnel, Hans-Dieter Mück, Ursula
u. Ulrich Müller: Mittelalter-Rezeption II. Gesammelte Vorträge
des 2. Salzburger Symposions. Göppingen: Kümmerle 1982, (Göppinger
Arbeiten zur Germanistik, 358), S. 261 ff.
88) Exemplarisch bei Alfred Braun:
Das erste Jahrzehnt im Berliner Vox-Haus. In: Rundfunk und Fernsehen, Jg
7. 1959, H 1, S. 61 ff.
89) Schallspiele und elektronische
Verfahren im Hörspiel, S. 124 f.
90) Zit. nach Andre Billy: Guillaume
Apollinaire. Neuwied u. Berlin: Luchterhand 1966, S. 38 f.