Reinhard Döhl | Mein Land ist kein Orplid. Eine Erinnerung an Susanne Frenken

Mein Land ist kein Orplid, hat Susanne Frenken eines ihrer überschriftslosen Gedichte beginnen lassen und das Land Eduard Mörikes gemeint. In Calw am 9.7.1934 als Susanne Lutz geboren, besuchte sie in Stuttgart das Gymnasium und eine Dolmetscherschule, absolvierte eine Antiquariatslehre. Ihr Vater war Mitinhaber der für die 50er/frühen 60er Jahre wichtigen Galerie (mit Antiquariat) Lutz & Meyer. 1952 brach sie (ähnlich wie ihre als Genet-Übersetzerin bekannt gewordene Schwester Ruth) aus, um in New York, Boston, Los Angeles und San Francisco zu leben, zu studieren, experimentelles Theater zu spielen, zu schreiben und zu lesen, zu malen und auszustellen (in Los Angeles und an der University of Washington), zu heiraten und sich wieder scheiden zu lassen.

Meine Stadt leuchtet nicht, hat sie über Stuttgart notiert, in das sie 1970 zurückkehrte, in dem sie eine kleine Werbeagentur betrieb und vor allem von 1974 bis 1981 in der Planckstraße in der Galerie Lutz die Arbeit ihres Vaters auf ihre Weise fortsetzte. Einige der von ihr vertretenen Künstler, über die sie auch schrieb und Kataloge edierte, hatten schon bei Lutz & Meyer ausgestellt: Stöhrer und Heinz Hirscher, andere kamen hinzu: Paul Uwe Dreyer, Siegfried Cremer, ferner Surrealisten, für die Susanne Kurman-Lutz eine Schwäche hatte. Vor allem die Samstage in der Planckstraße sind heute noch unter den Freunden der Galerie sprichwörtlich.

Meine Straße ist nur für andere da. Seit 1981 mit Wil Frenken verheiratet, stellte sie selbst wieder häufiger aus, vor allem in der Galerie Buch Julius, zu deren Einrichtung sie den Anstoß gegeben hatte, beteiligte sie sich an Ausstellungen im Württembergischen Kunstverein, der Staatsgalerie, der Gedok, im Fluxeum in Wiesbaden, in Calgary (Canada) und anderen Orts, hielt sich aber immer mehr aus der in Stuttgart keineswegs aufregenden Kunstszene heraus. Für ihre Künstler- und Dichterfreunde blieb sie dagegen stets eine kritische Beraterin, vor allem bei Fragen der fließenden Grenzen zwischen, der Verbindung von Literatur und Kunst. Ihr Buch "Das Husten des Igels in der Nacht. Reisebilder aus Elsenien" (1988) war in Text und Abbildung zugleich Dokumentation der gleichnamigen Ausstellung mit Lesung. Politisch engagierte sie sich mit Wil Frenken seit 1982 in der fortgesetzten Aktion "Verbrannte Bücher - verbannte Bücher", bei der sie Texte verbotener Autoren las, die Wil Frenken dann einschwärzte und in eine sich von Aktion zu Aktion (zuletzt 1993 in Wien) unheimlich vergrößernde, das Publikum befremdende, sogar provozierende Buchrolle einfügte.

Mein Land ist kein Orplid. 1992 verließ Susanne Frenken Stuttgart zum zweitenmal, zunächst in Richtung Schwarzwald, dem sie ihre erste Ausstellung in den USA gewidmet hatte: "Black Forest Dreams", dann aus gesundheitlichen Gründen in die Lüneburger Heide. Als "Stimme aus Bode" wird sie in den "Periphernalien", einem kleinen Spiel, dem sie den Titel gab, zitiert. Aber noch in Bode rechnete sie sich zum internationalen Kreis der Chlebnicisten um die Buchhandlung/Galerie Buch Julius, war sie an den zugehörigen Accrochagen beteiligt, engagierte sie sich in der Else Lasker-Schüler gewidmeten mail-art-Aktion, "Der Blaue Reiter ist gefallen" (1995), ebenso wie im "Gertrude-Stein-Memorial" (1996), das mit dem Internet-Projekt "Epitaph Gertrude Stein" vernetzt war. Auch an der Internet-Fastschrift für Helmut Heißenbüttel schrieb sie noch mit. Ihre letzte Einzelausstellung, 1996 in der Galerie Buch Julius, hatte sie "Präsenzen auf Papier" getitelt. Sie zeigte reduzierte Portraits auf gefalteten, geknitterten und wieder auseinandergefalteten Papieren. "Schweißtücher" hatte ich sie in einem kleinen Text genannt. Ostersamstag hat sich Susanne Frenken in einem Bevenser Krankenhaus aus diesem Leben fortgeschlafen und ihre Freunde, denen sie bis zum Schluß so oft ihre Stimme geliehen und Rat gegeben hatte, ratlos zurückgelassen.

[Stuttgarter Nachrichten, 14.4.1998]