reinhard döhl | gedichte | die vase, blaß, geborgen aus nacht und fahrt und licht
Und dann ist es manchmal nur die Straße,

die uns lang und länger weiterführt

Am Anfang eines Jahres | Vielleicht bleibt dann | Fragment (1. Fassung) | Fragment (2. Fassung) | Ballade | Gib mir deine Frage | Worte, gesagt | Gebet

Am Anfang eines Jahres

Schnee bedeckt noch braunes Land,
Erde friert trotz Sonnenstrahlen,
Wind fegt auf den Straßen Staub,
Bäume träumen starr mit kahlen
Gipfeln in die Ewigkeit.

Noch erklingt kein lautes Wort
durch die endlos leeren Wälder
wärmetragend weiter fort, -
über schneebedeckte Felder
endlos schreitet weite Zeit.

Junges Leben irrt nach Licht,
bangt dem jungen Tag entgegen,
der die gelbe Erde bricht.

Schnee bedeckt noch braunes Laub,
und in gelber Erde regen
Leben sich und Blütenstaub.
 

Vielleicht bleibt dann

Es ist das Wesentliche, das
wir suchen müssen, um dem Tod
das große Leid zu nehmen,
den großen Schmerz,
und das uns dann aus irgendwas
Begreifbarem bestellt das Aufgebot.

Vielleicht bleibt dann
dem, das uns hart bedrängt,
nur ein Beschämen.
und wir erkennen irgendwann
uns wieder wie von einer Hand gelenkt.
 

Fragment (1. Fassung)

Die tiefen Nächte zärtlicher Umarmung
sind länger
als vom Abend bis zum Morgen,
sie rufen etwas wach in dir
und segnen dich
in deiner Angst.

Die Angst der tiefen Nächte
ist ein Nichtverstehen dessen,
was Höchstes ist
dem Menschen für den Menschen,
das er gibt,
das er empfängt,
um letztlich an der Größe
und Nichterfüllbarkeit
zu zweifeln.

In dem Verzweifeln
an den tiefen Nächten,
in der Umarmung faßt du erst
die Tiefe dessen,
was flüchtig dir im Leibe ruht.
 

Fragment (2. Fassung)

Die tiefen Nächte zärtlicher Umarmung
sind länger als ein Augenblick,
sie währen länger als
vom Abend bis zum Morgen,
sie sind unfaßbar tief,
sie segnen dich
in deiner Angst,
die aufzubrechen scheint,
die aus Umarmung sich nach außen schwingt.
dich zögernd nur doch williger
tief hinzugeben.
 

Ballade

Du hast mir wehgetan,
es war nicht deine Schuld,
es war sehr schwer und deine Augen sahn
mich klagend an ob meiner Ungeduld.

Mir ist's, als wenn ich träumend nur
mit Mühe in den jungen Tag
versuchen sollte eine Spur,
vor deren Schwere ich erschrak.

Du sagtest noch beim Auseinandergehn,
entschuldigend, mit einem Blick,
wir würden es wohl beide nicht verstehn,
und gingst und blicktest nicht zurück.

Es war so kalt, die Lichterreihe lang
zog sich die Straße in die Dunkelheit,
ich träumte sie in meinem Gang
und merkte selbst nicht mehr, wie weit.
 

Gib mir deine Frage

Warum fragst du mich
und bist, als erwartest du
irgend ein Wort,
Antwort bedeutend
und gleichsam Lösung deiner Frage?

Ferne und Grenze
sind irgendwoher,
nichts in dir
und außerhalb.

Gib mir deine Frage,
aber warte nicht,
bis ich sie
zurückgebracht
in einer Antwort,
die sie lösen muß,
einseitig nur,
doch Lösung im Ganzen.
 

Worte, gesagt

Ich liebe dich,
drei Worte nur,
so hingesagt oder auch
langsam gesprochen,
selten gemeint.

Ich liebe dich,
Glaube und Hoffnung,
Bangen und Zweifel,
alles ist dein.

Ich liebe dich,
Zeit wird uns endlich,
haltend der Mensch.
 

Gebet

Du, der Du die Gebärde in Dir trägst,
erhöre mich
der Du auf wehe Herzen Schonung legst,
Herr, neige Dich.

Du, der Du allen dumpfen Kummer stillst,
wo es gebricht,
der Du des müden Bettlers Hände füllst,
verlaß mich nicht.

Du, der Du alle schwachen Menschen kennst,
wie sie auch sind,
der Du die ganze Welt beim Namen nennst,
nenn mich Dein Kind.


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