Reinhard Döhl | Stücke und Spiele | Teils-Teils
8. Dennoch die Schwerter halten

Dennoch die Schwerter halten

Der soziologische Nenner,
der hinter Jahrtausenden schlief,
heißt: ein paar große Männer
und die litten tief.

Heißt: ein paar schweigende Stunden
in Sils-Maria-Wind,
Erfüllung ist schwer von Wunden,
wenn es Erfüllungen sind.

Heißt: ein paar sterbende Krieger
gequält und schattenblaß,
sie heute und morgen der Sieger -:
warum erschufst du das?

Heißt: Schlangen schlagen die Hauer
das Gift, den Biß, den Zahn,
die Ecce-homo-Schauer
dem Mann in Blut und Bahn -

heißt: so viel Trümmer winken:
die Rassen wollen Ruh,
lasse dich doch versinken
dem nie Endenden zu -

und heißt dann: schweigen und walten,
wissend, daß sie zerfällt,
dennoch die Schwerter halten
vor die Stunde der Welt.

Antwort an die literarischen Emigranten
Gottfried Benn an Klaus Mann, 1933

(...) Schließlich richtet sich Ihr Brief aber auch unmittelbar an meine Person. An diese richten Sie Fragen, Warnungs- und Prüfungsfragen hinsichtlich der Besonderheit ihres radikalen Sprachgefühls, das mir auf der anderen Seite nur Hohn und Spott eintragen würde, schließlich nach ihrer Verehrung bestimmter literarischer Köpfe, die jetzt auf  I h r e r  Seite sich befinden.

Ich antworte Ihnen: ich werde weiter verehren, was ich für die deutsche Literatur vorbildlich und erzieherisch fand.- Ich werde es verehren bis nach Lugano und an das Ligurische Meer, aber ich erkläre mich ganz persönlich für den neuen Staat, weil es mein Volk ist, das sich hier seinen Weg bahnt. Wer wäre ich, mich auszuschließen, weiß ich denn etwas Besseres - nein! Ich kann versuchen, es nach Maßgabe meiner Kräfte dahin zu leiten, wo ich es sehen möchte, aber wenn es mir nicht gelänge, es bliebe mein Volk, Volk ist viel! Meine geistige und wirtschaftliche Existenz, meine Sprache, mein Leben, meine menschlichen Beziehungen, die ganze Summe meines Gehirns danke ich doch in erster Linie diesem Volke. Aus ihm stammen die Ahnen, zu ihm kehren die Kinder zurück. Und da ich auf dem Land und bei den Herden großwurde, weiß ich auch noch, was Heimat ist. Großstadt, Industrialismus, Intellektualismus, alle Schatten, die das Zeitalter über meine Gedanken warf, alle Mächte des Jahrhunderts, denen ich mich in meiner Produktion stellte, es gibt Augenblicke, wo dies ganze gequälte Leben versinkt, und nichts ist da als die Ebene, die Weite, Jahreszeiten, Erde, einfach Worte -: Volk.

So kommt es, daß ich mich denen zur Verfügung stelle, denen Europa, wie Sie schreiben, jeden Rang abspricht. Dies Europa! Das hat wohl Werte, - wo es nicht bestechen und schießen kann, da steht es wohl recht kläglich da! Jetzt flüstert es ihnen ins Ohr, es sei nicht das Volk, das sich hinter Hitler stellte, nur seine "Schafe", wie es Lady Oxford in "News Chronicle" eben schrieb. Eine große Täuschung! Es ist das Volk! Vergleichen sie einmal die beiden Geister Hitler und Napoleon. Napoleon war wohl sicher das große individuelle Genie. Nichts trieb Frankreich als Volk, die Pyramiden zu erobern und Europa mit seinen Heeren zu überziehen, dahin trieb es allein dies riesige militärische Genie. Heute und hier aber können sie immer wieder die Frage hören: schuf Hitler die Bewegung oder die Bewegung ihn? DieseFrage ist bezeichnend, man kann sie beide nämlich nicht unterscheiden, da sie beide identisch sind. Es liegt hier wirklich jene magische Koinzidenz des Individuellen und des Allgemeinen vor, von der  B u r c k h a r d t  in seinen Weltgeschichtlichen Betrachtungen spricht, wenn er die großen Männer der historischen Weltbewegung schildert. Die großen Männer - alles ist da: die Gefahren des Anfangs, ihr Auftreten fast immer nur in schrecklichen Zeiten, die ungeheure Ausdauer, die abnorme Leichtigkeit in allem, namentlich auch den organischen Funktionen, dann aber auch die Ahnung aller Denkenden, daß er es sei, um Dinge zu vollbringen, die nur ihm möglich und dabei notwendig sind. Beachten Sie wohl, ich sage aller Denkenden, und sie wissen, wie über alles ich den Gedanken stelle.- Es ist ein großer Eigensinn, der Eigensinn, der dem Menschen Ehre macht, nichts in der Gesinnung anerkennen zu wollen, was nicht durch den Gedanken gerechtfertigt ist, mit diesem Hegelwort überprüfte ich von je mein politisches Gefühl. Wollen Sie mir also glauben, wollen Sie sich also nicht täuschen, was auch immer Europa Ihnen zuflüstert, hinter dieser Bewegung steht friedliebend und arbeitswillig, aber, wenn es sein muß, auch untergangsbereit, das ganze Volk.

Schließlich noch etwas, über das Sie im Ausland, wenn Sie das Vorstehende lesen, sicher Bescheid wissen wollen: Ich gehöre nicht zu der Partei, habe auch keine Beziehung zu ihren Führern, ich rechnenicht mit neuen Freunden. (...)

Aus dem Tagebuch Oskar Loerkes

3. März 1933: Eine Sitzung soll bis nach den Wahlen verschoben werden. Mit Benn konnte ich nicht sprechen, weil er Herzbeschwerden hatte.

7. April 1933: Nach dem Akademiekonzert vom 1. saß ich lange mit Benn im Franziskaner am Bahnhof Friedrichstraße in Gesprächen über die geschichtliche Lage, Benn stand unter dem Eindruck des Boykotts in seinem Hause, wo es fünf Kollegen getroffen hatte, von denen er zwei hoch schätzt. Er war nur für den ersten Teil des Konzerts als Repräsentant der Akademie geblieben, dann nach Hause gefahren, um den befohlenen Frack und Orden abzulegen, und wiedergekommen. Ich war in dieser Zeit oft bei Benn, allein und mit Suhrkamp, Aufsätze zu besprechen.

22. April 1933: Gestern rief Benn an: er war bei der Uraufführung des Johstschen Schlageter. Vom Kommissar Rust als persönlicher Gast geladen, ebenso zu einem Bierabend. (...) Benn nahm Anmaßung und Feindlichkeit war. Er meinte, wir würden nicht nur ausgeschaltet, sondern auch körperlich vernichtet werden.

27. April 1933: Vortrag Benns im Rundfunk. Stramm für heroische Unterdrückung der Intellektuellen. Werner Bukofzer rief mich danach an, ebenso erregt Molo. Bis in die Nacht hätten sie geweint. Absolute Vereinsamung und Abgeschlossenheit.

12. Mai 1933: Gestern Telefongespräch mit Benn. Er ist nun ruhiger. Viel Skepsis, aber da er sich zurückgezogen hat, wird er nicht so nah berührt.

9. Juni 1933: Benn rief an, entsetzt von den negativen Ereignissen des Vortags, "diesen Wahlen, diesen Menschen". Ich beruhigte ihn.

29. Juni 1933: Nachmittags zu Benn in die Wohnung. Er ist ein Schwarzseher, persönlich sehr klug und gütig.

19. Oktober 1933: Benns Zwist mit Börries von Münchhausen. Dieser hat im Reclamschen Almanach einen üblen, unklaren Ausfall auf  die DIchter des Expressionismus gemacht und auf solche, die er zu Unrecht dazuzählt. Die Bosheit ist wenig bewußt, sie kommt aus einem überaus eitlen Herrschsuchts- und Geltungsbedürfnis. Der Erfolg solcher Leute ist größer als die Substanz, das Fehlende wird nun aufsolche unreine Weise ersetzt. Mittwoch, 17. Nach dem Verlag zu Benn in die Wohnung. (...) Über unsere innere Lage gesprochen, über die gefühlte Verantwortlichkeit und die Vergeblichkeit unserer Arbeit. Wohltuende Stunden.

21. November 1934: Nachher im Pschorr. Zufällig auch Benn dort. Ei, wie der schimpfte - ein Hymnus gegen Cäsarenwahn und Mord.

2. Februar 1935: Stammtisch abends bei Weiß Czarda Kurfürstendamm. Benn rief ich am Vormittag an; er war sehr nett. Und ich fand ihn dann abends völlig zurückgekehrt in eine vernünftige Denkweise. Es waren sonst anwesend Hofer, Weiß. Belling, ich. Bellings Erlebnisse mit der Ausfuhr seiner Bilder in die Vereinigten Staaten. Benn schrieb Rezepte.

Das schwarze Korps, 7. Mai 1936

Bei manchen und gewissen Leuten ist das Dichten eine Art geistiger Verdauungsprozeß, bei dem zwangsläufig übelriechende Blasen aufsteigen. (...)

Die Zeiten jener Gedichte eines Tucholsky, Kerr, Kästner und wie sie alle heißen mögen, sind dahin, nur einige vereinzelte, von Spinnweben romantisch umzogene und bereits reichlich verwitterte Säulen zeugen vom Untergang jenes Zeitalters. - Eine dieser Säulen macht sich jetzt wieder bemerkbar, es ist Gottfried  B e n n , dessen "Ausgewählte Gedichte" wir mit tiefer Ergriffenheit in der Hand halten. Die Deutsche Verlagsanstalt, die für die munteren Zeilen dieses "Selbsterregers" verantwortlich zeichnet, gibt dem Band ein Wort mit auf den Weg, das unsere Neugier nicht umsonst gereizt hat.

Es heißt nämlich auf dem stolzen Umschlag: "Hier singt der männliche Kämpfer, der tragisch heroische Mensch, der den Weg Nietzsches zu Ende ging, ohne umzukehren."

Staunend sehen wir uns diesen Weg des aufgenietzschten Herrn Benn an und stellen fest, daß er ein "Selbsterreger" ist. Wenigstens glauben wir, ihm keineswegs Unrecht damit anzutun, wenn wir das Gedicht "Selbsterreger" auf ihn selbst beziehen.

Dir - von Sonnenblumen,
abgeloschnem Beet,
die von Altertumen,
das zur Rüste geht,
Vendrasminpalästen,
tödlichem Lagun,
wo das Herz in Resten
und die Blicke ruhn.

Dämmerungen - keine
Allgemeintendenz,
manchmal rührt ihn eine
leise Immanenz,
ihn, den Selbsterreger,
Stern und Sternentraum,
den Bewußtseinsträger
stumm im Eigenraum.

Es sind reife Tage,
Ausgang von August,
fast Phäakensage,
Asphodelentrust,
nirgends mehr Begründung
oder Geistesstrahl -:
dir - o Selbstentzündung,
tödliches Fanal!

Hier können wir nur noch sagen, daß die "Selbstentzündung" des Selbsterregers zu dem sicher gewünschten Resultat "warme Luft" geführt hat. Aber man soll uns nicht den Vorwurf machen (und er wird uns meistens gemacht), wir hätten wieder aus dem Zusammenhang gerissen; lassen wir doch noch einige Blüten aus dem reichlichen Lager dieses heroischen Dichters für sich sprechen.

"M a n n  u n d  F r a u  g e h e n  d u r c h  d i e  K r e b sb a r a c k e" nennt sich die nachstehend auszugsweise wiedergegebene drastische Schweinerei.

Der Mann.
Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Manne groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
 

Oder etwas weiter:

Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.

Aber Herr Benn wühlt seinen Stift nicht nur in stinkende Wunden, er macht auch in Erotik, und wie er das macht, das befähigt ihn glatt zum Nachfolger jener, die man wegen ihrer widernatürlichen Schweinereien aus dem Hause jagte.

D-Zug

Braun wie Kognak. Braun wie Laub. Rotbraun. Malaiengelb.
D-Zug Berlin - Trelleburg und die Ostseebäder.

Fleisch, das nackt ging.
Bis in den Mund gebräunt vom Meer.
Reif gesenkt, zu griechischem Glück.
In Sichel-Sehnsucht: Wie weit der Sommer ist!
Vorletzter Tag des neunten Monats schon!
Stoppel und letzte Mandel lechzt in uns.
Entfaltungen, das Blut, die Müdigkeiten.
Die Georginennähe macht uns wirr.

Männerbraun stürzt sich auf Frauenbraun.

Eine Frau ist etwas für eine Nacht.
Und und wenn es schön war, noch für die nächste!
Oh! Und dann wieder das Bei-sich-selbst-Sein!
Diese Stummheiten! Dies Getriebenwerden!

Eine Frau ist etwas mit Geruch.
Unsägliches! Stirb hin! Resede.
Darin ist Süden, Hirt und Meer.
An jedem Abhang lehnt ein Glück.

Frauenhellbraun taumelt an Männerdunkelbraun:

Halte mich! Du, ich falle!
Ich bin im Nacken so müde.
Oh, dieser fiebernde süße
letzte Geruch aus den Gärten.

Und um das Bild dieses "Suchers nach einer einmaligen Ausdrucksform" abzurunden, noch zwei Strophen aus dem Gedicht "Synthese":

Ich bin gehirnlich heimgekehrt
aus Höhlen, Himmeln, Dreck und Vieh.
Auch was sich noch der Frau gewährt

... (ist nicht wiederzugeben. D. Red.)

Ich wälze Welt. Ich röchle Raub.
Und nächtens nackte ich im Glück:
es ringt kein Tod, es stinkt kein Staub
mich, Ich-Begriff, zur Welt zurück.

Gib es auf, Dichter Benn, die Zeiten für derartige Ferkeleien sind endgültig vorbei, daran ändert auch nichts die Tatsache, daß der Verleger vorsichtshalber unter den Titel setzte: 1911-1936.

Das Publikum kann schließlich nicht feststellen, ob es sich bei oben wiedergegebenen Extrakten um sogenannte "Jugendverirrungen" handelt, welche Behauptung man bei Beanstandungen doch so gut aufstellen kann. Verwunderlich ist noch der Mut der Deutschen Verlagsanstalt, die es im Jahre 1936 wagt, eine derartige Geistesverblödung ins Volk zu tragen und zum Überfluß noch den Hersteller als Dichter mit deutschen Heroen vergleicht.

Gottfried Benn an Friedrich Wilhelm Oelze, Berlin , 2 4 . April 1 9 4 1

In einem mittelalterlichen englischen Band fand ich ein Fragment eines Monologs. Der Autor scheint mir eine Mischung von Theodor Körner u(nd) Marlow zu sein. Er schildert Zeiten u(nd) Zustände, die zum Glück vorüber sind. Die Übersetzung stammt von mir; Sie wissen, ich kann kein Englisch, vielleicht können Sie Verbesserungen anbringen.

Monolog

Den Darm mit Rotz genährt, das Hirn mit Lügen -
erwählte Völker Narren eines Clowns,
in Späße, Sternelesen, Vogelzug
den eigenen Unrat deutend! Sklaven -
aus kalten Ländern und aus glühenden,
immer mehr Sklaven, ungezieferschwere,
hungernde, peitschenüberschwungene Haufen:
Dann schwillt das Eigene an, der eigene Flaum,
der grindige, zum Barte des Propheten.

Ach, Alexander und Olympias Sproß
das wenigste! Sie zwinkern Hellesponte
und schäumen Asien! Aufgetriebenes, Blasen
mit Vorhut, Günstlingen, verdeckten Staffeln,
daß keiner sticht! Günstlinge: - gute Plätze
für Ring- und Rechtsgeschehn. Wenn keiner sticht!
Günstlinge, Lustvolk, Binden, breite Bänder -
mit breiten Bändern flattern Traum und Welt:
Klumpfüße sehn die Stadien zerstört,
Stinktiere treten die Lupinenfelder,
weil sie der Duft am eigenen irre macht:
Nur Stoff vom After! - Fette
verfolgen die Gazelle,
die windeseilige, das schöne Tier!
Hier kehrt das Maß sich um:
Die Pfütze prüft den Quell, der Wurm die Elle.
die Kröte spritzt dem Veilchen in den Mund
- Hallelujah - und wetzt den Bauch im Kies:
die Paddentrift als Mahnmal der Geschichte!
Die Ptolemäerspur als Gaunerzinke,
die Ratte kommt als Labsal gegen Pest.
Meuchel besingt den Mord. Spitzel locken
aus Psalmen Unzucht.

Und diese Erde lispelt mit dem Mond,
dann schürzt sie sich ein Maifest um die Hüfte,
dann läßt sie Rosen durch, dann schmort sie Korn,
läßt den Vesuv nicht spein, läßt nicht die Wolke
zu Lauge werden, die der Tiere Abart,
die dies erlistet, sticht und niederbrennt -
ach, dieser Erde Frucht- und Rosenspiel
ist heimgestellt der Wucherung des Bösen,
der Hirne Schwamm, der Kehle Lügensprenkeln
der obgenannten Art - die maßverkehrte!

Sterben heißt, dies alles ungelöst verlassen,
die Bilder ungesichert, die Träume
im Riß der Welten stehn und hungern lassen -
doch Handeln heißt, die Niedrigkeit bedienen,
der Schande Hilfe leihn, die Einsamkeit,
die große Lösung der Gesichte,
das Traumverlangen hinterhältig fällen
für Vorteil, Schmuck, Beförderungen, Nachruf,
indes das Ende, taumelnd wie ein Falter,
gleichgültig wie ein Sprengstück nahe ist
und anderen Sinn verkündet -

- Ein Klang, ein Bogen, fast ein Sprung aus Bläue
stieß eines Abends durch den Park hervor,
darin ich stand -: ein Lied,
ein Abriß nur, drei hingeworfne Noten
und füllte so den Raum und lud so sehr
die Nacht, den Garten mit Erscheinungen voll
und schuf die Welt und bettete den Nacken
mir in das Strömende, die trauervolle
erhabene Schwäche der Geburt des Seins -:
ein Klang, ein Bogen nur -: Geburt des Seins -
ein Bogen nur und trug das Maß zurück,
und alles schloß es ein ein: die Tat, die Träume...

Aus einem Kranz scharlachener Gehirne,
des Blüten der verstreuten Fiebersaat
sich einzeln halten, nur einander:
"unbeugsam in der Farbe" und "ausgezähnt
am Saum das letzte Haar", "gefeilt in Kälte"
zurufen, gesalzene Laken des Urstoffs:
Hier geht Verwandlung aus: Der Tiere Abart
wird faulen, daß für sie das Wort Verweseung
zu sehr nach Himmeln riecht - schon streichen
die Geier an, die Falken hungern schon -!

((Eine passende Musik evtl. Hinweis auf "Zweiundzwanzig Gedichte"))

Ein Wort

Ein Wort, ein Satz -: aus Chriffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammentod, ein Sternenstrich -
Und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und ich.

Unabwendbar

Du wolltest nichts, als das Gebot vollenden,
zu dem zwei Völker sich in dir vereint;
aus fernen Stunden, Gipfeln und Geländen,
Hirtengeräten, Jagdzeug, Säerhänden,
stieg eine Sehnsucht, die die Tat verneint -:
"Zurück, zurück, wo still die Wasser stehn
und Glück um Glück zum Strand die Rosen wehn."

Anschauen, Prüfen, Bildersammeln -: Worte,
darin Zusammenhang, erfahrener Sinn;
Ordnendes Sein: Gedichte -: reine Horte
groß unabwendbaren Geblüts, die Pforte
in die Erinnerung, den Anbeginn -:
"Zurück, zurück, wo still die Wasser stehn,
du bist Erinnerung an Urgeschehn."

Die Jäger, Säer, Hirten dröhnen
mit ihrem Ahnennotgerät,
du hörst hinweg, du siehst die schönen
Gebilde, die die Welt versöhnen,
die ewig sind und nie zu spät -:
"Doch noch nach Jahren büßt du für die Stunden,
darin du sie empfangen und empfunden."

Krank, kunstbedürftig, im Verfall erhalten,
da ein Zusammenhang sich hebt und weckt;
entartet - doch im Hauch der Weltgewalten,
du siehst ja in den herrlichsten Gestalten
den Tod von Zweig und Blüten zugedeckt -:
Wer die Zerstörung flieht, wird niemals stehn,
"wo Glück um Glück zum Strand die Rosen wehn".

Verlorenes Ich

Verlorenes Ich, zersprengt von Stratosphären,
Opfer des Ion -: Gamma-Strahlen-Lamm -
Teilchen und Feld -: Unendlichkeitsschimären
auf deinem grauen Stein von Notre-Dame.

Die Tagen gehn dir ohne Nacht und Morgen,
die Jahre halten ohne Schnee und Frucht
bedrohend das Unendliche verborgen -
die Welt als Flucht.

Wo endest du, wo lagerst du, wo breiten
sich deine Sphären an - Verlust, Gewinn -
ein Spiel von Bestien: Ewigkeiten,
an ihren Gittern fliehst du hin:

Der Bestienblick: die Sterne als Kaldaunen,
der Dschungeltod als Seins- und Schöpfungsgrund,
Mensch, Völkerschlachten, Katalaunen
hinab den Bestienschlund.

Die Welt zerdacht. Und Raum und Zeiten
und was die Menschheit wob und wog,
Funktion nur von Unendlichkeiten -
die Mythe log.

Gottfried  Benn an Friedrich Wilhelm Oelze, Landberg , 25 . Dezemberg 1944

Zum Geburtstag sende ich Ihnen eine Folge neuerer Gedichte, von meiner Frau köstlich auf Pergament gesetzt - Sie brauchen sie nicht gut zu finden. Durchschnittlichkeiten in gehobenem Ton, was der Deutsche im Allgemeinen als Dichtung empfindet, ist es nicht. Aber Rühmenswertes nehme ich auch nicht dafür in Anspruch.

Gottfried  Benn an Friedrich Wilhelm Oelze, Landberg,  18. Januar   1945

Die neuen sachlichen (?) Gedichte könnten auch in meinem Essayband stehn und (ich) habe mir sehr wohl überlegt, ob sie in den Essayband gehören. Zunächst habe ich davon abgesehen, da diese Gebilde in einem Essayband etwas Anderers bedeuten u(nd) eine andere Richtung einschlagen, als ich mit ihnen eigentlich wollte. Sie sollen, zwischen anderer und bewährter Lyrikform, sagen: dies ist auch Lyrik, so sieht sie heute v o r n e h m l i c h aus, so ist sie echt (?), nämlich Wirklichkeit so angeordnet u(nd) zum Ausdruck gebracht, daß sie phantastischer wird als sogen(annte) Phantasie. Z.B. in 1886.

Während Chopin noch mehr ein altes Gedicht ist, wie Sie richtig empfinden, alt im Stil (allerdings bei mir neu: Oktober 1944), mehr ein Gedicht im lyrischen Sinne. (...)

Sie beobachten (?) ja auch wohl ohne meinen Hinweis, daß mir daran lag, neue Themen, neue Wirklichkeiten in die fade deutsche Lyrik zu bringen, fort von Stimmungen u(nd) Sentiments zu Gegenständen und diese mit seinem eigenen Bild zu füllen. Damit beantworte ich auch Ihre Frage nach Anlässen zu "Nasse Zäune" u(nd) "September". (...)

Der Zaun steht vor meinem Fenster in der Lehmannstraße und ich betrachte ihn täglich, u(nd) der September war in den kleinen Gärten u(nd) Feldern, 5 Minuten von unserer Wohnung hier, "hinten raus", wie wir sagen, wenn wir spazieren gehen, da waren die Balsaminen und Kürbisse u(nd) auch die Maurergesellen, die an einem Hausgrundbauten.

(...) "Überblickt man die Jahre" ist eine Karikatur auf G.B. 1928, eine melancholische Karikatur; ich wog ab, was mit der 8reihigen Strophe, die mir einmal viel bedeutete u(nd) die so viele Nachahmer fand, heute noch anzufangen sei. Nun, nicht viel! Stumpfsinn und eine Tristesse, die heute nicht mehr viel wiegt.

Überblickt man die Jahre

Überblickt man die Jahre
von Ur bis El Alamein,
wo lag denn nun das Wahre,
Kabbala, der Schwarze Stein -,
Perser, Hunnen, Lascaren,
Pfeile, Fahnen und Schwert -
über die Meere gefahren,
von den Meeren versehrt?

Wasser- und Sonnenuhren -
welche Stunde gemeint?
Welche Gestirne fuhren
häuptlings - Alles vereint?
Welche Wassercascade
bis in die Träume erscheint -:
jene Uhr als Dryade,
aus der es tränt und weint.

Waffen mit Lorbeer gereinigt
brachten den Sieg ins Haus,
Stirn und Lorbeer vereinigt
ruhten die Helden dann aus,
Lorbeer, Marmor, Pylone,
Gordon und Prinz Eugen,
goldene Städte, Zione -:
thanatogen.

Palmen bei Christen, bei Heiden,
frühester Schöpfungsrest,
Palmen bei Myrten und Weiden
beim Laubhüttenfest,
Palmen an Syrten, an Küsten
königlich hoch und rein -,
doch dann wandern die Wüsten
in Palmyra ein.

Überblickt man die Jahre,
ewig wühlende Flut
und die dunkle Barke, die Bahre
mit Helden, Heeren und Blut,
und die Sonnen- und Wasseruhren
schatten und rinnen es ein:
alles deine Figuren,
Kabbala, Schwarzer Stein.

((Notturno))

Chopin

Nicht sehr ergiebig im Gespräch,
Ansichten waren nicht seine Stärke,
Ansichten reden drum herum,
wenn Delacroix Theorien entwickelte,
wurde er unruhig, er seinerseits konnte
die Notturnos nicht begründen.

Schwacher Liebhaber;
Schatten in Nohant,
wo George Sands Kinder
keine erzieherischen Ratschläge
von ihm annahmen.

Brustkrank in jener Form
mit Blutungen und Narbenbildung,
die sich lange hinzieht;
stiller Tod
im Gegensatz zu einem
mit Schmerzparoxysmen
oder durch Gewehrsalven:
man rückte den Flügel (Erard) an die Tür
und Delphine Potocka
sang ihm in der letzten Stunde
ein Veilchenlied.

Nach England reiste er mit drei Flügeln:
Pleyel, Erard, Broadwood,
spielte für 20 Guineen abends
eine Viertelstunde
bei Rothschilds, Wellingtons, im Strafford House
und vor zahllosen Hosenbändern;
verdunkelt von Müdigkeit und Todesnähe
kehrte er heim
auf den Sqare d'Orléans.

Dann verbrennt er seine Skizzen
und Manuskripte,
nur keine Restbestände, Fragmente, Notizen,
diese verräterischen Einblicke -
sagte zum Schluß:
"Meine Versuche sind nach Maßgabe dessen vollendet,
was mir zu erreichen möglich war."

Spielen sollte jeder Finger
mit der seinem Bau entsprechenden Kraft,
der vierte ist der schwächste
(nur siamesisch zum Mittelfinger).
Wenn er begann, lagen sie
auf e, fis, gis, h, c.

Wer je bestimmte Präludien
von ihm hörte,
sei es in Landhäusern oder
in einem Höhengelände
oder aus offenen Terassentüren
beispielsweise aus einem Sanatorium,
wird es schwer vergessen.

Nie eine Oper komponiert,
keine Symphonie,
nur diese tragischen Progressionen
aus artistischer Überzeugung
und mit einer kleinen Hand.

September

I

Du, über den Zaun gebeugt mit Phlox
(vom Regenguß zerspalten,
seltsamen Wildgeruchs),
der gern auf Stoppeln geht,
zu alten Leuten tritt,
die Balsaminen pflücken,
Rauch auf Feldern mit Lust und Trauer atmet -

aufsteigenden Gemäuers,
das noch sein Dach vor Schnee und Winter will,
kalklöschenden Gesellen
ein: "ach, vergebens" zuzurufen
nur zögernd sich verhält

gedrungen eher als hochgebaut,
auch unflätigen Kürbis nackt am Schuh,
fett und gesichtslos, dies Krötengewächs -

Ebenen-entstiegener,
Endmond aller Flammen,
aus Frucht- und Fieberschwellungen
abfallend, schon verdunkelten Gesichts -
Narr oder Täufer,
des Sommers Narr, Nachplapperer, Nachruf
oder der Gletscher Vorlied,
jedenfalls Nußknacker,
Schilfmäher,
Beschäftigter mit Binsenwahrheiten -

vor dir der Schnee,
Hochschweigen, unfruchtbar
die Unbesambarkeit der Weite:
Da langt dein Arm hin,
doch über den Zaun gebeugt
die Kraut- und Käferdränge,
das Lebenwollende,
Spinnen und Feldmäuse -

II

Du, ebereschenverhangen
von Frühherbst,
Stoppelgespinst,
Kohlweißlinge im Atem,
laß viele Zeiger laufen,
Kuckucksuhren schlagen,
lärme mit Vespergeläut,
gonge,
die Stunde, die so golden feststeht,
so bestimmt dahinbräunt,
in ein zitternd Herz!

Du: - Anderes!
So ruhn nur Götter
oder Gewänder
unstürzbarer Titanen
langgeschaffener,
so tief eingestickt
Falter und Blumen
in die Bahnen!

Oder ein Schlummer früher Art,
als kein Erwachen war,
nur goldene Wärme und Purpurbeeren,
benagt von Schwalben, ewigen,
die nie von dannen ziehn -
Dies schlage, gonge,
diese Stunde,
denn
wenn du schweigst,
drängen die Säume herab
pappelbestanden und schon kühler.

Nasse Zäune

Nasse Zäune
über Land geweht,
dunkelgrüne Stakete,
Krähenunruhe und Pappelentblätterung
als Umwelt.

Nasse Zäune,
Gartenabgrenzung,
doch nicht für Abkömmlinge
der berühmten Tulpe Semper Augustus,
die in Paris im 17. Jahrhundert mit unerhörten Preisen
bezahlte,
oder die Hyazinthe "Bleu Passe"
(1600 fl. anno 1734),
man trug seinen Namen in ein Buch ein,
erst mehrere Tage später
führte einen ein Gartendirektor vorbei -,
vielmehr für die alten bewährten Ranunkeln Ostades.

Nasse Zäune,
Holzfäulnis und Moosansatz
in der Stille der Dörfer,
kleine Ordnungszeile
über Land geweht,
doch Schnee und Salze sammeln sich,
rinnen Verfall -
die alten Laute.

Clemenceau

"Mit dem Blick auf das Ende
ist das Leben schön",
der Blick lag auf den Rosen der Vendée.
Ferner:
"die Menschen haben keine Seele,
wenn sie doch wenigstens Haltung hätten."

Ein überlegenes Gefühl zeigt folgende Bemerkung:
"es gibt Sterne,
die seit 2000 Jahren erloschen sind
und deren Licht wir noch erhalten.
Wenn man daran denkt,
ist alles in Ordnung."

Über Kunst wußte er Bescheid.
Betreffend seinen Gutsnachbar Monet schrieb er:
"er hätte noch zehn Jahre leben müssen,
dann hätte man nichts von dem verstanden.
was er schuf,
auf seiner Leinewand
wäre dann vielleicht nichts mehr zu sehn gewesen."

Witzig ist folgender Dialog:
"C.: er soll ein leidenschaftlicher Päderast
gewesen sein?
M.: nein, er spricht von Päderastie,
ohne sich zu erregen.
C.: was, er erregte sich nicht einmal?"

Hinsichtlich unserer Besonderheit scherzte er:
"die Deutschen sehen,
wie ein niedliches Tier im Wasser umhertändelt
und das nennen sie dann Meerschwein."

Die Perspektive tritt an Stelle der Emphase;
fünfundachtzigjährig faßte er zusammen:
"nichts ist wahr. Alles ist wahr.
Das ist der Weisheit letzter Schluß."

Oft war er in Griechenland gewesen,
hatte von der Akropolis Manches mitgebracht;
sein Testament schloß:
"auf mein Grab den Marmor aus Hellas."

Ach, das ferne Land

Ach, das ferne Land,
wo das Herzzerreißende
auf runden Kiesel
oder Schilffläche libellenflüchtig
anmurmelt,
auch der Mond
verschlagenen Lichts
- halb Reif, halb Ährenweiß -
den Doppelgrund der Nacht
so tröstlich anhebt -

ach, das ferne Land,
wo vom Schimmer der Seen
die Hügel warm sind,
zum Beispiel Asolo, wo die Duse ruht,
von Pittsburg trug sie der "Duilio" heim,
alle Kriegsschiffe, auch die englischen, flaggten halbmast,
als er Gibraltar passierte -

dort Selbstgespräche
ohne Beziehungen auf Nahes,
Selbstgefühle,
frühe Mechanismen,
Totemfragmente
in die weiche Luft
etwas Rosinenbrot im Rock -
so fallen die Tage,
bis der Ast am Himmel steht,
auf dem die Vögel einruhn
nach langem Flug.

1 8 8 6

Ostern am spätesten Termin,
an der Elbe blühte schon der Flieder,
dafür Anfang Dezember ein so unerhörter Schneefall,
daß der gesamte Bahnverkehr
in Nord- und Mitteldeutschland
für Wochen zu erliegen kam.

Paul Heyse veröffentlicht eine einaktige Tragödie,
Es ist Hochzeitsabend, die junge Frau entdeckt,
daß ihr Mann einmal ihre Mutter geliebt hat,
alle längst tot, immerhin
von ihrer Tante, die Mutterstelle vertrat,
hat sie ein Morphiumfläschchen:
"störe das sanfte Mittel nicht",
sie sinkt zurück, hascht nach seiner Hand,
Theodor (düster, aufschreiend):
"Lydia! Mein Weib! Nimm mich mit Dir!" -
Titel: "Zwischen Lipp' und Kelchesrand".

England erobert Mandelai,
eröffnet das weite Tal des Iranwaday dem Welthandel;
Madagaskar kommt an Frankreich;
Rußland vertreibt den Fürsten Alexander
aus Bulgarien.

Der Deutsche Radfahrbund
zählt 1500 Mitglieder.
Güssfeld besteigt zum ersten Mal
den Mont Blanc
über den Grand Mulet.
Die Barsois aus dem Perchinozwinger
im Gouvernement Tula,
die mit der besonders tiefbefahnten Brust,
die Wolfsjäger,
erscheinen auf der Berliner Hundesausstellung.
Asmodey erhält die Goldene Medaille.

Die Registertonne wird einheitlich
auf 2,8 cbm Raumgehalt festgesetzt;
Übergang des Raddampfers zum Schraubendampfer;
Rückgang der Holzschiffe;
über das chinesische Kauffahrteiwesen
ist statistisch nichts bekannt;
Norddeutscher Lloyd: 38 Schiffe, 63000 t,
Hamburg - Amerika: 19 Schiffe, 34200 t,
Hamburg - Süd: 9 Schiffe, 13500 t.

Turgenjew in Baden-Baden
besucht täglich die Schwestern Viardot,
unvergeßliche Abende,
sein Lieblingslied, das selten gehörte:
"wenn meine Grillen schwirren"
(Schubert),
oft auch lesen sie Scheffel's Ekkehard.

Es werden entdeckt:
der flügellose Vogel Kiwi-kiwi in Neuseeland,
der augenlose Molch in der Krainer Tropfsteinklamm,
ein blinder Fisch in der Mammuthöhle von Kentucky.
Beobachtet werden:
Schwinden des Haarkleides (Wale, Delphine),
Weißlichwerden der Haut (Schnecken, Köcherfliegen),
Panzerrückbildung (Krebse, Insekten) -
Entwicklungsfragen,
Befruchtungsstudien,
Naturgeheimnis,
nachgestammelt.

Kampf gegen Fremdwörter,
Luna, Cephir, Chrysalide,
1088 Wörter aus dem Faust
sollen verdeutscht werden.
Agitation der Handlungsgehilfen
für Schließung der Geschäfte an den Sonntagnachmittagen,
sozialdemokratische Stimmen
bei der Wahl in Berlin: 68535.
Das Tiergartenviertel ist freisinnig,
Singer hält seine erste
Kandidatenrede.
13. Auflage von Brockhaus'
Konversationslexikon.

Die Zeitungen beklagen die Aufführung
von Tolstoi's "Macht der Finsternis",
dagegen ist Blumenthal's "Ein Tropfen Gift"
eines langen Nachklangs von Wohllaut sicher;
"Über dem Haupt des Grafen Albrecht Vahlberg,
der eine geachtete Stellung in der hauptstädtischen Gesellschaft
einnimmt,
schwebt eine dunkle Wolke",

Zola, Ibsen, Hauptmann sind unerfreulich,
Salambo verfehlt,
Liszt Kosmopolit,
und nun kommt die Rubrik
"Der Leser hat das Wort",
er will etwas wissen
über Wadenkrämpfe
und Fremdkörperentfernung.

Es taucht auf:
Pithekanthropos,
Javarudimente, -
die Vorstufen.

Es stirbt aus:
der kleine Vogel von Hawai
für die königlichen Federmäntel:
ein gelber Flaumstreif an jedem Flügel, -
genannt der Honigsauger.

1886 -
Geburtsjahr gewisser Expressionisten,
ferner von Staatsrat Furtwängler,
Emigrant Kokoschka,
Generalfeldmarschall v. W. (+),
Kapitalverdoppelung
bei Scheider-Creuzot, Krupp-Stahl, Putiloff.

Statische Gedichte

Entwicklungsfremdheit
ist die Tiefe des Weisen,
Kinder und Kindeskinder
beunruhigen ihn nicht,
dringen nicht in ihn ein.

Richtungen vertreten,
Handeln,
Zu- und Abreisen
ist das Zeichen einer Welt,
die nicht klar sieht.
Vor meinem Fenster
- sagt der Weise -
liegt ein Tal,
darin sammeln sich die Schatten,
zwei Pappeln säumen einen Weg,
du weißt - wohin.

Perspektivismus
ist ein andres Wort für seine Statik:
Linien anlegen,
sie weiterführen,
nach Rankengesetz -
R a n k e n s p r ü h e n -,
auch Schwärme, Krähen,
auswerfen in Winterrot von Frühhimmeln,
dann sinken lassen -
du weißt - für wen.

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