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[...] Am Morgen fällt die Erinnerung ein mit Schatten aufs Tischtuch
schmutzige Nägel Rauch gelb gefärbt legen schwarze abgegriffene
Münzen um und um mit beiden Händen achwissensieschon die Engel
sind käuflich was kommt ist nicht Himmel [...] aber was kommt was
kommt. Magelone kippelt mit dem Stuhl. Mein Gott, sagt Magelone. Der Stuhl
fällt nach hinten. [...] (Sie saßen immer an den kleinen runden
Tischen am Fenster) Magelone richtet sich auf. Mein Gott, sagt Magelone
und verbeugt sieh. Entschuldigung, sagt Magelone und grinst. Jemand wirft
mit Zuckerstücken nach Fliegen ist beschäftigt. Im Hintergrund
wächst das Schweigen zu Spitzen Blicken Tote im Raum im Café
trinken Tote Kaffee aus den Tassen der Schatten. [...] Der General wirft
sein Korsett zu der Milch in den Kaffee. Jemand steht stramm. Jemand wirft
mit Zucker nach Fliegen die gehen in Sturzflug. Janek beugt sich über
den General. Ohne mich, sagt Janek und schlägt dem General auf die
Schulter. Magelone beginnt zu singen: Maikäfer flieg mein Vater ist
im - aber Janek sagt: ohne mich. Und der General steht stramm. Jemand sagt
das Gedicht gegen die Wiederbewaffnung auf und den Krieg. Er weiß
daß er nicht mehr mitspielt. Waren Sie in Rußland? Ja, sagt
der General und hält es sich zu Gute. Sind Sie gefallen? Nein, sagt
der General und hält es sich zu Gute. Dann haben Sie kein Recht General,
sagt Janek und färbt sein Gesicht weiß. Sie schreiten zur Hinrichtung.
Sie denken: zur eigenen. Magelone kippelt mit dem Stuhl und schreit: da
capo. [...] Janek zeichnet obszöne Figuren an Wände. Gesichter
erstarren. Janek verfärbt sich. Magelone geht kotzen. [...] Janek
macht sein Gesicht ganz weiß.
du aber sagtest mir
pergamentworte
ich werde die rollen
vertauschen
und aus der akademie
austreten
caesar verheiratet die vestalinnen
und der papst spricht
seinen vorgänger heilig
ach wie gut daß niemand weiß
daß ich rumpelstilzchen heiß
wie heißt du
eve
und du
pierre
curie, pierre
(1859 bis 1906)
französischer physiker
und seine frau marie c.
geborene sklodowska
(1867 bis 1934)
entdeckten das radium (1898)
und polonium
nobelpreis (1903)
marie allein auch (1911)
lauten die spätnachrichten
im ausschluß für überbevölkerungsfragen
sagt ein abgeordnete
es sind wieder zu viele
menschen auf der erde
die wurzel aus vier ist liebe
wurzel 4 = 2
liebe ist algebra
wie zweimalzweivier ist
liebe ist algebra oder eine grammatische frage
erstepersonsingularpräsensindikativaktiv (ich liebe)
oder nominativgenetivdativakkusativ (liebe)
alles im singular und ganz im belieben des betrachters
während der einfache satz voraussetzt subjektprädikatobjekt
hat liebe zwei objekte ist also eine kompliziertere form
von satzbau
ich liebe dich objekt
du liebst mich objekt
mich dich
dich mich
wie zweimalzweivier ist
wie algebra ist liebe
eine kompliziertere form
von satzbau
liebe ist algebra
wie zweimalzweivier ist
2 X 2 = 4
lauten die spätnachrichten
wird ab sofort das kindergeld
für zwei und mehr kinder erhöht
was denn
fragt ein kind
hat er getan
alle versuche
mit rauch zeichen
in die luft zu geben
wird der wind vernichten
die hochgeschlagenen mantelkragen im oktober
beweisen die notwendigkeit der wärme
aus leergetrunkenen brunnen
die leergetrunkenen gläser füllen EX
einmal wöchentlich in den bordells
eine gastrolle geben MARIA VIRGINE
bei den versuchen bleiben
eine einfache melodie zu singen
ich habe deine worte satt
und deine lippen MARIA VIRGINE
schmecken mir längst nicht mehr
ich rülpse und gehe EXMARIA V.
die friedensglocken (hiroshima)
nach sieben jahren strontium
harakiri
und beten
u fütterst die raben
am bach dein mantel schlägt
mit dem regen die städte
ebenenhin dein hauch zeichnet
die äste der winters
schatten laufen über die wand
und man hört die ratten pfeifend
am ausgestreuten gift verenden
die ratten verlassen das sinkende schiff
das sinkende schiff verläßt die ratten
aber schnee fällt
auf pompeii herculaneum
fällt schwarzer schnee
was gebirst du die frucht
sie ist lebensunfähig
und schon durch den nabelstrang
sachlich erwürgt
aber schnee fällt
auf pompeii herculaneum
auf hiroshima fiel
schwarzer schnee
Das Ende ist lautlos und einfach. Denken daß es keinen Zweck hat aufzustehen wie Lazarus mit seinem Bett herumzuwandeln. Gelesen haben daß sich die alten Eskimofrauen auf eine Eisscholle legen und ins Meer hinaus treiben lassen wenn ihre Zeit kommt und wissen was sie tun warum bevor die Touristen kommen. Und die Erde wird schön sein die Fenster sind tot wer jetzt durch die Straßen geht der Asphalt weiß der Himmel ein unbeschriebenes Blatt und leere Blätter fallen aus den Papierkörben hierhin und dort fallen noch Worte verloren damals als es anfing am Abend irgend einem Abend paar Worte verloren gewechselt Magelone sagte
zurückgezogen hinter die vorhaut der seele
die hohe schule der geläufigkeit
von czerny bis sachsenhausen
gott als käseglocke über die scham gestülpt
wenn das nicht schlimm ist
sela!
das sprichwort des tages
näßt noch die windeln
in pissoirs herrscht hochbetrieb
eine rolltreppe stottert menschen ans licht
jemand sieht sterne
aber die sonne bringt es an den tag
sela!
werber ziehen durchs land dommeln die strauße
über den wundern der welt steißen die dommeln
schatten sammeln sich nachts
und gehen auf raub aus
die anstreicher kommen auf lügenfüßen
es gilt der verrat
sela!
wahlredner predigen wunder
priester weihen die wehrkraft
weiber preisen das fleisch und die freiheit
fröhlich säet der landmann den samen
trifft sich blumen im haar
die jungfrau zur zeugung
sammeln wurm sich und maulwurf
zu den gezeiten des bluts
sela!
am stammtisch aber dreschen stroh
das maul verbunden die dichter
es denken die pferde vaterland wird
wie rosen und poree in schrebergärten gezüchtet
was war das gedächtnis
wird in großen scheinen gewechselt
strophen und hemden
weiß ist was braun war
wird schwarz alles kommt wieder
sela!
Er steht an der Haltestelle der 17. Straße. Er steht schon seit fünf Minuten da am 13. oder 14. Mai. Er steht an der Haltestelle der 17. Straße und sagt einem Hund daß sein Bein kein Baum ist. Er sagt es ihm seit fünf Minuten und er weiß daß es keine Bäume gibt in der 17. Straße nur Mülltonnen. Er steht auf einer weggeworfenen Zeitung vom 13. oder 14 Mai. Überall liegt Papier. Zwei andere gehen an ihm vorbei auf der anderen Seite der Straße. Sie kommen aus dem Schatten kommen langsam der Mann gehen an ihm vorbei die Frau. Der Hund läuft zu ihnen hinüber. Sie kommen aus dem Schatten der Straße und sprechen leise der Hund macht einen Bogen sie gehen langsam der Hund macht eine Spirale. Er sieht hinüber sie sprechen leise. Die Frau hebt das weiße Gesicht ans dem Schatten und sieht ihn an. Der Schatten läßt das Gesicht nicht frei. Die Frau sieht ihn an der Hund macht eine Spirale die Frau sieht durch ihn hin durch. Er steht an der Haltestelle der 17. Straße. Ein Gesicht schwimmt an ihm vorbei. Das Gesicht ist im Schatten löst sich auf. Er bückt sich zum Hund und sagt daß sein Bein kein Baum ist. Er steht auf einer Zeitung vom 13. oder 14. Mai. Der Hund geht zu einer Mülltonne. Ein anderer Schatten kommt auf ihn zu. Er bezahlt bis zur 33. Straße. Es ist Nacht und er sieht aus dem Fenster.
ich halte die weste rein
ich habe geduld
es könnte schlimmer sein
es ist nicht meine schuld
das gibt mir den rest.
moralisch unbeschwert
was einmal war vergeßt
und das vergangne laßt ruhn
die deutschmark aufgewert'
zahlt auch den rest.
im vorspann der liebe gott
des zensors schere schneid't gut
schwarz oder rot
wer hemden färben läßt
färbt auch den rest.
so halt ich die weste rein
und mich aus allem raus
morgen kauf ich ein haus
es könnte schlimmer sein
das gibt mir den rest.
nachtlied nach shakespeare
heissa bei regen und wind,
der spiegel ist blind
und der regen rinnt,
scheiß drauf, mein kind,
großen haufen.
heissa bei regen und wind,
wenn ich läuse find
in deinem grind,
scheiß drauf, mein kind,
großen haufen.
heissa bei regen und wind,
weil wir anders sind,
als die andern sind,
scheiß drauf, mein kind,
großen haufen.
heissa bei regen und wind,
der spiegel ist blind
und der regen rinnt.
sie kommen, mein kind,
geh laufen.
ein schäferlied zum abgewöhnen
ich habe mit dir geschlafen
was willst du mehr
jedes schiff hat seinen hafen
p a n t a r e i ma chere.
mein liebling x wir taugen
zu all dem nichts seit ehedem
du hast noch schlaf in den augen
und willst ein kind von wem?
wir werden weiterleben
und tauschen nur das gesicht
du hast dich hingegeben
jetzt hast du lust ich nicht
ich habe mit dir geschlafen
man sagt es sei nichts dabei
jedes schiff hat seinen hafen
au revoir ma chere p a n t a r e i .
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