Reinhard Döhl | Spiele


1. Satz | Fließen auf Erden der Tränen auch viel, über ein Kleines hat alles

Orgel (Melodie 1)

Erzähler Eine tiefe Stille trat ein, und die fremden Gäste steckten eben die Köpfe zum Schlußgebet in den Hut, als man hinter einem der Pfeiler ein heftiges und beinah krampfhaftes Schluchzen hörte.

Schluchzen

Erzähler Die Gräfin sah empört nach der Stelle hin, von der es kam: aber der deckunggebende Pfeiler ließ glücklicherweise nicht erkennen, wer die Anmaßung gehabt hatte, ergriffener sein zu wollen als sie.

Harmonium (Melodie 1)

Die Erzählerin von L. Und Lieschen saß noch immer droben neben der Muhme, und als sie den Gesang von unten hörte, da weinte sie auch, und wußte selbst nicht warum.

Harmonium (Melodie 2)

Die Erzählerin von L. Es war, als sinke ein Nebel vor ihren Augen herab, die goldene Jugendzeit verhüllend mit all den fröhlichen Spielen, mit Sonnenschein und Blütenschnee.

Die Erzählerin von H. Sie hielt den Kopf unter den dicken Wasserstrahl; er schoß ihr über das Gesicht und an den außerordentlich starken, grauen Zöpfen herab, die in den Brunnentrog hingen.

Brunnen

Die Erzählerin von H. Das tat sie immer, auch im eisstarrenden Winter; es schien ihr diese Erfrischung so unentbehrlich wie die Lebensluft zu sein. Heute aber befremdete ihre Gesichtsfarbe mehr als je.

Brunnen

Die Erzählerin von R. Dem alten Mann stürzte urplötzlich und unaufhaltsam ein Tränenstrom aus den Augen.

Die Stimme Giselas Um Gottes willen, Braun!

Die Erzählerin von R. rief das junge Mädchen bestürzt.

Die Stimme Giselas Nein, nein, bleiben Sie!

Die Erzählerin von R. gebot sie, als der Lakai, sichtlich entsetzt über das unzeitgemäße Hervorbrechen seines Schmerzes sich entfernen wollte.

Die Stimme Giselas Ich will wissen, was Sie so tief betrübt.

Klavier (Melodie 3)

Die Erzählerin von L. Wie wild die alte Linde ihre Äste schüttelte, und wie rasch die Wolken dahinjagten am dunklen Himmel! Und dort unten im Dorfe, im Pfarrhause, da wurden Tränen geweint, bittere heiße Tränen.

Harmonium (Melodie 2)

Die Stimme der Pfarrerin Nun, nun, Herzchen,

Die Erzählerin von R. beruhigte die Pfarrerin.

Die Stimme der Pfarrerin Freilich, schaden kann's nicht - weinen Sie sich nur recht von Herzen aus, das wischt alle schlimmen Eindrücke weg... Aber dann sind Sie mir guten Mutes - das bitte ich mir aus!... Sie sind ja bei Pfarrers, und da darf Ihnen kein Härchen gekrümmt werden.

Leierkasten (Melodie 2)

Die Erzählerin von L. Das letzte verstand ich kaum noch, der Sturm verwehte es wohl, oder brach seine Stimme beim Weinen, ich weiß es nicht; er gab mir die Hand, und dann war er fort, Herr, und ist nie mehr wiedergekommen.

Jahrmarktsorgel (Melodie 4)

Die Erzählerin von M. Friedel weinte immer noch.

Die Stimme von Friedel Ach, Fräulein,

Die Erzählerin von M. sagte er endlich,

Die Stimme von Friedel ich wollte, es käme eine Träne in Ihre Augen! Sie sehen so schrecklich blaß, so finster aus; weinen Sie doch, lassen Sie eine Träne in den Sarg fallen; er hat ja keine Ruh im Grabe, wenn die nicht um ihn weinen, die ihn geliebt haben.

Orgel (Melodie 1)

Die Erzählerin von G. Sabine hatte die Beichte mit Schauder und Schrecken gehört. Sie hielt streng auf einen reinen Lebenswandel und war eine unnachsichtige Richterin für Fehltritte, wie sie Bertha bekannt hatte. Aber sie besaß auch ein Herz, reich an Liebe und tiefem Erbarmen. Deshalb sah sie jetzt mit Tränen auf die zerknirschte Verirrte und legte tröstend und beschwichtigend das müde Haupt an ihre Brust. Sie hatte die Genugtuung, daß das Mädchen wie ein müdegeweintes Kind in ihren Armen einschlief.

Jahrmarktsorgel (Melodie 4)

Die Erzählerin von G. Bertha zog die Haushälterin auf den Bettrand und beichtete bitterlich weinend ihre Schuld.

Die Erzählerin von G. Elisabeth bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, und die Tränen drangen zwischen den schmalen weißen Fingern hervor.

Die Erzählerin von G. Sooft Miß Mertens Herrn von Walde erwähnte, flossen ihre Augen über, und sie versicherte wiederholt: Alles, was die Baronin an ihr verschuldet, sei tausendfach ausgeglichen durch ihn, der es nicht ertragen könne, daß in seinem Hause irgend eine Ungerechtigkeit ungesühnt bleibe.

Feuerwerk (Melodie 5)

Die Erzählerin von G. Die Schüsse waren plötzlich verstummt, und es währte nicht lange, da waren auch die Tränenspuren aus Elisabeths Augen verwischt. Sie blickte wieder heller in die Welt.

Die Stimme von Exzellenz Ich sage, daß ich zu den Skeptikern gehöre, Durchlaucht,

Die Erzählerin von R. entgegnete seine Exzellenz mit einem kalten Lächeln,

Die Stimme von Exzellenz daß ich mich zu dem abgedroschenen, aber unbestreitbar wahren Gemeinplatz bekenne: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben...

Donner (Melodie 6)

Die Stimme von Exzellenz Ich traue der Sache so wenig wie dem Himmel, der uns unfehlbar einen Platzregen in die Illumination schicken wird.

Donner und Platzregen (Melodie 6)

Erzähler Schmidt weinte vor sich hin. Aber mit einem Male war er wieder da.

Die Stimme von Schmidt Alles ist Unsinn. Wer es bestreitet, ist ein pecus. Nicht wahr, Kuh... Kommen Sie meine Herren... Wir wollen nach Hause gehen.

Erzähler Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte ruhig:

Die Stimme von Briest Ach Luise, laß... das ist ein zu weites Feld.

Erzähler Und sie umarmten und küßten sich, und eine Stunde später brannten ihnen die Weihnachtslichter in einem ungetrübten Glanz. Von Hugo Großmann wurde selten gesprochen, seine Photographie hing mit einer schwarzen Schleife über der Chaiselongue, und zweimal im Jahr kriegte er nach Woldenstein hin seinen Kranz. Rebecca hatte sich verheiratet. Botho nahm das Blatt. Dann gab er es ihr zurück und sagte mit soviel Leichtigkeit im Ton, als er aufbringen konnte:

Die Stimme Bothos Was hast du gegen Gideon, Käthe?

Erzähler Am Abend aber gaben die Puppenspieler den "Sündenfall". Der Saal war gefüllt und der Beifall groß. Niemand achtete des Wechsels, der in Besetzung der Rollen stattgefunden hatte. Zenobia spielte den Engel. Nach einer halben Stunde hatte sich Stine soweit erholt, daß sie sprechen konnte.

Fließen auf Erden der Tränen auch viel, über ein Kleines hat alles | Hast du Töne oder Die Gewalt der Musik | Alle Jahre wieder oder Leise rieselt der Schnee | Non vitae sed scholae discimus oder Götterdämmerung | Häschen in der Grube oder Von der Volksgesundheit | Märchen haben kurze Beine nur die Wahrheit die hat keine | Der letzte Satz oder Ende schlecht alles recht